Deutsche Survival-ShowYoutube-Hit „7 vs. Wild“ – warum schauen das so viele?

Lesezeit 6 Minuten
IMG_1977

Der Abenteurer Fritz Meinecke steckt hinter dem Format „7 vs. Wild“. 

Köln – „Ausgesetzt in der Wildnis von Schweden kämpfen sieben Kandidaten sieben Tage ums Überleben. Jeder muss mit sieben vorher ausgewählten Gegenständen und der Kleidung am Körper auskommen. Keine Kamerateams, kein Kontakt zur Außenwelt, vollkommene Isolation.“ So beginnt jede der 16 Folgen der Youtube-Serie „7 vs. Wild“. Am Mittwoch wird die letzte Episode ausgestrahlt. Die Folgen der Serie hatten mit bis zu fünf Millionen Aufrufen überdurchschnittlich großen Erfolg, sie bestimmt seit Wochen die Youtube-Trends. Warum gucken das so viele?

„7 vs. Wild“ ist ein Projekt des Youtubers, Survival-Experten und Abenteurers Fritz Meinecke. Der 32-Jährige ist gelernter Bankkaufmann, hat anschließend 15 Monate bei der Bundeswehr verbracht und veröffentlicht Videos seiner ungewöhnlichen Expeditionen auf Youtube.

Neuer Inhalt

Fritz Meinecke kennt sich mit Survival-Training aus. 

Er filmt sich zum Beispiel bei einer Fahrradtour von Berlin nach Estland oder bei seinem Versuch, 50 Kilometer exakt geradeaus zu gehen. Dazu vermittelt er Wissen für Überlebenssituationen: Worauf muss man beim Feuer machen achten? Wie baut man ein Bett aus natürlichen Gegenständen? Auch das interessiert Millionen. 

Worum geht es bei „7 vs. Wild“?

Sein neuestes Projekt ist das mit Abstand erfolgreichste. Sieben Männer, die meisten haben bereits Survival-Erfahrung, versuchen sieben Tage in einem schwedischen Wald zu überleben, der an einem See liegt. Dass keine Frau dabei ist, findet Meinecke bedauerlich. „Leider haben die Frauen nicht zugesagt, die ich für das Projekt angefragt habe. Falls es eine weitere Staffel gibt, möchte ich unbedingt zwei oder drei Frauen dabeihaben.“

Mitnehmen dürfen die Kandidaten ihre Klamotten und sieben vorher ausgewählte Gegenstände wie zum Beispiel ein Messer, ein Feuerstahl oder einen Schlafsack. Meinecke selbst ist auch dabei. Für den Notfall hat jeder Kandidat ein Telefon und kann jederzeit abgeholt werden. Im Verlauf der Serie werden es einige brauchen.

Jeden Morgen öffnen die Kandidaten einen Brief und lesen die sogenannte „Tages-Challenge“ vor. Wer baut die Fackel, die am längsten brennt? Wer konstruiert ein Floß, das mindestens eine Minute auf dem offenen Wasser schwimmt? Wer schafft es, mit natürlichen Gegenständen ein Feuer zu entzünden? Am Ende gibt es Punkte und derjenige, der die meisten Punkte gesammelt hat, ist der Gewinner. Er erhält 10.000 Euro, die für einen wohltätigen Zweck gespendet werden.

Warum ist das gerade jetzt interessant?

„Ich dachte erst: Hier inszenieren sich sieben Typen, volltätowiert, outdoor-erfahren als harte Naturburschen. Das ist aber nicht der Fall“, sagt Stefan Drewes, Schulpsychologe und Leiter des LVR-Zentrums für Medien und Bildung. Ihn habe die Serie extrem beeindruckt, erzählt er. „Es ist faszinierend: Da glaubt man, alle wollen nur immer mehr Selbstinszenierung, Action und Totschlag – und dann holt viele Menschen ein so ruhig und mit ehrlichen Gefühlen erzähltes Format ab.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Drewes bestätigt, dass der Hype um die Serie immer größer wird. Jede einzelne Folge hat die Millionengrenze geknackt. „Die meisten Zuschauer sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. 85 Prozent sind männlich. Trotzdem merke ich, dass die Serie auch bei ganz Jungen und bei ganz Alten gut ankommt“, sagt Meinecke.

Eine Erklärung für den großen Erfolg: die Einschränkungen der letzten zwei Jahre. „In der Pandemie haben wir uns alle in den geschützten Raum zurückgezogen. Das verstärkt den Wunsch, endlich wieder etwas Außergewöhnliches erleben zu wollen“, sagt Drewes. Eine andere Begründung: die Selbstüberprüfung. „Ich habe mich auch immer wieder gefragt: Wieviel Tage würde ich schaffen? Welche Werkzeuge hätte ich mitgenommen? Will ich überhaupt in eine solche Extremsituation? Das macht den Reiz aus“, erklärt Drewes.

