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Väter in Elternzeit„Sein Kind so aufwachsen zu sehen, das wünsche ich jedem Papa“

Lesezeit 14 Minuten
Simon Hölzemann mit seinem Sohn Matti

Simon Hölzemann ist gerade in Elternzeit und betreut seinen Sohn Matti zuhause – die beiden sind ein super Team.

Köln – Als Janis Morgenthaler bei einer beruflichen Konferenz verkündete, dass er über ein Jahr in Elternzeit gehen würde, habe ein älterer Kollege ihm eine Frage gestellt, mit der er ganz und gar nicht gerechnet hatte: „So lange mit Kind zuhause – aber was machen Sie denn dann den ganzen Tag?“ Erstaunte Pause. „Na, ich kümmere mich um mein Kind, das ist viel Arbeit“, habe er schlicht geantwortet, erzählt Janis. Zufrieden sei der Kollege mit dieser Aussage aber nicht gewesen: „Aber was machen Sie genau? Also, bei meinen zwei Töchtern damals war das überhaupt kein Problem.“ Es sei sicher nicht böse gemeint gewesen, sagt Janis heute, der Kollege habe einfach nicht verstanden, warum ein Vater so etwas tun sollte. „Diese Situation ist bei mir hängen geblieben. Und ich hätte damals gerne noch deutlicher gemacht, wie wichtig es ist, die Betreuungsarbeit mehr zu würdigen.“

Glücklicherweise sei diese Reaktion aber nur eine unter vielen sehr positiven gewesen, seit er beschlossen habe, für die Betreuung seines Sohns insgesamt 14 Monate Elternzeit zu nehmen, sagt Janis, der als Arzt arbeitet und mit seiner kleinen Familie in der Kölner Südstadt lebt. Von vielen Kollegen und Kolleginnen sowie von seiner Chefin sei er in seinem Elternzeit-Vorhaben sehr unterstützt worden. „Auch die Reaktionen im Bekanntenkreis und in der Familie waren motivierend. Manche waren etwas überrascht, aber fanden es auch cool. Viele waren interessiert an unserem Familienmodell.“

„Ich will eine starke Bezugsperson für meinen Sohn sein“

Inzwischen ist Janis mittendrin in seiner Elternzeit, noch bis Sommer betreut er Sohn Jesse, der heute 16 Monate alt ist. Die ersten zehn Lebensmonate war Mutter Maike Trommer mit dem Baby zuhause gewesen, nach einer kurzen Familienzeit zu dritt ist sie aber wieder Vollzeit in ihren Beruf als Ärztin eingestiegen. Dass er von Anfang an eine zentrale Rolle im Leben seines Kindes einnehmen will, stand schon lange fest, unterstreicht Janis: „Es war für mich immer schon klar, länger in Elternzeit zu gehen. Mir ist es wichtig, dass ich eine starke Bezugsperson für Jesse bin.“ Er wolle viel für seinen Sohn da sein, um ihn richtig kennenzulernen, ihm beim Heranwachsen zuzusehen und auch auf seine Entwicklung Einfluss zu nehmen. „Genau das ist auch mein Verständnis von gleichberechtigter Erziehung. Dazu macht es auch noch total Spaß, das alles mitzuerleben.“

Auch Simon Hölzemann aus Köln-Ehrenfeld entschied sich bei seinem zweiten Kind ganz bewusst für eine längere Elternzeit. Während er damals bei Tochter Ida, die heute drei ist, „nur“ die klassischen zwei „Papa-Monate“ gleichzeitig mit seiner Frau Svenja Hölzemann genommen hat, ist er für den elf Monate alten Sohn Matti jetzt insgesamt über ein halbes Jahr zuhause. „Rückblickend fand ich es schade, dass ich mit Ida nicht länger daheim und gar nicht alleine zuständig war“, sagt er heute. „Inzwischen habe ich sehr viel dazugelernt was Rollenbilder, Mental Load und Care-Arbeit betrifft. Ich wollte mich mehr einbringen. Deshalb war klar, dass ich beim zweiten Kind die Hälfte der Elternzeit übernehme.“ Als Matti acht Monate war, hat er Mutter Svenja abgelöst, die ab dann wieder Vollzeit als Gymnasiallehrerin arbeitete. Nun wird er den Kleinen zuhause betreuen, bis der ab Sommer zur Tagesmutter geht.

