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In Sachen LiebeBelastet meine Krankheit unsere Beziehung?

Lesezeit 3 Minuten
Traurige Frau sitzt auf dem Sofa

Die eigene Krankheit hat oft nicht nur Auswirkungen auf einen selbst.

Die Krankheit eines Partners stellt in Beziehungen oft eine Herausforderung dar. Daniel Wagner erklärt, wie Paare sie meistern.

Ich leide an einer chronischen Erkrankung und frage mich zunehmend, ob ich meinem Partner zu viel zumute. Er ist verständnisvoll, aber ich spüre, wie sehr meine Stimmungsschwankungen, Rückzüge und die ständige Erschöpfung unsere Beziehung belasten. Ich habe Angst, dass meine Krankheit uns auseinanderbringt. Gibt es einen Weg, mit dieser Sorge umzugehen?
Martina, 61

Was Sie beschreiben, erfahren viele Menschen, die mit einer chronischen Erkrankung leben: nicht nur körperliche Erschöpfung, sondern auch die Sorge, für den geliebten Menschen zu viel zu sein. Diese Gedanken können schwer wiegen. Die Angst, zur Belastung zu werden, ist oft größer als die Krankheit selbst. Dennoch zeigt Ihre Frage vor allem eines: Sie nehmen Ihre Partnerschaft ernst, und das ist ein gutes Zeichen.

Daniel Wagner

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Vielleicht hilft ein Perspektivwechsel: Ihr Partner ist bei Ihnen geblieben, nicht trotz, sondern mit allem, was Sie mitbringen. Oft liegt die eigentliche Belastung für die Beziehung nicht in der Erkrankung selbst, sondern in dem Versuch, alles allein zu tragen. Wer den anderen „schonen“ will, zieht sich emotional zurück, und genau dieser Rückzug kann zu Distanz führen, selbst wenn er gut gemeint ist.

Ein ruhiger Moment, um die Gedanken zu teilen

Ein erster Schritt könnte ein offenes, ehrliches Gespräch sein – kein dramatisches Bekenntnis, sondern ein ruhiger Moment, in dem Sie Ihre Gedanken teilen. Zum Beispiel so: „Ich merke, dass ich mich manchmal zurückziehe, weil ich Angst habe, dich zu überfordern. Aber ich will das eigentlich gar nicht.“ Damit laden Sie Ihren Partner ein, sich ebenfalls zu öffnen, und nehmen dem unausgesprochenen Druck die Schwere.

Daneben könnte es sinnvoll sein, sich als Paar kleine Räume zu schaffen, die nichts mit Krankheit zu tun haben. Diese müssen nicht groß oder aufwendig sein. Manchmal reicht ein gemeinsames Abendritual, ein kurzer Spaziergang, ein Kartenspiel – ein Moment, in dem Sie sich wieder als Paar erleben.

Sich selbst Raum geben – auch als Einladung an den Partner

Darüber hinaus könnte es sinnvoll sein, sich auch selbst Raum zu geben. Was nährt Sie? Was gibt Ihnen das Gefühl, Sie selbst zu sein – jenseits von Rollen, Erwartungen und Symptomen? Es könnten kleine kreative Tätigkeiten sein, ein Moment für sich, ein Gespräch mit einer vertrauten Person. Oft liegt darin auch eine Einladung an den Partner, wieder neue Seiten an Ihnen zu entdecken.

Und nicht zuletzt: Wenn Sie merken, dass die Belastung dauerhaft an Ihnen nagt, kann auch eine therapeutische Begleitung sinnvoll sein - als geschützte Sphäre, um die eigenen Gedanken zu sortieren, neue Perspektiven zu entwickeln und die Beziehung zu sich selbst zu stärken. Denn je klarer Sie sich selbst begegnen, desto leichter wird es, in der Beziehung auf Augenhöhe zu bleiben, auch in herausfordernden Zeiten. Ihre Krankheit ist ein Teil Ihres Lebens, ja. Aber sie ist nicht die ganze Geschichte. Und Ihre Beziehung ist mehr als nur ein System gegenseitiger Rücksichtnahme. Vielleicht darf sie wieder ein Ort werden, an dem Leichtigkeit und Nähe Raum haben – nicht immer, nicht perfekt, aber immer wieder.

Ich wünsche Ihnen Geduld, Offenheit und den Mut, sich Ihrem Partner zuzumuten – im besten Sinne des Wortes.


Leserfragen

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.