Im Süden der Ukraine vermeldet Russland Geländegewinne. Das angegriffene Land gerät immer weiter unter Druck.
Moskau nutzt schlechtes WetterNebel behindert Drohnen – Südliche Verteidigungsfront der Ukraine wankt

Die ukrainische Luftabwehr fängt eine Shahed-Drohne während eines russischen Luftangriffs auf die Hauptstadt in Kiew ab (Archivbild).
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Russland hat die Eroberung von zwei weiteren Ortschaften im Süden der Ukraine gemeldet. Russische Einheiten hätten die Dörfer Riwnopillja und Mala Tokmatschka unter ihre Kontrolle gebracht, teilte das Verteidigungsministerium am Sonntag im Onlinedienst Telegram mit. Moskau hatte bereits in den vergangenen Tagen die Einnahme zweier Dörfer in der Region verkündet.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete ebenfalls, die Ortschaften seien „befreit“ worden und wählte damit die übliche Propaganda-Formulierung. Sie bedient das Narrativ, die Bevölkerung dort werde von dem angeblich illegitimen Regime in Kiew unterdrückt. Die betroffenen Gebiete werden immer wieder als „ursprünglich russisch“ bezeichnet.
Nach Rückschlägen in der Ostukraine gerät die ukrainische Armee auch an der Südfront in der Region Saporischschja zunehmend unter Druck. Die russische Armee gewinnt auch hier stetig weiter an Boden.
Wie der „Bild“-Journalist Julian Röpcke unter Berufung auf ukrainische Kollegen und Aktivisten berichtet, sei die Lage inzwischen dramatisch, auch in den Regionen Charkiw und Donezk. Die von der Ukraine kontrollierte Fläche sei im Oktober um weitere 586 Quadratkilometer geschrumpft. Im November drohe demnach ein neuer Jahreshöchststand an Gebietsverlusten. Russische Offensiven in den Regionen der Großstädte Dnipro und Saporischschja seien damit nur noch eine Frage von Monaten – höchstens ein bis zwei Jahren, heißt es weiter.
Russland nutzt Schwachstellen in Drohnen-Verteidigung der Ukraine aus
Das amerikanische Institute for the Study of War (ISW) berichtet ebenfalls von russischen Geländegewinnen in der Ukraine. Mit der Einnahme weiterer Dörfer werde der Marsch auf die Stadt Huljajpole fortgesetzt, die nur zehn Kilometer von Riwnopillja entfernt liegt. Die russischen Streitkräfte hätten in den vergangenen Tagen Schwachstellen in der ukrainischen Drohnenverteidigung ausgenutzt, die durch schlechte Wetterbedingungen wie Nebel und Regen entstanden seien. Drohnen würden von der Ukraine eingesetzt, um die klassischen Streitkräfte an der 1.200 Kilometer langen Frontlinie zu entlasten. Russland dagegen setzte bei seinen Angriffen vor allem auf Gleitbomben und Shahed-Drohnen, so das ISW.
Bereits einige Tage zuvor hatte sich die Ukraine aus ihren Stellungen nahe Riwnopillja zurückgezogen, wie der „Kyiv Independent“ berichtete. „Besser verteidigungsfähige Positionen“ wurden demnach eingenommen, um unnötige Verluste zu vermeiden. Der Rückzugsbefehl erfolgte nach der aller Schutzräume und Befestigungen durch intensives russisches Artilleriefeuer. Rund 2.000 Granaten wurden auf die ukrainischen Stellungen abgefeuert, hieß es am 11. November. Laut ukrainischen Angaben zog sich die Armee um etwa zehn Kilometer zurück.
Pokrowsk wird massiv angegriffen
Huljajpole ist eine Kleinstadt, die bereits seit längerer Zeit von russischen Gleitbomben und Drohnen angegriffen wird. Neben Huljapole sollen die Nachschubwege nach Norden in Richtung Pokrowsk in der benachbarten Region Dnipropetrowsk abgeschnitten werden. Die zunehmende Ausdünnung der ukrainischen Linien aufgrund eines gravierenden Soldatenmangels und der massiven russischen Drohnenüberlegenheit gelten als Ursache für die russischen Erfolge.
An der östlichen Front setzt Russland massiv Truppen ein, um die Kohlebergbaustadt Pokrowsk einzunehmen. Seit mehr als einem Jahr dauert die Schlacht an. Nach der Eroberung von Pokrovsk würden russische Truppen vermutlich in Richtung der nördlich gelegenen Stadt Dobropillja vorrücken, so eine aktuelle Analyse von Pasi Paroinen von der finnischen Open-Source-Organisation Black Bird Group. Es ist unklar, wie lange die Ukraine Pokrowsk noch halten kann.
Kuleba: Verstärkt russische Angriffe auf Eisenbahn
Oleksiy Kuleba, Vize-Ministerpräsident der Ukraine, erklärte am Samstag im britischen „Guardian“, die Zahl der russischen Angriffe auf die Infrastruktur seines Landes hätte sich in den vergangenen Monaten verdreifacht. Insbesondere die Eisenbahn sei betroffen. Laut Kuleba verfolgt Russland drei Ziele: Zum einen solle die ukrainische Logistik im Süden zerstört werden, um den Warentransport zu den Häfen im Schwarzen Meer zu unterbinden. Zum anderen soll der Schienenverkehr in der Nähe der Frontlinien in Regionen wie Tschernihiw und Sumy unterbunden werden. Im Donbas, dem industriellen Herzstück der Ostukraine, solle zudem alles zerstört werden.
Die Gespräche über ein Friedensabkommen zwischen Kiew und Moskau liegen derzeit auf Eis. Ein ursprünglich geplantes Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin in Budapest kam nicht zustande. (mit afp)