Dass er zuhause die Betreuung übernimmt, während seine Frau berufstätig ist, das sei nicht überall so gut angekommen, sagt Simon Hölzemann. „Manche waren irritiert und es kamen Kommentare wie: Schaffst du das?“, erinnert er sich. „Ich wurde auch mehrfach gefragt, wohin wir fahren – als würde ich nur in Elternzeit gehen, um ein halbes Jahr Weltreise zu machen.“ Auch ältere Kollegen seien verwundert gewesen über seinen Entschluss. „Größtenteils waren die Reaktionen im Kollegium aber sehr positiv.“

„Er krabbelt zu mir, wenn er Hunger hat oder müde ist“

Der Start in die zweite Elternzeit war für Simon allerdings alles andere als einfach. Denn gleichzeitig begann auch der nächste Lockdown. „So hatte ich nicht nur das Baby zuhause, sondern auch meine Dreijährige. Das ist natürlich etwas ganz anderes.“ Wenn man so viel in der Wohnung hocke und die Nächte schlecht seien, könne das auch echt anstrengend sein. „Die drei Monate mit den Kindern alleine werden mich glaube ich sehr lange prägen. Im Hinblick auf den Alltag nehme ich Dinge definitiv anders wahr als vorher.“ Es habe ihm noch einmal ein ganz anderes Bild vermittelt von den Menschen, die über Jahre hinweg diese Betreuungsarbeit leisteten.

Seit die Kindergärten wieder offen sind, genießt Simon die Baby-Zeit mit seinem kleinen Sohn. „Es gibt sehr viele schöne Momente. Und ich merke jetzt schon, dass meine Frau und ich für ihn etwa gleich wichtig sind“, freut er sich. „Er kommt auch zu mir gekrabbelt, wenn er Hunger hat oder müde ist.“ Das sei bei seiner Tochter bis heute noch anders. „Ich bin auch der Überzeugung, dass ein Baby Bezug zu den Menschen hat, die sich um es kümmern und ihm Geborgenheit geben – egal ob das Mama oder Papa oder jemand anderes ist.“

Bei Janis Morgenthalers Sohn steht die Mama im Augenblick noch etwas höher im Kurs. „Ich glaube schon, dass die Rolle der Mutter gerade in der Anfangszeit in gewisser Weise kompletter ist für das Kind“, sagt er, „aber ich sehe, dass ich Jesse inzwischen in vielen Situationen genauso beruhigen und trösten kann wie die Mama. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich das noch mehr angleicht, wenn Kinder älter sind.“

Über das bekannte Filmklischee vom überforderten, ratlosen Vater, der nicht weiß, wo die beschmutzte Windel hinkommt, müssen beide eher schmunzeln. „Natürlich hatte ich auch mal eine Situation, in der ich dachte: Was machst du jetzt?“, erinnert sich Janis, „aber ich behaupte mal, ähnliche Momente hätte Maike auch gehabt, wenn das Kind das Essen durch die Gegend wirft und mit allem unzufrieden ist.“

Die „Neuen Väter“ sind da – aber nicht überall

Als Papa die Vollzeitbetreuung zu übernehmen, das ist für Simon und Janis inzwischen selbstverständlich. Die „Neuen Väter“ sind also längst da. Wie normal sie aber sind, das hängt sicher davon ab, wo man sich umschaut und wen man fragt. „Draußen auf den Spielplätzen bei uns in der Gegend trifft man doch noch weniger Väter“, sagt Simon Hölzemann. Auch in seinem Bekanntenkreis gäbe es kaum Männer, die ein Modell wie er lebten. „Wir Elternzeit-Väter sind definitiv noch die Minderheit. Aber es gibt natürlich welche, deshalb fühle ich mich nicht alleine.“ Auch Janis Morgenthaler bestätigt, dass etwa in Krabbelkursen noch deutlich mehr Mütter und nur maximal ein Drittel Väter zu finden seien. „Ich bin mit Jesse aber zurzeit auch in einer Spielgruppe und dort sind genauso viele Väter wie Mütter.“ Auf den Spielplätzen in der Südstadt begegne man auch vielen Männern. „Aktive Väter sind noch ein wenig unterrepräsentiert, aber ich fühle mich auf keinen Fall als Exot oder Außenseiter.“