„Faszinierend ist außerdem, wie die Teilnehmer mit Problemen umgehen“, ergänzt Meinecke. „Im Survival ist es enorm wichtig, improvisieren zu können. Wenn es heftig regnet, ist es natürlich spannend, wie die Teilnehmer auf sich alleine gestellt damit umgehen.“

Warum ist die Isolation das größte Problem?

Meinecke sieht in den Werkzeugen in erster Linie Dinge, die „die Zeit in der Natur vereinfachen.“ Viel wichtiger sei etwas anderes. „Ich muss grundsätzlich wissen, wie ich mir ein Feuer mache, einen Unterschlupf baue oder einen Fisch fange.“ Dazu brauche man aber auch die richtige Einstellung. „Über allem steht die Frage: Wie schafft man es, seinen Geist zu kontrollieren?“ Meinecke versucht es durch Projekte. Jeden Tag nimmt er sich neue Aufgaben vor, um gar nicht erst in Gedankenspiralen abzurutschen.

Die sieben Teilnehmer sind so weit voneinander entfernt ausgesetzt, dass sie sich nicht treffen können. Auch die Umgebung ist unterschiedlich. Alle erleben so eine sehr individuelle Erfahrung. Es werden kalte Nächte durchgezittert, Bärenspuren gefunden und Verletzungen verarztet. Eine Fraktion ist permanent aktiv, schnitzt Schachfiguren oder baut eine Sauna. Ein anderer Teil ist eher passiv, verbringt viel Zeit im Bett.

IMG_2008

Die Einsamkeit erweist sich oft als das größte Problem in der Wildnis. 

Dennoch gibt es ein Phänomen, das früher oder später für jeden zum Problem wird: die Einsamkeit. „Im normalen Leben ist kein Mensch sozial isoliert. Auch wenn man sieben Tage zu Hause bleibt, hat man trotzdem soziale Interaktionen“, sagt Meinecke. „Irgendwas kann dich immer beschallen. Ausschließlich mit sich alleine zu sein – das kennt man so nicht.“

Psychologe Drewes kann das sehr gut verstehen: „Wir sind alle soziale Wesen, brauchen Kontakte und andere Menschen. Auch aus der Forschung wissen wir, zum Glückserleben  gehören stabile soziale Beziehungen. Es hat mich allerdings überrascht, wie schnell und wie unterschiedlich der Verlust von sozialen Kontakten erlebt wird.“ 

Was können wir über uns lernen?

Für Drewes ist es besonders auffällig, dass sich „in der Serie Persönlichkeitszüge zeigen, die den Teilnehmern sicher vorher nicht so bewusst waren: Kann ich mit Langeweile umgehen? Wie kann ich negative Gedanken steuern und mich selbst motivieren? Will ich überhaupt die Erwartungen und Aufgaben erfüllen? Wann bin ich wirklich erschöpft und brauche Erholung.“

Letztlich kommen alle Kandidaten an den Punkt, da sie ihr eigenes Leben hinterfragen. Wie viel Zeit vergeude ich eigentlich täglich auf Social Media? Muss ich mir das wirklich kaufen? Welche Menschen sind mir wichtig? „Wer sieben Tag keine externen Einflüsse hat, wird sehr viel über sich lernen. Einfach mal ausprobieren!“, sagt Meinecke.

Gibt es nun eine zweite Staffel?

Eine 2. Staffel, die laut Meinecke bisher nicht offiziell bestätigt ist, es aber dennoch Überlegungen gibt, sieht Drewes kritisch. „Das Problem ist: Die Serie ist in diesem unverfälschten Format nicht wiederholbar. Die vielen Reaktionen werden dazu führen, dass bei einer neuen Staffel die Kandidaten nicht mehr so frei agieren werden.“

In einem Punkt ist sich Drewes sicher: Es dürfe keinesfalls das Grundkonzept geändert werden. Die Teilnehmer müssten alleine klarkommen, nicht als Gruppe. „Die dann entstehenden Gruppendynamiken lenken von dem Empfinden einzelner Kandidaten ab. Es kommt dann zu Hierarchie- und Positionskämpfen, das wäre ein ganz anderes Format mit anderen Inhalten.“ Meinecke denkt da viel praktischer: „Was machen wir denn, wenn einer einen Fisch fängt und alle Hunger haben?“

Rundschau abonnieren