In Sachen LiebeSollen getrennte Eltern Weihnachten „heile Familie“ spielen?

Eigentlich getrennt, aber Weihnachten alle zusammen – das ist für Familien nicht leicht.
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- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
- Diesmal beantwortet Katharina Grünewald die Frage, ob Paare auch nach der Trennung den Kindern zuliebe gemeinsam Weihnachten feiern sollten.
Ich bin seit 9 Monaten von meinem Mann getrennt und unser Trennungsprozess ist nicht einfach. Unsere Kinder sind sieben und zehn Jahre alt und wünschen sich, dass wir wie immer alle zusammen Weihnachten feiern. Wir haben den Kindern in den letzten Monaten so viel zugemutet. Ich würde es für die Kinder tun und mich zumindest für ein paar Stunden zusammenreißen, aber mein Mann – oder vielmehr seine neue Partnerin – finden es übertrieben. Susanne, 43 J.
Das ist eine schwere Zeit. Sie haben recht, dass den Kindern in einer Trennungssituation viel zugemutet wird. Ihre sichere Basis bricht auseinander, und oftmals ist es für Kinder die erste große Krise in ihrem Leben. Ein Gefühlschaos bricht über sie herein. Es ist eine Gefühlssuppe von Traurigkeit und Schmerz, aber auch von Wut und Angst. Und vielleicht ist auch ein bisschen Erleichterung damit verbunden, weil Streit und Stress jetzt aufhören. In einer solchen Situation brauchen die Kinder verantwortungsvolle Eltern, die ihnen helfen, diese Situation zu sortieren und zu verarbeiten. Doch die Eltern – also Sie und Ihr Mann – sind ja selbst in schwierigen Gefühlsambivalenzen. Wie soll man da alles im Blick haben und die Kinder durch diese schwierige Zeit sicher und verantwortungsvoll führen?

Die Psychologin Katharina Grünewald
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Weihnachten als das „Fest der Liebe und der Familie“ steigert noch die sowieso schon vorhandenen Riesenansprüche. Sie als Mutter wollen Ihren Kindern ihre Wünsche erfüllen. Das kann ich gut verstehen. Doch hier gilt es innezuhalten: Nicht alles, was sich die Kinder wünschen, brauchen Sie auch! Die Kinder sehnen sich nach einer Geborgenheit, die Sie und Ihr Mann durch Ihre Liebe geboten haben, als die Welt noch in Ordnung war. Was die Kinder nicht wollen, ist eine angespannte Situation, in der Mama und Papa sich am Riemen reißen und so spielen, als wäre alles noch in Ordnung. Das wäre eine Riesen-Mogelpackung.
Wir tun alle so, als ob wir uns freuen
Und natürlich spüren die Kinder die Anstrengungen, die hinter so einer Inszenierung stecken und spielen wahrscheinlich ebenfalls mit: Wir tun so, als ob wir uns freuen, dann sind Mama und Papa glücklich. Fazit dieses Schauspiels: Die Traurigkeit und der Schmerz werden abgeschaltet. Und alle singen „Süßer die Glocken nie klingen“. Fröhliche Weihnachten! Und Willkommen im so köstlich aussehenden Hexenhäuschen, das in so vielen Familien auf dem Weihnachtstisch steht und hinter dessen Zuckerbäckerfassade Argwohn, List und Täuschung herrschen.
Ersparen Sie sich und Ihren Kindern diese Weihnachtszwänge! Erlauben Sie sich, trotz Stress und Hektik innezuhalten und zu fühlen, was Sie brauchen, damit Sie sich entspannen können. Ihr innerer Halt – Ihre innere Haltung – ist entscheidend und kann der momentanen Situation und den dazugehörenden Gefühlen Raum geben.
Planen Sie mit den Kindern gemeinsam
Also, prüfen Sie, ob es für Sie wohltuend sein kann, mit Ihrem Mann zusammen zu sein. Fühlen Sie sich gut aufgehoben? Wenn nicht, überlegen Sie, welche Rituale Ihnen wichtig sind und welche Sie gerne mit den Kindern weiterführen wollen. Machen Sie in Absprache mit Ihrem Mann einen Weihnachtsplan, der für Sie beide stimmig ist. Dann holen Sie Ihre Kinder mit ins Boot – optimalerweise gemeinsam – und geben ihnen Raum für Wut, Trauer und Schmerz und was sich sonst noch zeigen will. Das sind bereits wertvolle Weihnachtsmomente. Klarheit und Selbstfürsorge entlasten die Kinder dabei besonders.
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Vielleicht braucht es eine Zeit, bis sich ein für alle stimmiger Plan einstellt und die Aussicht auf zwei Bescherungen – eine bei Mama, eine bei Papa – die Stimmung heben kann. Planen Sie dabei viel unverplante Zeit ein: für spontanes Spielen, Toben, Weinen, Kuscheln… So gibt es viel Raum für innige Momente, und der Weihnachtszauber entfaltet sich vielleicht sogar neu.