Was Elternzeiten angeht, beweisen die Zahlen, dass die Väter noch in der Minderheit sind. So nehmen derzeit etwa vier von zehn Vätern überhaupt Elternzeit. In Nordrhein-Westfalen ist es sogar nur etwa jeder dritte Papa. Tendenz leicht zunehmend. Aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge stieg die Zahl der Väter, die Elterngeld erhielten, im Jahr 2020 bundesweit um 1,4 Punkte auf insgesamt 24,8 Prozent – knapp ein Viertel der Elterngeldbezieher war also männlich. Fünf Jahre zuvor waren es noch ein Fünftel gewesen. Nordrhein-Westfalen ist in der aktuellen Statistik weiter hinten zu finden, es liegt mit 22,9 Prozent deutlich unter dem Bundesschnitt.

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Auch die Bezugsdauer der Väter unterscheidet sich nach wie vor enorm von der der Mütter. So beziehen Frauen im Schnitt 14,5 Monate Elterngeld, während es bei den Männern 3,7 Monate sind – eine Zahl, die seit Jahren konstant bleibt. Nur etwa 30 Prozent der Väter nehmen, wie Janis und Simon, mehr als die zwei typischen „Vätermonate“. Durch das Elterngeld-Plus hat sich der Bezugszeitraum teilweise noch etwas gestreckt.

Es fehlen immer noch männliche Rollenvorbilder

Doch woran liegt es, dass auch 14 Jahre nach Einführung des Elterngelds nicht mehr Väter länger für die Betreuung ihrer Babys aus dem Beruf aussteigen? „Es gibt mehrere Faktoren, die dazu beitragen, ob Väter in Elternzeit gehen oder nicht“, sagt Hans-Georg Nelles – er ist Sozialwissenschaftler und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit in NRW (LAGV). „Eine Rolle spielen unter anderem die Erwerbstätigkeit der Frau, die Qualität der Kinderbetreuung und die Einstellung des Paars, was gut für das Kind ist.“ Es geht also sowohl um Überzeugungen und Rollenmodelle als auch um wirtschaftliche und strukturelle Rahmenbedingungen. Genauer gesagt darum, ob Väter in Elternzeit wollen und ob sie es überhaupt können.

Was das Wollen betrifft, kommt es stark darauf an, inwieweit ein Paar traditionelle Rollenmodelle verinnerlicht hat bzw. für ein gleichberechtigtes Lebensmodell offen ist. Wer der Überzeugung ist, dass das kleine Kind immer zur Mutter gehört, wird sich sicher nicht für eine Väter-Elternzeit entscheiden. Darüber hinaus geht es auch um ein Männlichkeitsbild. Gerade Vätern, die selbst eher traditionell aufgewachsen sind, fehlen oft männliche Rollenvorbilder. „Hier braucht es viele positive Geschichten von Vätern im eigenen Umfeld, die zeigen, wie man ein moderner, aktiver Papa sein und welche große Rolle man im Leben des Kindes übernehmen kann“, sagt Nelles.

Nicht alle Paare können und wollen sich eine Elternzeit leisten

Selbst wenn werdende Eltern aber offen sind für geteilte Elternzeiten, so ist die Umsetzung oft gar nicht einfach. Der finanzielle Aspekt scheint einer der wichtigsten Punkte bei der Elternzeitentscheidung von Paaren zu sein. In einer Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von 2019 nannte die Mehrheit der Väter auch finanzielle Gründe als Motiv, nicht oder nicht länger in Elternzeit zu gehen. Zwar werden Einkommenseinbußen durch das Elterngeld aufgefangen, der Satz liegt aber eben bei 65 Prozent des vorherigen Einkommens und einem Höchstsatz von 1800 Euro. Und mit einem Drittel weniger Gehalt muss eine Familie erst einmal für längere Zeit auskommen. Wenn danach auch noch ein Kita-Platz fehlt, kann sich die finanzielle Not noch verschärfen.

