Kreml widerspricht Trump-AnhängerTucker Carlson interviewt Putin – und die erste Lüge fliegt sofort auf

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Kremlchef Wladimir Putin hat den amerikanischen Moderator Tucker Carlson für ein Interview empfangen.

Kremlchef Wladimir Putin hat den amerikanischen Moderator Tucker Carlson für ein Interview empfangen.

Eine Behauptung des Trump-Vertrauten geht aber sogar Moskau zu weit. Das Interview soll in der Nacht auf Freitag veröffentlicht werden.  

Der frühere Fox-News-Moderator Tucker Carlson hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin interviewt. In einem am Montag auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) verbreiteten Video sagte der 54-Jährige: „Wir sind in Moskau heute Abend. Wir sind hier, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu interviewen.“ Der Kreml hat das Interview am Mittwochmittag schließlich bestätigt. Carlson kündigte derweil an, das Gespräch mit Putin solle in der Nacht auf Freitag veröffentlicht werden. 

Der rechte Talkmaster, der für die Verbreitung von Verschwörungstheorien bekannt ist, erklärte, es sei sein Job, die Menschen zu informieren. Die meisten Amerikaner seien nicht informiert, weil ihnen niemand die Wahrheit sage und die Medien korrupt seien. Belege für seine Thesen präsentierte Carlson nicht.

Putins Propaganda-Maschinerie liebt Tucker Carlson

Der US-Moderator befindet sich bereits seit mehreren Tagen in Moskau, seine Anwesenheit wird von der russischen Propaganda-Maschinerie ausgeschlachtet. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria veröffentlichte allein am Montag mehr als 20 Artikel zu Carlsons Besuch in Moskau und dem anstehenden Interview mit dem russischen Diktator.

Russland-Experten wie Janis Kluge von der Berliner „Stiftung Wissenschaft und Politik“ warnen vor einer Zusammenarbeit von Carlson und Putin. „Carlson ist schlau und seine Agenda ist klar. Er und Putin werden hervorragend zusammenarbeiten, um das falsche Narrativ über die Ukraine zu verstärken, Biden zu schwächen und Trump zu stärken“, schrieb Kluge am Mittwoch bei X. 

Warnung vor Zusammenarbeit von Tucker Carlson und Wladimir Putin

„Diese Koproduktion von ihnen ist möglicherweise der effektivste und giftigste Propagandaclip, der je erstellt wurde. Für Putin ist es schön, einen nützlichen Idioten wie Gerhard Schröder zu finden, aber einen nützlichen Zyniker zu finden, ist SO viel besser“, fügte Kluge an. 

Tucker Carlson zusammen mit Ex-US-Präsident Donald Trump. Der rechte Moderator gilt als Unterstützer Trumps. (Archivbild)

Tucker Carlson zusammen mit Ex-US-Präsident Donald Trump. Der rechte Moderator gilt als Unterstützer Trumps. (Archivbild)

Die ersten Lügen präsentierte Carlson unterdessen bereits bei seiner Ankündigung des Interviews, das Gerüchten zufolge bereits am Montag geführt worden sein soll. Dort behauptete Carlson, westliche Journalisten hätten sich seit Kriegsbeginn nicht um ein Interview mit Putin bemüht und stattdessen Propaganda-Interviews mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt.

Kreml deckt Lüge auf: „Herr Carlson hat Unrecht“ 

Dieser Darstellung widersprachen innerhalb kürzester Zeit nicht nur Journalisten wie Christiane Amanpour vom US-Sender CNN und BBC-Journalist Steve Rosenberg, sondern ausgerechnet auch der Kreml.

„Herr Carlson hat Unrecht“, teilte Putin-Sprecher Dmitri Peskow den Staatsmedien mit. Es sei zahlreiche Anfragen für Interviews mit Putin in Moskau eingegangen, erklärte Peskow. Diese kämen allerdings von etablierten Mieden und „traditionellen TV-Sendern“, im Kreml bestehe „kein Wunsch, mit solchen Medien zu kommunizieren“, fügte Peskow demnach an. 

Für Empörung sorgt derweil auch, dass Carlson den Kremlchef überhaupt zum Interview trifft, während sich mit Evan Gershkovich und Alsu Kurmasheva zwei US-Journalisten derzeit in russischer Haft befinden. „The Wall Street Journal“-Reporter Gershkovich war im März 2023 als erster amerikanischer Journalist seit dem Kalten Krieg festgenommen worden. Die russische Justiz wirft ihm Spionage vor.

