Abo

„Friedlich eingeschlafen“An Brustkrebs erkrankte Bloggerin Mia de Vries gestorben

Lesezeit 6 Minuten
  • Drei Jahre lang hat Mia gegen den Brustkrebs gekämpft und ihren Kampf auf Instagram öffentlich gemacht. Zuletzt folgten ihr 170.000 Menschen.
  • In den letzten Wochen hat die 29-jährige Bloggerin Abschied genommen. Auch von ihrem vierjährigen Sohn Levi.
  • In der Nacht zu Sonntag ist de Vries verstorben. Über ihren Kampf und ihre mutige Art, mit ihrem Schicksal umzugehen, hat unsere Autorin Lisa Harmann vor wenigen Tagen diesen Text geschrieben.

Köln – „Sie hat gekämpft bis zur letzten Sekunde", schreibt ihr Mann auf Instagram. Die Bloggerin Mia de Vries ist in der Nacht zu Sonntag gestorben. „Heute Nacht, etwa 0.33 Uhr, ist unsere Mama, Tochter, Ehefrau und beste Freundin friedlich eingeschlafen...“ Vor drei Jahren bekam die 29-Jhrige junge Mutter die Diagnose Brustkrebs, erst war noch Hoffnung, doch bald war klar, sie wird sterben.

Darüber, wie sich die Bloggerin zuletzt von ihren Followern verabschiedete, weil ihr die Kräfte schwanden, und wie sie klug und liebevoll ihren Sohn darauf vorbereitete, dass sie bald tot sein wird, hat Lisa Harmann erst vor wenigen Tagen diesen berührenden Text geschrieben: 

Wenn der kleine Levi abends zu Bett geht, liest Mama ihm immer vor. Langsam, weil sie nicht mehr so gut Luft bekommt, aber sie liest. Manchmal weint er dann oder fragt nach. Denn sie lesen abends nicht nur seine heiß geliebten Abschleppwagen-Bilderbücher, sondern auch den „Abschied von Mama“.

„Damit du weißt, was mit Mama gerade passiert“, schreibt Mia de Vries (@vriesl) in ihrer Story auf Instagram, in der sie über den Krebs in ihrem Körper schreibt und darüber, dass sie offen mit ihrem Vierjährigen sein will, sein muss.

Auf kindliche Art soll ihr Kleiner die Chance haben, Abschied zu nehmen. Soll verstehen, warum da plötzlich so viele neue Gesichter bei ihnen zu Hause sind. Das Palliativteam. Die Ärzte.

Mit 26 wurde bei Mia Brustkrebs diagnostiziert

Mia ist 29. Vor knapp drei Jahren wurde ein Tumor in ihrer Brust entdeckt, beim Abstillen. Brustkrebs. Erst war da noch Hoffnung, doch der Krebs hatte bereits gestreut. Mia wird nicht wieder gesund werden. Und ihr Sohn Levi soll das wissen, soll die Wahrheit erfahren. Mami wird bald sterben.

 „Maybe it's not about the happy ending“, schreibt Mia in ihrem letzten Posting auf Instagram. Vielleicht geht es nicht um das Happy End. „Mit gebrochenem Herzen wird dieses bissl schwarz auf weiß mein letzter 'richtiger' Post mit tatsächlichem Inhalt an Euch Lieblings-Fremde in meinem Handy sein“.

Mami ist bald tot. Sie kann es doch selbst noch gar nicht fassen

Diese Worte hat Mia unter ihr geplant letztes Foto auf Instagram geschrieben. Ein Bild aus besseren Tagen, ihre braunen Augen, ihr Gesicht umrahmt von einer Fellkapuze.  Über 170.000 Menschen folgen ihr in dem Social-Media-Kanal, nehmen teil an ihrem Leben, fühlen mit. Auf dem Profil ihres Online-Tagebuches „gibt’s eine Kleinigkeit aus unserem Alltag“, so beschreibt sie es selbst in einem früheren Beitrag. „Dazu gehört ein wenig Mamazeugs, eine Prise Ehekram und a bissl Krebs-Firlefanz.“ 

13 Monate gaben ihr die Ärzte noch nach der Erst-Diagnose. Aber Mia pfeift auf Statistiken, sie hat es viel länger geschafft. Unheilbar – ja, aber beim Tempo, da lässt sie sich nicht reinreden.

Ein letzter Urlaub zu dritt

Zu ihrem fünften Hochzeitstag verbringt sie mit Levi und ihrem Mann noch einen unvergesslichen Urlaub am Gardasee. Sie zeigt ihren Followern ein Video, in dem sie ihr Hochzeitskleid noch einmal trägt, sie knutschen auf einem Steg, bis ihr Mann sie irgendwann im Kleid ins Wasser wirft. Leichtigkeit. Lachen. Hashtag: #jawirliebenunswirklich.

