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Bekannte Paartherapeuten geben Tipps8 Fehler, die Paare beim Streiten vermeiden sollten

Lesezeit 5 Minuten
Die amerikanischen Paartherapeuten John M. Gottman und Julie Schwartz Gottman, Foto: The Gottman Institute

Die amerikanischen Psychologen John M. Gottman und Julie Schwartz Gottman sind für ihre Arbeit zu Thema Ehestabilität und Beziehungen bekannt.

Wie Paare mit Konflikten umgehen, ist entscheidend für die Beziehung, sagt das renommierte Psychologen-Duo Gottman. Worauf kommt es an?

Konflikte in der Beziehung fühlen sich oft wie eine endlose Spirale an. Man streitet sich andauernd über ähnliche Sachen. Und immer wieder entzünden sich heftige Konflikte an scheinbar harmlosen Situationen. Die Folgen wiederkehrender Streits aber können erheblich sein: Nicht nur ist man davon seelisch und körperlich gebeutelt – im schlimmsten Fall zerbricht eine Partnerschaft sogar am ständigen Gezanke.

Das renommierte amerikanische Paartherapeuten-Ehepaar Julie Schwartz Gottman und John M. Gottman forscht seit Jahrzehnten zu Fragen rund um gelingende Beziehungen. In ihrem neuen Buch „5 Konflikte, die jedem Paar begegnen“ ergründen sie nun, warum Paare in Streit geraten, wie sie besser mit Konflikten umgehen können und wie sie diese im besten Fall sogar vermeiden können.

Streiten muss sein, damit Beziehungen wachsen

Dabei stellt das Psychologen-Duo gleich zu Beginn des Buches klar: In Partnerschaften ist kein Streit keine Lösung. „Intimität erzeugt unvermeidlich Konflikte, sie sind ein notwendiger Teil jeder menschlichen Beziehung.“ Auch wenn es sehr harmonische Paare gebe: „Dass es keine Kontroversen gibt, ist kein Hinweis auf eine starke Beziehung – es kann sogar zum Gegenteil führen.“ Es sei wichtig, sich Auseinandersetzungen nicht zu verschließen. „Wir brauchen Konflikte sogar, um zu wachsen und einander noch besser kennenzulernen.“

Am Ende des Buches geben die Paartherapeuten eine Kurzanleitung zum Thema „richtig streiten“. Wir dürfen ein paar zentrale Erkenntnisse daraus vorstellen.

1. Weich in ein Konfliktgespräch einsteigen

Auch wenn die Emotionen hochkochten, sollte ein Gespräch nie mit Kritik beginnen, sagen Julie Schwartz Gottman und John M. Gottman. „Ein harter Einstieg fühlt sich wie ein Angriff an und lässt Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin nur eine Option für seine oder ihre Reaktion: Abwehr.“ Stattdessen sollte man weich einsteigen, von eigenen Gefühlen sprechen und das Problem schildern, ohne das Gegenüber zu kritisieren. Wichtig sei, sich allein auf die aktuelle Situation zu konzentrieren, selbst wenn das Verhalten des Partners häufiger vorkomme. „Drücken Sie Ihr positives Bedürfnis aus – sagen Sie klar, was Ihr Partner oder Ihre Partnerin dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern.“ Das Gegenüber sollte dann erst einmal zuhören, statt sich sofort zu rechtfertigen.

2. Pausen machen, wenn es zu emotional wird

Oft wird man in Streits von den eigenen Gefühlen überwältigt. „Streiten Sie nicht weiter, wenn Sie überflutet sind“, rät das Psychologen-Paar. Dann nämlich komme es eher zu verbalen Attacken oder kompletter Verweigerung und man könne keine gesunden Konfliktlösungen finden. „Laufen Sie nicht einfach weg – teilen Sie mit, dass Sie sich überwältigt fühlen und eine Pause brauchen.“ Mindestens 20 Minuten, aber höchstens 24 Stunden könne eine solche Unterbrechung dauern.