Während Carlson Putin trifft, sitzen zwei US-Journalisten in russischer Haft

Kurmasheva war unterdessen im Oktober 2023 festgenommen worden, die russischen Behörden werfen der Reporterin von „Radio Free Europe“ vor, sich bei ihrer Einreise nicht als „ausländische Agentin“ registriert zu haben. Beiden Journalisten drohen langjährige Haftstrafen. Interviews mit Putin bekamen auch diese beiden Journalisten nicht. 

„Es gibt durchaus Grund zur Klage darüber, dass nicht genügend amerikanische Journalisten über die russische Seite von Putins Invasion berichten, wenn zwei von ihnen derzeit im Gefängnis sitzen, weil sie genau das getan haben“, erklärte der Moskauer Büroleiter der „Financial Times“, Max Seddon, bei X mit beißendem Spott. 

„Tucker Carlson ist in jeder Hinsicht ein nützlicher Idiot Russlands“

„Tucker Carlson ist kein Journalist, er ist ein Propagandist“, schrieb derweil der Politikwissenschaftler Ian Bremmer. „Deshalb empfängt ihn Putin als Interviewpartner.“ Der tschechische Politikwissenschaftler Jakub Janda meldete sich ebenfalls zu Wort. „Tucker Carlson ist in jeder Hinsicht ein nützlicher Idiot Russlands“, schrieb er bei X. 

Dass „echte Journalisten“ keine Interviews mit dem Kremlchef bekommen haben, sei nicht überraschend, erklärte derweil der Kremlkritiker und ehemalige Schach-Weltmeister Garry Kasparow. „Selbst eine geleitete Sendung mit einem seriösen Journalisten ist für einen Diktator wie Putin inakzeptabel“, erklärte Kasparow. „Warum hätte er sonst zwei Jahrzehnte damit verbringen sollen, freie Medien zu unterdrücken?“ 

Entsetzen in der Ukraine: „Sie mögen mit Hitler nicht einverstanden sein …“

Auch aus der Ukraine gab es entsetzte Reaktionen. „Was mich an Leuten wie Tucker anwidert, ist, dass sie so tun, als ob sie sich für unseren Schmerz interessieren“, schrieb der ukrainische Diplomat Olexander Scherba. „Erstens scheren sie sich einen Dreck um andere Menschen, besonders in der Ukraine. Zweitens wissen sie: Wenn sie uns wehrlos zurücklassen, wird zwar kein russisches Blut mehr vergossen, dafür aber ukrainisches. Aber ich wette, er ist damit einverstanden.“

Ukrainische Medien wie die Zeitung „Ukrainska Prawda“ stürzten sich unterdessen auf einen Satz aus Carlsons Ankündigungsvideo. Dort erklärt der Unterstützer des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump: „Sie mögen mit Putin nicht einverstanden sein, aber wir bitten Sie dringend, ihn anzuhören.“ Diese Aussage wandte die Zeitung in einem Beitrag auf X auf Adolf Hitler an – um auf die Absurdität der Worte hinzuweisen. „Sie mögen mit Hitler nicht einverstanden sein, aber wir bitten Sie dringend, ihn anzuhören“, schrieb die „Prawda“ bei X. 

Trump-Unterstützer Tucker Carlson bei Fox News gefeuert

Dass Putin im Westen, wie Carlson behauptet, nicht zu Wort gekommen sei, ist zudem eine Behauptung ohne jede Grundlage. Westliche Medien berichten regelmäßig und ausführlich über die Aussagen des Kremlchefs, der in den letzten Tagen immer bedrohlichere Worte gewählt hatte.

Carlson hingegen wurde im vergangenen Jahr von Fox News gefeuert, ohne dass damals Gründe für den Rausschmiss genannt wurden. Der Talkmaster moderierte dort jahrelang eine quotenstarke Abendsendung. Diese nutzte er dazu, um Verschwörungstheorien und Falschmeldungen zu verbreiten und gegen Minderheiten zu hetzen.

Kurz danach startete er eine eigene Show auf X – laut eigener Aussage erhält er für sein Interview mit Wladimir Putin nun auch Unterstützung von X-Chef und Tech-Milliardär Elon Musk. (mit dpa)

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