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KommentarWas vom Auftritt des russischen Befehlshabers zu halten ist

Lesezeit 2 Minuten
Surowkin

Sergej Surowikin (Archivbild)

Köln – Der Auftritt war bemerkenswert: Der russische Befehlshaber im Ukraine-Krieg, Sergej Surowikin, hat sich per TV-Interview zu Wort gemeldet. Das ist schon ungewöhnlich, und erst recht fällt auf, was er zu sagen hatte: Anders als der russische Generalstab in seinen täglichen Märchenstunden gab er kaum Erfolgsmeldungen zum Besten, sondern räumte große Probleme ein und bereitete die Russen auf „schwierige Entscheidungen“ im Raum Cherson vor. Wie ist das zu verstehen?

Kann sein, dass Surowikin tatsächlich einen Rückzug vom rechten Dnipro-Ufer im Auge hat. Jenen Rückzug, den offenbar Kemlchef Wladimir Putin selbst bisher unterbunden hat. Für die Ukraine hätte eine solche Entwicklung Vor- und Nachteile: Die Befreiung der Stadt Cherson wäre ein gewaltiger Erfolg, und viele bisher in den Kämpfen dort gebundene ukrainische Soldaten könnten anderweitig eingesetzt werden.

Surowikin ist für brutale Methoden der Kriegsführung bekannt

Andererseits würde auch Russland so eine fünfstellige Zahl von meist gut ausgebildeten Soldaten in Sicherheit bringen, die sonst in eine aussichtslose Lage geraten wären. So hat es ja umgekehrt der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj im Donbass gehandhabt – und mit seinen taktischen Rückzügen die Grundlage für die späteren ukrainischen Erfolge gelegt.

Zudem wäre ein befreites Cherson russischen Angriffen vom linken Dnipro-Ufer ausgesetzt. Der schon aus Syrien einschlägig bekannte Surowikin hat sich ja detailliert zu den brutalen Methoden seiner Kriegsführung geäußert. Und seine aberwitzige Behauptung, die Ukraine wolle den Dnipro-Staudamm bei Nova Kachowka sprengen und so eine Flutkatastrophe auslösen, könnte auf entsprechende russische Vorhaben nach einem Abzug aus Cherson schließen lassen.

Alles in allem verrät Surowikins Interview verbrecherische Rationalität. Der Mann ist ernster zu nehmen als die unfähigen Goldfasane, die Russland zuvor in die Ukraine entsandt hatte. Ohnehin hat er klargestellt, dass der verbrecherische Drohnenkrieg der russischen Armee weitergehen soll, Cherson wäre dann künftig mit im Fokus.

Das sollte den westlichen Partnern der Ukraine zu denken geben: Funkstörgeräte gegen Drohnen sind gut und schön, aber das Zentrum des vom Iran mit Gerät und wohl auch Personal unterstützten Drohnenterrors liegt auf der Krim. Und die Ukraine braucht endlich weitreichende Waffen, um die Drohnenkommandos auszuschalten. Allerdings müssen ukrainische Politiker dann auch glaubhaft machen, dass sie solche Waffen verantwortungsbewusst einsetzen werden. Aktionen wie eine Anerkennung Tschetscheniens als selbstständiger Staat sind da kontraproduktiv – und komplett vermessen.