Mia hat da schon kaum noch Haare auf dem Kopf. Ihr Witz aber ist lebendig wie eh und je. „5 years a slave“ betitelt sie das Video. Fünf Jahre eine Sklavin. Ihre Follower wissen, wie sie das meint. Immer wieder schreibt sie öffentliche Liebesbekundungen an ihren Mann. An ihre Mutter. An ihren Sohn. An die Tochter, Lilly, die sie in der 24. Schwangerschaftswoche verlor.

Der Haupttumor ist stark gewachsen, in den Lymphen, in der Lunge, im Gehirn sind neue Metastasen, auch Leber und Wirbelsäule sind betroffen. Mia hat Schwierigkeiten mit der Atmung. Das Ödem in ihrem Kopf hat sich ausgebreitet. Es gibt auch keine Chemos mehr, 111 Therapien hat sie hinter sich, alles versucht. Auch eine Bestrahlung ist nicht mehr möglich, sie würde mehr schaden als helfen. Sie gilt nun als austherapiert.

Austherapiert: Mia darf jetzt nicht mehr allein sein

Mia darf jetzt nicht mehr allein sein. Auch nicht mehr allein mit Levi. Ein Palliativteam kommt jeden Tag nach Hause, Mia will nicht weg. Ihre Heilungschancen lagen bei drei Prozent. Das wusste sie, das weiß sie.

„Ich merke selber, wie das Leben von mir fließt“, sagt Mia in einer Insta-Story vor zwei Wochen. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, hatte ein Arzt gesagt. Und nun beginnt diese Wand einzustürzen. Mia kann kaum noch laufen, hat Schmerzen. Spritzen, Tabletten, Tropfen.

„Ich bin so dankbar, dass ich nicht ersticken oder leiden werde und dass das für mich schnell sein wird“, sagt sie. So haben es ihr die Ärzte prophezeit. Entweder sie wird von jetzt auf gleich bewusstlos werden, „das kann heute passieren oder morgen oder erst im Frühling oder Sommer…“ An dieser Stelle des Videos bricht Mia die Stimme. Oder sie wird einfach einschlafen und nicht wieder wach werden.

„Ich habe eine Höllenangst einzuschlafen“, sagt sie. Aber es gebe eben auch schöne Momente. Sie habe Levi ins Bett gebracht am Abend, sie hätten es in die Länge gezogen, gelacht. Danach sei sie runtergegangen auf die Couch zu ihrem Mann und ihrer Mutter. „Wir haben uns lauter Fresssachen geholt.“ Einfach einen Film gucken. Einfach zusammen sein. Einfach ein Stück Normalität mitten im Sterben.  

Mia sagt, man spüre, wenn seine Zeit gekommen wäre

Sie ist „eifersüchtig“, dass sie das alles nicht mehr erleben werde. Fragt sich, wie das hier aussehen wird ohne sie. „Ich versuch weiterhin, positiv zu sein. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich übermorgen nicht mehr da bin, dass ich nicht mehr zu meinem Nagelstudiotermin in der nächsten Woche gehen kann.“

In den kommenden Tagen kommt die Familie nochmal, die Freunde. „Da kann sich jeder nochmal verabschieden und mich nochmal drücken…“ Mia weint. „Ich will sie nochmal bewusst sehen.“ Ein Tag. Kein zäher tagelanger Abschied.  

„Ich hoffe, sehr, dass ihr was aus unserem Schicksal mitnehmen könnt, dass ich das nicht umsonst gemacht habe“, sagt sie, aber sie sei an einen Punkt gekommen, an dem Social Media nicht mehr der richtige Ort sei. Der Kanal bleibe bestehen, solange Instagram ihn nicht lösche. Aber bevor sie geht, hat Mia noch eine Botschaft an uns alle.

Mias Schicksal soll nicht umsonst gewesen sein

„Seid lieb zueinander, passt auf euch auf. Hört auf euren Körper. Seid unfassbar nett zueinander. Man weiß nie, was für einen Kampf der andere grad durchmacht. Jeder hat ein Päckchen zu tragen. Versucht, euch in euer Gegenüber hineinzuversetzen. Nicht so schnell zu urteilen. Verbreitet Liebe, so viel Liebe wie es nur geht. Ich weiß nicht, wie ich die letzten drei Jahre geschafft hätte ohne die Liebe. Das Leben ist keine Generalprobe, nutzt es. Achtet auf euch. Wir sehen uns irgendwann alle wieder. Ich stell schon mal ne Flasche Kölsch kalt für uns alle.“

Alles sei vorübergehend, schreibt sie in ihrem letzten Post. Nur die Liebe, die bleibe. All you need is love. #myhardestgoodbye

Kurz nachdem dieser Text geschrieben wurde wendet sich Mias Ehemann via Instagram an alle Instafreunde, Bekannte und Fremde mit einer zu Herzen gehenden Nachricht: Mia wurde auf eine Palliativstation verlegt. „Sie spricht nur noch ganz wenig und öffnet die Augen selten“. Er ahnt: „Vriesl wird nicht mehr lange unter uns sein“.

Rundschau abonnieren