Damit die Frage, wer für das Kind aussteigt, aber überhaupt gestellt werden kann, müssen erst einmal beide berufstätig sein. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann Elternzeit nimmt, erhöht sich zunächst, wenn die Frau erwerbstätig ist“, erklärt Nelles. Es komme aber vor allem auch darauf an, wie groß die Differenz der Einkommen sei. Da Frauen, „Gender Pay Gap“ sei Dank, erwiesenermaßen oft weniger verdienen als Männer oder in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, ist das ein ernstzunehmendes Problem. „Manchmal gibt es schon vor der Geburt ein Einkommensgefälle zwischen Mann und Frau. Und dann muss sich das Paar überlegen, welche Elternzeitmonate es sich leisten will und vor allem kann.“

„Das ist oft eine ganz pragmatische Entscheidung“, weiß auch Janis Morgenthaler, „ich kenne Paare, die es auch gerne so machen würden wie wir, aber dann ein anderes Modell wählen, weil es in ihrer Situation finanziell keinen Sinn ergibt.“ Sie selbst seien als Ärzte beide Gutverdiener, deshalb falle es bei ihnen nicht zu sehr ins Gewicht. Jetzt im zweiten Lebensjahr des Sohnes sei das Elterngeld aufgebraucht und sie lebten von nur einem Gehalt. „Uns ist bewusst, dass das eine relativ luxuriöse Situation ist. Wobei ich auch bereit wäre, für eine gewisse Zeit finanzielle Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um mehr Zeit mit Jesse zu verbringen.“ Auch für Simon und seine Frau ist seine längere Auszeit aus dem Beruf keine große finanzielle Herausforderung, da sie beide als Lehrer gut und vor allem gleich viel verdienen, deshalb sei eigentlich auch egal, wer aussteige.

Väter haben Angst vor beruflichen Nachteilen

Neben den finanziellen Einbußen fürchten Väter auch die negativen Konsequenzen im Beruf. „Es war schon besser geworden“, berichtet Hans-Georg Nelles, „aber seit ein paar Jahren, so zeigen auch Forschungen, werden Vätern in den Unternehmen wieder vermehrt Steine in den Weg gelegt.“ Gerade in Berufsbereichen, die wirtschaftlich stark unter Druck stehen oder die noch klassische Strukturen und Vollzeitkultur haben, tun sich Arbeitgeber oft noch schwer, lange Elternzeiten oder auch Teilzeit zu ermöglichen. Auch weil es organisatorisch teils schwierig ist, die wegfallenden Mitarbeiter zu ersetzen. Zwar sind die Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, Elternzeit zu gewähren und danach eine ähnliche Position zu garantieren. Aber nicht selten wird dem Arbeitnehmer vorher schon deutlich gemacht, dass ihm eine lange Auszeit wenn schon nicht den Job so zumindest Zuständigkeitsbereiche, Projekte und Karriereambitionen kosten könnte.

„Es ist eine Herausforderung, den Arbeitsmarkt so umzubauen, dass flexiblere Arbeitsmodelle möglich sind“, sagt Janis Morgenthaler. „Ich glaube aber, das wird sich wandeln, wenn mehr Frauen und Männer das einfordern.“ Er selbst mache sich keine Sorgen um seine Karriere. „Ich glaube nicht, dass ich mir durch meine Elternzeit langfristig berufliche Chancen verbaue. Die Qualität meiner Arbeit ändert sich ja nicht.“ Auch Simon befürchtet keine berufliche Nachteile: „Ich hatte ein sehr gutes Gespräch mit meinem Chef.“

Wie eine Vorgesetzte oder ein Vorgesetzter auf Elternzeit-Anfragen reagiert, also de facto wie familienfreundlich ein Unternehmen wirklich ist, das hat auf jeden Fall großes Gewicht. „Ob sich Väter für Elternzeiten entscheiden, hängt auch davon ab, ob es in den entsprechenden Unternehmen Vorgesetzte gibt, die sie bei ihrem Wunsch unterstützen“, bestätigt auch Nelles. „Ich kenne Handwerksbetriebe, in denen der Meister stolz ist, dass alle seine Jungs mindestens drei Monate in Elternzeit gehen.“ Wo so etwas auch im Unternehmen kommuniziert werde, fühlten sich Väter ermutigt. Nicht nur was Elternzeit betrifft, sondern auch in Bezug auf eine mögliche Teilzeitarbeit danach.

