Schlechte Leistung beim LesenWas NRW gegen das Problem an Grundschulen plant

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Kinder lesen in einer Grundschule.

Kinder lesen in einer Grundschule.

Viele Viertklässler in NRW zeigen erschreckende Lernschwächen, wie nun offenkundig wurde. Der Kampf dagegen beginnt erst.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat am Donnerstag Maßnahmen gegen die schlechten Leistungen von Grundschülern im Lesen, Schreiben und Rechnen angekündigt. Sie glaubt aber nicht an schnelle Erfolge. „Eine Verbesserung dieser Basiskompetenzen ist eine Mammutaufgabe, die nicht in einem Sprint, sondern in einem Marathon bewältigt werden muss“, sagte Feller in einer Sondersitzung des Schulausschusses im Landtag. In Hamburg habe es bis zu einer erfolgreichen Trendumkehr zehn Jahre gedauert.

Was ist das Problem an den Grundschulen?

Laut der internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu), die Mitte Mai vorgestellt wurde, erreicht in Deutschland ein Viertel der Kinder nicht das Mindestniveau beim Textverständnis. Schon im Herbst 2022 beschrieb die so genannte IQB-Studie die Schwächen der Schülerinnen und Schüler. Demnach hat jeder fünfte Grundschüler in NRW sehr große Probleme beim Lesen. Noch schlechter als beim Lesen sieht es bei der Rechtschreibung aus: Fast jedes dritte der untersuchten NRW-Schulkinder hat erhebliche Probleme damit. NRW schneidet hier schlechter ab als die meisten anderen Bundesländer, und die Defizite nehmen seit Jahren zu. Die im Rahmen der Studien untersuchten Viertklässler haben ihre schulischen Schwächen in die weiterführenden Schulen mitgenommen, „und wenn wir Pech haben, werden sie sie ein Leben lang haben“, sagte Ministerin Feller.

Was will NRW dagegen unternehmen?

Die Landesregierung reagiert mit einem Maßnahmenpaket auf die erschreckenden Befunde der beiden Studien. Ein erster Schritt ist laut Feller die Einführung einer „verbindlichen Lesezeit von dreimal 20 Minuten pro Woche in den Grundschulen“. Dass das gut wirke, sei wissenschaftlich erwiesen, und Lesen sei eben die wichtigste Grundlage für das Lernen.

Grundschullehrkräfte in NRW sollen zudem verbindliche Konzepte und Unterrichtsmaterialien insbesondere für Deutsch und Mathematik erhalten, mit denen sie die Leistungen der Schulkinder wirklich verbessern könnten. Andere Schulformen griffen auf diese „Muster-Unterrichtsmaterialien“ längst zurück, Grundschulen müssten dagegen oft mühsam eigene Schwerpunkte und Aufgaben erstellen.

Es gebe zwar bereits eine Vielzahl an analogen und digitalen Materialien, aber nicht alles davon sei erwiesenermaßen gut. Das Land werde den Lehrerinnen und Lehrern daher Empfehlungen, geben die auf dem Rat von Wissenschaftlern beruhen, so Feller. Gute Beispiele für den Matheunterricht stünden auf den zum Teil neuen Internetseiten „PIKAS“, „Mathe inklusiv“ und „Mahiko“, für Deutsch empfiehlt das Land die Webseiten „STIFT“, „Schlau-D“ sowie „LeOn“. Die Unterstützungsmaterialien, vor allem zur Leseförderung, sollen noch vor den Sommerferien am 12. Juni den Schulleitungen der Grund- und Förderschulen vorgestellt werden. Der Pädagogen-Verband VBE findet diesen Termin allerdings „unglücklich“, weil er mitten in die Zeugnisvorbereitungen falle.

Müssen sich die Schulen wieder auf Neues einstellen?

Nein, beteuert die Landesregierung. Dorothee Feller versichert den Grundschulen, dass sie künftig nicht mit immer neuen Programmen und Plänen belastet würden: „Es gibt da zu viel ,Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln‘. Wir haben zum Beispiel in NRW Englisch in der dritten Klasse eingeführt. Dann sagen wir, wir machen das doch lieber in der ersten Klasse, und danach gehen wir wieder zurück zu Englisch ab der dritten Klasse. Das führt alles zu Unruhe. Wir müssen aber Ruhe reinbringen in die Grundschulen.“ Daher würden der „Masterplan Grundschule“ sowie die „Fachoffensiven Mathematik und Deutsch“ jetzt auch nicht in Frage gestellt.

Was ist mit den Kindern, die noch nicht zur Schule gehen?

Laut Ministerin Feller wird bald in NRW bei der Grundschulanmeldung ein landesweit einheitliches „Screening“, also eine Art Früherkennung, durchgeführt, die in eine gezielte Förderung für all jene Kinder münden soll, die noch nicht reif sind für den Schulstart. Dirk Schnelle aus dem Schulministerium sprach von „Vorbereitungskursen“.

Was sagt die Opposition zu den Plänen?

Die SPD, die die Sondersitzung im Landtag beantragt hatte und von einer „Bildungskatastrophe“ spricht, warf Feller vor, kein Gesamtkonzept zu haben. SPD-Schulexpertin Dilek Engin sagte, die Ministerin habe zwar erkannt, dass die Ergebnisse von IQB- und Iglu-Studie Weckrufe seien, komme aber über die Problembeschreibung kaum hinaus. „Ein halbes Jahr nach dem IQB-Bildungstrend hat die schwarz-grüne Landesregierung als einzige konkrete Maßnahme zur Stärkung der Basiskompetenzen dreimal 20 Minuten Lesen pro Woche – das ist nicht verkehrt, aber erschreckend wenig“, sagte sie.

Die Sozialdemokraten fordern unter anderem eine Kompetenz-Untersuchung von Kindern durch Ärzte der Gesundheitsämter schon im Alter von viereinhalb Jahren und nicht kurz vor der Einschulung. Im letzten Jahr vor der Einschulung müssten Kinder mit Förderbedarf gezielt auf den Schulbesuch vorbreitet werden. Die Schul- und die Familienministerin müssten viel enger zusammenarbeiten, um den Übergang von der Kita zur Schule zu verbessern.

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