3. Das richtige Ziel im Auge haben

Auch wenn der Wunsch verständlich sei, Streits umfassend zu klären, könne das nicht das Ziel sein. „Die meisten unserer Konflikte sind ewig, nicht lösbar – diese Schwierigkeiten werden uns durch unsere gesamte Beziehung hindurch begleiten.“ Stattdessen gehe es darum, den Moment zu regeln. „Das Ziel ist nicht, zu gewinnen. Das Ziel ist nicht, unseren Partner oder unsere Partnerin von etwas zu überzeugen. Das Ziel ist lediglich, dieses Gespräch über das Problem positiv zu gestalten.“

4. Herausfinden, worüber man eigentlich streitet

Manchmal fühlen sich Konflikte komplett festgefahren an, weil einer der Partner eine deutliche Haltung hat. Dann müsse man herausfinden, woher der Blick auf bestimmte Themen komme. „Helfen Sie einander, die Träume, Werte, Überzeugungen oder die Lebensgeschichte hinter Ihrer Haltung zu diesem Problem zu verstehen“, sagen die Psychologen. Ziel dabei sei, die Position des anderen besser zu verstehen.

5. Kompromisse zulassen, ohne sich selbst zu verlieren

Bei Konflikten geht es oft darum, Kompromisse zu finden. Der Weg dahin ist selten leicht. „Um einen echten Kompromiss eingehen zu können, müssen wir zuerst herausfinden, wobei wir keinen Kompromiss schließen können – die Kernbedürfnisse bei diesem Thema sind so wichtig für uns, dass wir bei ihnen nicht nachgeben können“, erklären Julie Schwartz Gottman und John M. Gottman. Stattdessen sollte man sich auf jene Bereiche konzentrieren, bei denen man flexibel sein könne. Je öfter man sich auf den anderen zubewege, desto eher werde er oder sie das auch tun. Dann lasse sich gemeinsam an einem Problem arbeiten. „Bei einem Kompromiss gewinnen alle und verlieren alle etwas. Das Wichtigste ist, dass Sie sich verstanden, respektiert und mit Ihren Träumen geachtet fühlen.“

6. Unverarbeitete Streits nicht wegwischen

Wenn ein Streit aus dem Ruder läuft, würde man ihn im Nachgang am liebsten wegwischen. Das sei jedoch ein großer Fehler, sagen die Paartherapeuten, denn unverarbeitete Konflikte könnten „wie ein Stein im Schuh werden, der wund reibt“. Unverarbeitete Streits sollten deshalb unbedingt wieder zur Sprache kommen. „Wir müssen uns mit früheren Konflikten befassen, ohne wieder in den Streit hineinzurutschen.“ Das sei möglich, wenn man eine gewisse Distanz zum Geschehen habe. „Sie müssen in der Lage sein zu beobachten, was geschehen ist, ohne wieder hineinzugeraten.“

7. Die Wirklichkeit des Partners erkennen

Entscheidend bei der Besprechung eines Streits sei auch, dass beide Partner Raum für ihre Eindrücke bekämen, sagen die Paartherapeuten. Beide sollten schildern dürfen, was sie während der Auseinandersetzung am anderen wahrgenommen haben. „Fassen Sie die Wirklichkeit Ihres Partners oder Ihrer Partnerin zusammen und erkennen Sie sie an.“ Das bedeute nicht automatisch, dass man ihm oder ihr zustimme, sondern dass man die Erfahrungen ein Stück weit verstehen könne. „Unterlassen Sie es, Vorwürfe zu erheben, böse Absichten zu unterstellen oder Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin zu sagen, was er oder sie gedacht oder gefühlt hat.“

8. Persönliche Trigger des anderen verstehen

Manchmal eskalierten Streits, weil sich einer der Partner durch etwas getriggert fühle, also eine alte Verletzung aus der Vergangenheit im aktuellen Streit erneut Schmerzen auslöse. Darüber sollte sich das Paar unbedingt austauschen. „Teilen Sie einander mit, welche Elemente des Streits für Sie die Situation eskalieren ließ“, sagen Julie Schwartz Gottman und John M. Gottman. Wenn der Partner von den Momenten aus der Vergangenheit berichte, könne das Gegenüber besser verstehen, warum er oder sie im Hier und Jetzt heftig reagiert habe. „Ihr Partner muss das wissen, um Sie besser kennenzulernen und sensibler mit Ihnen umgehen zu können.“

Buchtipp: Julie Schwartz Gottman/John M. Gottman: „5 Konflikte, die jedem Paar begegnen – und wie die Liebe daran wachsen kann", Ullstein Verlag, 416 Seiten, 16,99 Euro

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