1 Woche Papa, 1 Woche MamaWie gut ist das Wechselmodell für Kinder getrennter Eltern?

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Kinder getrennt lebender Eltern müssen im Wechselmodell regelmäßig von einem zum anderen umziehen. 

Frankfurt – Tina Schneider (Name geändert) und ihr Mann haben sich vor sechs Jahren getrennt. Ihre Tochter Laura war zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre alt. Die Eltern vereinbarten, dass die Tochter hauptsächlich bei der Mutter lebt und der Vater regelmäßigen Umgang hat. Doch im vergangenen Jahr wollte der Vater die Tochter ganz zu sich und seiner neuen Frau nehmen. Tina Schneider war dagegen und so landete ihr Fall vor einer Richterin. Die sprach sich für ein Wechselmodell auf Probe aus.

„Für Laura ist das sehr stressig"

Seit Juli 2018 hat die achtjährige Laura zwei Zuhause. Immer freitags nach der Schule zieht sie von dem einen zum anderen Elternteil. Immer mit dabei: ihr Koffer voll mit Schulbüchern für die komplette Woche, die Reitstiefel, der Tennisschläger, die Taekwondo-Ausrüstung und der Badeanzug. All das sind ihre Hobbys - und die finden jede Woche statt.

Für Laura ist das sehr stressig, immerhin muss sie eine ganze Woche im Voraus planen“, sagt Schneider. Das Verhältnis zu ihrem Ex-Mann ist angespannt, kommuniziert wird nur per Mail. Und das, obwohl es eigentlich viel zu besprechen gibt, zum Beispiel: War die Tochter in der vergangenen Woche krank? Gibt es Neuigkeiten aus der Schule? Wurden für die kommende Woche Termine vereinbart?

„Da wird Laura häufig zum Nachrichtenüberbringer. Und das ist keine Rolle für ein Kind“, sagt Schneider. Die Tochter fühlt sich laut der Mutter mit der Situation nicht wohl und habe der Richterin dies nun auch in einem Brief mitgeteilt. Heike Hennemann ist Richterin am Kammergericht in Berlin. Mit Lauras Fall hat sie nichts zu tun, dafür mit vielen anderen Eltern und Kindern. „Ich habe Kinder erlebt, die finden das Wechselmodell ganz toll, und andere wiederum finden es anstrengend“, sagt Hennemann. Das Gleiche gilt für die Eltern.

Das Wechselmodell bringt viele Probleme mit sich

Es ist schwer zu sagen, ob das Wechselmodell an sich gut funktioniert oder nicht. Denn vor Gericht landen nur die Fälle, in denen Eltern sich streiten. Hennemann schlägt dann zwar gegebenenfalls ein Wechselmodell vor, etwa wenn bereits vor der Trennung beide Elternteile einen hohen Betreuungsanteil hatten, doch aufzwingen will sie es niemandem. Denn dieses Modell bringt Probleme mit sich, die Eltern lösen müssen.

Anders als beim in Deutschland häufigen Residenzmodell ist beim Wechseln nicht ein Elternteil der Hauptbetreuer und der andere der Unterhaltszahler. Sind die Kinder zu 50 Prozent bei der Mutter und zu 50 Prozent beim Vater, entfällt die Unterhaltszahlung. Für die Gesetzgebung gibt es dagegen keine zwei Lebensmittelpunkte. So kann das Kind beispielsweise nicht an zwei Wohnsitzen gemeldet sein. Und auch das Kindergeld kann nur eine Person beziehen.

Sybille Möller, Vorsitzende der Mütterinitiative für Alleinerziehende (MIA), findet das Wechselmodell nur dann angebracht, wenn sich Eltern freiwillig dafür entscheiden. Nur so können die Nachteile für das Kind möglichst gering gehalten werden. „Das Kind kommt sonst schnell in einen Loyalitätskonflikt, da es beide Elternteile lieb hat und niemanden traurig machen möchte“, sagt Möller.

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Kinderbetreuung und Arbeit können besser vereinbart werden

Schwierig wird es außerdem, wenn es mehrere Kinder mit zu großem Altersabstand gibt. Denn bei jüngeren Kindern empfiehlt sich wegen ihres Zeitempfindens ein häufigerer Wechsel. Die Älteren bleiben meist eine Woche lang bei einem Elternteil. „Das kann dann dazu führen, dass Geschwisterkinder, die eigentlich sehr eng miteinander sind, ständig auseinandergerissen werden", so Möller.

Die Mitglieder der Projektgruppe Doppelresidenz, einem Netzwerk aus unterschiedlichen Vereinen und Verbänden, sehen in dem Wechselmodell eine Chance für Kinder und Familien. Laut Markus Witt, Mitglied der Projektgruppe, ist die häufigste Umgangsregelung, dass Kinder an jedem zweiten Wochenende und an einem Tag in der Woche bei dem Vater sind. Beim Wechselmodell stünden dem Kind beide Eltern als Vorbilder zur Verfügung, was für die geschlechterspezifische Entwicklung wichtig sei. „Eltern gehen ganz unterschiedlich mit ihren Kindern um, der eine ist vielleicht vorsichtiger, der andere pragmatischer“, sagt Witt. Genau das sei es, was Kinder brauchten.

Auch für die Eltern habe das Wechselmodell Vorteile - Kinderbetreuung und Arbeit können gleichberechtigt gestaltet werden.

Auch Tina Schneider erkennt die Vorteile für sich. „Ich muss zwar mehr planen, dafür kann ich mich jetzt aber auch mal spontan mit Freundinnen treffen“, sagt die 36-Jährige. Ihre Tochter hingegen profitiere von den unterschiedlichen Erziehungsstilen ihrer Eltern. „Ich denke, wenn sich Eltern gut verstehen, kann das ein richtig gutes Modell sein. Aber das ist bei uns nicht der Fall.“ (dpa/tmn)

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