Während der Kremlchef die „Helden“ in der Armee lobt, wird in Russland Kritik am Kreml und einer drohenden „Niederlage“ in der Ukraine laut.
Verluste, Deserteure, KritikPutin ist „stolz“ auf seinen Krieg – doch in Russland werden Zweifel an ihm laut

Kremlchef Wladimir Putin bleibt auf Kriegskurs. „Wir haben getan, was wir tun mussten, und wir sind stolz darauf“, erklärte der russische Staatschef zu Wochenbeginn. (Archivbild)
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Kremlchef Wladimir Putin bleibt trotz des jüngsten Kurswechsels und der Kritik von US-Präsident Donald Trump weiter auf Kriegskurs. Zu Wochenbeginn feierte der russische Staatschef die „Wiedervereinigung“ mit den von Russland teilweise besetzten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson in einer Ansprache. „Wir haben getan, was wir tun mussten, und wir sind stolz darauf“, erklärte Putin anlässlich des dritten Jahrestags der international nicht anerkannten Annexion.
Russland hat die vier Oblaste als „Neurussland“ zu seinem Staatsgebiet erklärt, obwohl die russische Armee die vollständige Kontrolle über die Regionen bisher nicht erlangen konnte. Mit seinen Worten bekräftigte Putin nun, dass Moskau dieses Vorhaben nicht aufgeben hat.
Wladimir Putin: „Wir werden alle Herausforderungen meistern“
„Wir verteidigen unsere Liebe zu unserem Heimatland und unsere Einheit, indem wir unsere nationalen Interessen, unser gemeinsames Gedächtnis und unsere Werte, die russische Sprache, Traditionen, Kultur und unseren Glauben bewahren“, erklärte der Kremlchef. „Wir werden alle Herausforderungen meistern und nur stärker werden“, hieß es weiter.
Die in Russlands Krieg gegen die Ukraine eingesetzten Soldaten und Offiziere seien „wahre Helden“, behauptete Putin. „Wir stehen zusammen. Und das bedeutet, dass all unsere Pläne verwirklicht werden“, kündigte der Kremlchef außerdem an.
Russland zieht so viele Wehrpflichtige ein wie seit neun Jahren nicht mehr
Putin unterstrich Russlands Kriegskurs gleichzeitig auch mit Taten. So ordnete der Kremlchef am Montag die Einberufung von rund 135.000 Wehrpflichtigen bis Ende 2025 an – so viele wie seit neun Jahren nicht mehr. Seit Kriegsbeginn hat Russland in jedem Herbst durchschnittlich 127.000 Männer eingezogen, nun stieg die Anzahl auf den höchsten Wert seit 2016, damals wurden 152.000 Wehrpflichtige zur Armee beordert.
Während der Kreml betont, die jungen Männer würden nicht im Krieg eingesetzt, hat die Ukraine wiederholt davon berichtet, dass sich unter russischen Kriegsgefangenen auch Wehrpflichtige befunden hätten. Auch russische Exil-Medien wie die „Moscow Times“ haben über den Einsatz der jungen Männer an der Front bereits berichtet.
In Russland wachsen die Zweifel an Putins Kriegskurs
In Russland wachsen zuletzt unterdessen die Zweifel an den Erfolgsaussichten des in der Kreml-Sprechreglung als „militärische Spezialoperation“ bezeichneten Kriegs gegen das Nachbarland. Unter den mindestens 50.000 russischen Deserteuren befänden sich immer mehr der jetzt erneut eingezogenen Wehrpflichtigen, berichtete die „Moscow Times“ kürzlich.
Es handele sich überwiegend um junge Männer aus armen und abgelegenen Regionen, die davon berichten würden, dass sie gezwungen worden seien, Verträge mit der Armee zu unterschreiben, um dann in den Kampf in der Ukraine entsandt werden zu können, hieß es dort.

