Wenn die Luft raus istWie bleibt man in langen Beziehungen glücklich?

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Ein Paar mittleren Alters sitzt bei einem Grillfest nah beieinander.

In langen Beziehungen leben Partner oft nebeneinander her. Wie gelingt es, sich wieder nah zu sein?

Und wie findet ein Paar heraus, ob noch genug Liebe da ist, um die man kämpfen sollte? Paartherapeutin Ursula Nuber gibt Tipps.

In Langzeitbeziehungen wird vieles zur Gewohnheit und manches geht verloren. Plötzlich schaut man den Menschen an, der schon so lange mit einem zusammen lebt, und weiß nicht mehr, was einen eigentlich noch verbindet. Woran erkennt man, ob eine Partnerschaft überhaupt noch Zukunft hat? Und wie können Paare Durststrecken und ewige Konflikte überwinden? Die Paartherapeutin Ursula Nuber weiß, wie Menschen auch nach vielen Jahren erfüllt miteinander leben können. Und warum es oft an den Ansprüchen liegt, wenn es nicht klappt. Ein Gespräch.

„Bei uns ist die Luft raus!“ Haben viele Paare, die lange zusammen sind, diesen Gedanken?

Ursula Nuber: Ich würde behaupten, alle Paare haben irgendwann einmal diesen Gedanken. Das ist unvermeidlich, weil sich eine Beziehung mit der Zeit verändert. Oft geschieht das erst einmal schleichend und unbemerkt. Man hat ein diffuses Gefühl, dass irgendetwas nicht mehr stimmt.

Was sind typische Konflikte in langjährigen Partnerschaften?

Da gibt es sehr viele. Häufig nehmen die Auseinandersetzungen zu, selbst Streits über Banalitäten können dann wahnsinnig eskalieren. Oft besteht zwischen den Partnern auch eine Gereiztheit und Angestrengtheit. Ein anderes Problem ist häufig mangelnde Nähe und Sexualität. Auch die Gespräche fehlen, man redet nur noch über To-do-Listen und nicht mehr wirklich miteinander.

Diplompsychologin und Paartherapeutin Ursula Nuber

Ursula Nuber arbeitet als Diplompsychologin und Paartherapeutin in der Nähe von Heidelberg. Sie ist Kolumnistin und Autorin vieler psychologischer Ratgeber.

Oder der Umgangston miteinander ist extrem harsch…

Ja, häufig gehen Paare respektlos miteinander um. Der Partner oder die Partnerin wird teilweise wie ein Kind behandelt, das man erziehen und maßregeln möchte. Das Gegenüber bekommt dadurch ständig das Gefühl vermittelt, nicht richtig zu sein, und das verletzt natürlich. Wie ein Paar miteinander umgeht, ist auch ein Indiz, wie es um die Partnerschaft steht. Ist der Umgang bereits derart respektlos, kriegen Paare ohne Hilfe meist nur noch schwer die Kurve. Denn sie verhalten sich ja nicht so, weil sie unhöflich sind, sondern weil sich Kränkungen und Verletzungen angehäuft haben. Viele Paare sind in Stress und Gewohnheiten ertrunken und haben nicht mehr aufeinander geachtet.

Wie reagieren Paare darauf, wenn sie merken, es läuft nicht mehr so?

Viele Partner stopfen alles Mögliche in die Beziehung hinein, um nur nicht hinschauen zu müssen, was mit ihnen los ist. Sie versuchen sich abzulenken, stecken voll im Konsumrausch oder hetzen von einem Urlaub zum anderen. Andere Paare wiederum tun so, als wäre nichts und leben quasi wie Singles in einer WG nebeneinander her. Das geht oberflächlich meist ganz gut und lange so weiter. Aber die Paare leiden schon unter der Situation, es macht sich oft eine innere Leere bemerkbar.

Warum verdrängen sie trotzdem lange, was mit ihnen passiert?

Bequemlichkeit ist sicher ein Grund, warum manche nichts ändern wollen. Der Gedanke an ein Ende der Beziehung macht den Partnern aber häufig einfach Angst, weil sie einander nicht verlieren wollen. Sie fragen sich: Wer bin ich eigentlich ohne den anderen oder die andere? Da ist zudem die Angst, einsam älter zu werden. Aus der Furcht, alleine nicht existieren zu können, klammern sich die Partner dann häufig an die guten Zeiten.

Sind viele auch einfach fassungslos, dass es mit ihnen so weit kommen konnte?

Ja, das spielt eine große Rolle, warum erst sehr spät hingeschaut wird. Schließlich ist man als Paar ja mit großen Erwartungen in die Beziehung gestartet und hat viel gemeinsam aufgebaut und geleistet. Viele schämen sich dafür, es vielleicht nicht zu schaffen, obwohl es anderen scheinbar gelingt.


Buchtipp: Ursula Nuber: „Sag mal, liebst du mich eigentlich noch? – Wie man in langjährigen Partnerschaften glücklich bleibt“, Piper Verlag, 224 Seiten, 22 Euro Außerdem erschienen: Ursula Nuber, „Was Paare wissen müssen – 10 Grundregeln für das Leben zu zweit“


Welche Rolle spielen Ansprüche – sollten die jetzt andere sein als an die junge Liebe?