Nur sehr wenige Männer arbeiten in Teilzeit

Bisher gehen nur wenige Männer überhaupt in Teilzeit, laut Zahlen des Statistischen Bundesamts waren es 2019 lediglich 6,4 Prozent. Dagegen arbeiteten zwei Drittel (66,2) der Mütter in Deutschland reduziert. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt waren es 34,9 Prozent. „Viele Frauen, die nach dem ersten Kind nur Teilzeit wieder einsteigen, bleiben da und laufen in die Retraditionalisierungsfalle“, sagt Nelles. Das kennt auch Janis Morgenthaler: „Ich finde es so schade, wenn ich Kolleginnen oder Freundinnen sehe, die mit der Geburt des Kindes komplett raus sind und eine ganz neue Rolle einnehmen, obwohl sie früher in ihrem Beruf total aufgegangen sind.“

Im Umkehrschluss erledigen Frauen damit auch den Großteil der Haushalts- und Betreuungs-Arbeit zuhause – übrigens selbst, wenn sie berufstätig sind. Wünschen würden sie es sich, laut einer aktuellen Brigitte-Studie, übrigens ganz anders: Sowohl Männer als auch Frauen wollten demnach am liebsten 31 Stunden berufstätig sein und sich alles gerechter aufteilen.

Spannend bleibt, ob die Corona-Situation was die Gleichberechtigung betrifft Chance oder Fluch sein wird. Die einen sagen, dass es für Frauen ein großer Rückschritt ist, weil jetzt erst recht vieles an ihnen hängen bleibt. Zahlen zeigen aber auch, dass Väter im letzten Jahr viel mehr Zeit als sonst für Kinderbetreuung und Haushalt aufgewendet haben. „Die Pandemie kann da ein Booster sein für den Vätereinsatz und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern“, sagt Nelles, „wenn nach der Pandemie nicht alle wieder zu Vollzeit und Präsenzpflicht übergehen.“

Elternzeit als Chance, Väter früh für Care-Arbeit zu verpflichten

Um auch dauerhaft etwas zu verändern, halte er es für wichtig, sagt Hans-Georg Nelles, dass Papas schon direkt nach der Geburt mit ins Boot geholt werden. „Väter müssen von Anfang an die Möglichkeit haben, die Care-Arbeit mit zu übernehmen, zum Beispiel durch eine Elternzeit.“ Sie blieben dann auch aktivere Väter. Eine Studie hat das sogar bestätigt: Väter, die auch nur kurze Zeit mit ihrem Kind zuhause waren, beteiligten sich auch Jahre später noch mehr an der Haus- und Familienarbeit.

Bei Vätern wie Simon oder Janis gehört die gleichberechtigte Aufgabenteilung jetzt schon dazu. „Wir waren beide voll berufstätig und haben schon immer versucht, Haushalt und Kinderbetreuung zu teilen, auch wenn meine Frau immer ein bisschen mehr gemacht hat“, sagt Simon Hölzemann. „Jetzt versuche ich, da aktiv entgegenzuwirken und möchte das auch nach der Elternzeit beibehalten.“ Ab Sommer schaffen sie auch die Rahmenbedingungen dafür: „Wir werden beide in gleicher Stundenzahl Teilzeit arbeiten, damit wir auch in Zukunft Arbeits- und Betreuungszeit teilen können.“

Auch Janis Morgenthaler und seine Partnerin haben es vor dem Kind bereits gerecht aufgeteilt. „Jetzt bin ich zuhause, da mache ich natürlich mehr – das fällt jetzt auch klar in meinen Aufgabenbereich“, sagt er. In Zukunft wollten sie es wieder gleichberechtigt aufteilen. „Wir haben beide gewisse berufliche Ambitionen. Da geht es nicht darum, dass einer zurücksteckt, sondern wir wollen es so gut es geht vereinen.“

Als Vater länger in Elternzeit zu gehen würden beide auf jeden Fall uneingeschränkt weiterempfehlen. „Ich bin für diese super schöne Zeit mit Jesse sehr dankbar“, sagt Janis. „Und für ihn ist es toll, dass ihn beide Elternteile in seiner freien Entwicklung unterstützen.“ Er würde es immer wieder so machen. „Meinen Sohn so aufwachsen zu sehen, das ist in jeder Hinsicht eine ganz tolle, prägende Erfahrung“, sagt auch Simon Hölzemann. „Man investiert so viel in die zukünftige Familienzeit. Das kann ich jedem Papa nur wünschen!“

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