Ein ukrainischer Panzer feuert nahe der Stadt Bachmut auf russische Stellungen. (Archivbild)
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Manche der Deserteure ergriffen demnach drastische Maßnahmen, um dem Kampfeinsatz zu entgehen, berichtete die „Moscow Times“ weiter und zitierte einen Wehrpflichtigen, der sich laut eigenen Angaben selbst in den Fuß geschossen hat, um nicht an der Front kämpfen zu müssen. „Dieser Schuss hat mich gerettet“, sagte der Mann dem Exil-Medium.
Kritik am Krieg in Russland: Personalmangel und Misserfolge
Zweifel am Kriegskurs des Kremlchefs werden jedoch zuletzt auch bei russischen Propagandisten laut. „In den letzten Tagen haben mehrere kremlfreundliche Persönlichkeiten eingeräumt, dass Russlands Militärkampagne ins Stocken geraten ist“, fasste die ukrainische Zeitung „Kyiv Independent“ die Missstimmung in Moskau kürzlich zusammen.
So beklagte die Propagandistin Tatjana Montjan zuletzt etwa einen „Personalmangel“ bei der russischen Armee, der Putin bald zu einer neuen Mobilmachung zwingen könnte. Der russische „Senator“ der besetzten ukrainischen Region Saporischschja, Dmitri Rogosin, räumte unterdessen Misserfolge der russischen Truppen ein.
„An der Front herrscht eine Sackgasse“
„Es ist unmöglich, weiterzukommen. An der Front herrscht eine Sackgasse“, beklagte Rogosin Mitte September und bekam dafür kurz darauf die Zustimmung von Kriegsveteran Pawel Gubarew, der von „unvergleichlich hohen Verlusten“ in Russlands Reihen berichtete.
Insbesondere die Zerstörung russischer Ölraffinerien durch ukrainische Angriffe habe eine strategisch vorteilhafte für die Ukraine geschaffen, führte Gubarew aus. Gleichzeitig führe die Moskauer Propaganda die Öffentlichkeit in Russland in die Irre und lasse die Bevölkerung glauben, die Ukraine stehe kurz vor dem Zusammenbruch, beklagte der Kriegsveteran.
„Aktuelle Situation kommt für uns einer Niederlage gleich“
„In Wirklichkeit kommt die aktuelle Situation für uns bereits einer Niederlage gleich“, fand Gubarew schließlich deutliche Worte. „Russland ist nicht in der Lage, die spezielle Militäroperation mit dem Erreichen der gesetzten Ziele und dem Sieg abzuschließen“, hieß es weiter.
Eine klare Einschätzung zu Putins Erfolgsaussichten lieferte derweil zu Wochenbeginn auch Trumps Sondergesandter für die Ukraine, Keith Kellogg. „Tief in seinem Inneren“ sei Putin klar, dass er den Krieg „nicht gewinnen kann“, erklärte der US-General nun beim Warschauer Sicherheitsforum.
Keith Kellogg über Putin: „Kampf ist für ihn nicht zu gewinnen“
„Auf lange Sicht ist dieser Kampf für ihn nicht zu gewinnen. Das wird nicht passieren“, fügte Kellogg an und verwies auf die enormen Verluste bei gleichzeitig nur überschaubaren Gebietsgewinnen der russischen Armee.

Keith Kellogg spricht beim Warschauer Sicherheitsforum. (Archivbild)
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„Dies ist ein Krieg von industriellem Ausmaß, bei dem Hunderte – nicht ein- oder zweitausend, sondern Hunderttausende – Menschen in den Kämpfen getötet wurden“, erklärte Kellogg und bezifferte die Zahl der Toten und Verwundeten auf beiden Seiten auf mehr als eine Million Soldaten. „Das sind erschütternde Zahlen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass dieser Krieg beendet werden muss“, fügte Kellogg hinzu.
Erschütternde Verluste – und bald neue Problemen für Putin?
Die jüngsten ukrainischen Angriffe auf die russische Ölindustrie seien ein Fortschritt bei der Erreichung dieses Ziels, erklärte Trumps Sondergesandter weiter und kritisierte, dass europäische Staaten wie Ungarn, die Slowakei und die Türkei immer noch Öl in Russland kaufen.
Moskau werde „enorme Probleme“ bekommen, „wenn man ihm die Petrodollar wegnimmt“, prognostizierte Kellogg schließlich und bekräftigte damit die jüngsten Forderungen von US-Präsident Trump an die Nato-Staaten. Erst wenn die Öl-Einnahmen komplett in den Keller gehen, werde man sehen, welches „Schmerzniveau“ Putin zu akzeptieren bereit sei, fügte Kellogg an.