Unbedingt. Die Bilder von Schmetterlingen und romantischen Gefühlen, die wir über Liebe im Kopf haben, passen im Grunde nur in der Anfangsphase einer Beziehung. In länger dauernden Beziehungen treten andere Gefühle an diese Stelle: Geborgenheit, Vertrautheit, Freundschaft. Die Geschichte des Paares und die gemeinsamen Erinnerungen sind ein großer Schatz. Man kennt sich so gut, dass ein Blick genügt, um zu wissen, was der andere denkt. Auf der anderen Seite gehören Hürden zu einer langen Liebesbeziehung dazu. Und es dürfen auch andere Gefühle auftauchen, zum Beispiel, dass man den anderen auch zeitweise nicht liebt, vielleicht sogar nicht ausstehen kann oder eben kleine Auszeiten braucht. Deshalb ist die Beziehung noch lange nicht gescheitert.

Gibt es typische Zeitpunkte, an denen Partner die Beziehung infrage stellen?

Ja, fast immer gibt es Auslöser wie zum Beispiel eine lebensverändernde Situation, einen runden Geburtstag oder den Auszug der Kinder. Auch eine überstandene Krankheit kann eine Art Weckruf sein und die Frage aufwerfen: Will ich so weiter machen? In der Regel macht einer von beiden dann deutlich, dass sich etwas ändern muss. Manchmal startet das Ganze auch mit einer Affäre – und es sind nicht immer klischeemäßig die Männer, sondern auch viele Frauen, die diesen Weg hinaus wählen.

Wer zieht meist zuerst die Reißleine in der Beziehung, der Mann oder die Frau?

Es sind oft die Frauen, die in sehr langen Beziehungen den Mut finden, auszusteigen. Sie haben häufig das Gefühl, viel in die Familie und die Beziehung investiert zu haben und sagen nun: „Jetzt bin ich mal dran!“ Auf der anderen Seite passen sich viele Frauen auch sehr lange an Bedingungen an, unter denen sie leiden, etwa an die Sprachlosigkeit ihres Partners. Und sie unternehmen viel, um ihn darauf aufmerksam zu machen. Haben sie lange das Gefühl, nicht verstanden zu werden, gehen sie – trotz vieler Ängste – den Schritt in die Trennung.

Worunter leiden Männer in langjährigen Beziehungen?

Die meisten Männer leiden vor allem unter Zurückweisung und fehlender Sexualität. Sie brauchen die körperliche Nähe, um sich nah und geborgen zu fühlen. Bekommen sie die nicht, resignieren sie mit der Zeit, ziehen sich aus der Beziehung zurück. Vielen fehlt außerdem die Wertschätzung für das, was sie für die Partnerschaft geleistet und verdient haben. Denn Männer erbringen ihre Liebesbeweise oft über das Tun und die Leistung. Vor einer Trennung warten Männer oft lange ab, lassen sich nichts anmerken und sprechen nicht so viel darüber, dann aber kommt der Paukenschlag und sie sagen: „Jetzt kann ich nicht mehr!“

Wie findet man heraus, ob eine Beziehung noch zu retten ist?

Denkt einer der Partner bereits offen über Trennung nach, ist das oft ein schlechtes Signal. Wenn ein Paar aber Ambivalenz zeigt, also die Partner noch nicht genau wissen, ob sie zusammen bleiben wollen, gibt es noch einen Hoffnungsschimmer. Dann gilt es zu schauen, was noch da ist. Kann das Paar noch miteinander reden und lachen? Gibt es noch Gemeinsamkeiten und Pläne für die Zukunft? Ein wichtiger Punkt ist, was die einzelnen Partner für sich im Leben noch möchten – sich vielleicht ehrenamtlich engagieren oder eine Karrierestufe hochklettern. Sind diese Pläne der Partner zu unterschiedlich, zeigt das häufig, dass man wirklich nicht mehr zusammen passt. Dann ist die Trennung ein guter und mutiger Schritt. Es bringt nichts, wenn ein Paar zusammen bleibt, aber der gemeinsame Nenner klein ist und beide unglücklich sind.

Lohnt ein Blick zurück in die Anfänge, um eine Beziehung anzukurbeln?

Paare in der Krise haben meist eine negative Brille auf. Deshalb schaue ich mit ihnen auch gerne zurück, was sie alles zusammen erlebt, erschaffen und gemeistert haben. Dann bekommt das Paar ein Gefühl für seine gemeinsame Geschichte. Bewertet es diese Geschichte positiv, fällt es ihm leichter, eine gemeinsame Vision zu entwickeln: Wie wollen wir leben, was wollen wir gemeinsam entwickeln, worin wollen wir uns gegenseitig unterstützen?

Wie viel Arbeit kommt auf die Paare dann zu?

Das Paar muss einiges investieren und nicht immer sind beide gleichermaßen auch dazu bereit. Denn bevor es in die Zukunft geht, gilt es, alle Leichen im Keller anzuschauen, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen und auch für manches um Verzeihung zu bitten.

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