Zu viel verlangt?Männer sollen Familie ernähren – und die Kinder betreuen

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Der erfolgreiche Teilzeitvater ist das neue Männlichkeits-Ideal.

Männer sind überfordert, genauso wie Frauen überfordert sind. Denn seit die traditionellen Rollenbilder  auf dem Rückzug sind, wird von beiden Geschlechtern alles erwartet: Kind und Karriere. Bitte beides, gut ausgewogen, nicht nur eins davon. Männer sollen in den Spagat springen, der Frauen schon lange in der Luft hängen lässt. Der erfolgreiche Teilzeit-Vater, so der Männer-Forscher Björn Süfke, sei das neue Männer-Ideal.

Männer wissen nicht, wohin mit sich

Zwar sind Frauen schon deutlich länger damit konfrontiert, alles schaffen zu müssen, im Kinderzimmer wie in der Küche, im Bett wie im Büro. Doch auch Männern geht es zunehmend ähnlich, wie Männerberater Björn Süfke klarstellt: „In den vergangenen zehn oder fünfzehn Jahren ist nun auch das traditionelle Männlichkeitskonzept so stark ins Wanken geraten, dass die Männer diesem Phänomen ebenfalls zunehmend ausgesetzt sind.“

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Björn Süfke erörtert, was es heute heißt, ein Mann zu sein.

Süfke erklärt in seinem kürzlich erschienen Buch „Männer. Erfindet. Euch. Neu.“, dass Männlichkeit jahrhundertelang als Gegenpart von Weiblichkeit definiert wurde. Frauen waren ein Großteil ihres Leben damit beschäftigt, schwanger zu sein und sich um die Kinder zu kümmern. Nur heute ist das eben nicht mehr der Fall. Frauen brauchen keinen Versorger und Ernährer mehr. Die Folge: Viele Männer sind verwirrt und wissen nicht, wohin mit sich.

Männer sollen Familie ernähren – und die Kinder betreuen

Denn es ist keineswegs so, dass die alten Modelle von neuen gänzlich abgelöst werden, sondern eher so, dass die alten zumindest in Teilen nach wie vor bestehen.  „So soll die heutige Männergeneration zwar durchaus noch die wünschenswerten Attribute der Traditionellen Männlichkeit respräsentieren“, so Süfke.  „Aber eben nur die wünschenswerten: Der familienernährende Verdienst, die starke Schulter, die Reparaturen im Haushalt“.

Gleichzeitig erwarteten Frauen von ihren Partnern aber auch, was im Allgemeinen unter der „modernen Männlichkeit“ verstanden werde: „nicht-hierarchische Kommunikation, Fürsorge und Gefühlsbezogenheit “.

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Kind oder Karriere? Am besten beides!

Das illustriert auch eine Allensbach-Studie, die Süfke zitiert: Demnach wünschen sich 80 Prozent der Frauen einen Mann, „der einfühlsam ist, und immerhin 77 Prozent fänden es toll, wenn der Mann sich mehr um die Kinder kümmerte.“

Aber: Gleichzeitig erwarteten 68 Prozent der Frauen, dass der Mann den Familienunterhalt verdient und eine Mehrheit von 57 Prozent wünschte sich zudem explizit die Unabhängigkeit des Mannes.

Männer müssen erfolgreich sein

Männer sollen Windeln wechseln, die Kinder halbtags betreuen und zum Elternsprechtag gehen, ABER sie sollen trotzdem Karriere machen und die Familie ernähren können, zumindest aber sich selbst. Eine finanzielle Abhängigkeit des Mannes von der Partnerin? Für die meisten Frauen laut der Studie keine Option.

Erfolgreiche Teilzeit-Väter sind das neue Sexy

 „Teilzeitberufstätige Väter, die sich aufopferungsvoll um ihre Kinder kümmern, sind das neue Sexy. Aber nur wenn sie beruflich trotz Arbeitszeitreduzierung weiterhin erfolgreich sind“, so Süfke. „Väter, die sich in Vollzeit aufopferungsvoll um ihre Kinder kümmern, weil sie eh arbeitslos waren oder weniger verdienten als ihre Partnerinnen, sind und bleiben nicht sexy.“

Gluckenvater und Rabenmutter sind verpönt

Das Äquivalent zur „Rabenmutter“ wäre wohl der „Gluckenvater“. Beim Karriere-Machen gibt es für Männer keine Kompromisse, das müssen sie auf jeden Fall hinbekommen, selbst wenn sie einen Großteil der Kinderbetreuung stemmen. So lautet zumindest Süfkes Fazit aus 20 Jahren Berufserfahrung als Männerberater.

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Karrierist und Kuschelpapa: Das neue Männerideal ist beides.

Zugeständnisse gibt es für Männer inzwischen in Sachen Gefühlswelt: „Ängste, Zweifel, Scham- und Schuldgefühle“ würden selbst den männlichen Tatort-Kommissaren inzwischen zugestanden. Und auch Daniel Craig als James Bond leidet und liebt,  wie kein anderer Bond zuvor. Auch was das Aussehen angeht, sind die Männlichkeitskonstrukte nicht mehr so festgefahren, lobt Süfke und bezieht sich auf androgyne Haarschnitte, pinke T-Shirts und rasierte Männerbrüste.

Mann oder Memme?

Viele der heute jungen Männer sind allerdings noch mit Sprüchen wie „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ aufgewachsen. „Mann oder Memme?“ ist eine gängige Floskel, „schwul“ noch immer ein Schimpfwort für Männer, die vermeintlich feminine Dinge tun.

Ein Grund, weshalb es nach wie vor an Erziehern, an Grundschullehrern und Arzthelfern mangelt. „In den vergangenen fünfzig Jahren wurde immer und immer wieder – und völlig zu Recht – darauf hingewiesen, dass Frauen der Eintritt in viele ‚Männerdomänen‘ nicht in erster Linie durch Gewalt und kategorischen Aussschluss verwehrt wird, sondern durch konsequentes Nicht-Ernstnehmen. Nun, diese Strategie funktioniert auch anders herum…“, erklärt Süfke.

Ein benachteiligter Mann? Lächerlich

Das essenzielle Problem für Süfke ist, dass Männern noch immer kein Leid zugestanden wird. Auch von Frauen oft nicht. Wenn ein Mann sich beklagt, benachteiligt zu sein, werde das häufig ins Lächerliche gezogen.  „Meine Vermutung ist, dass hinter solchen Denk- und Sprechverboten über männliche Diskriminerungserfahrungen der Gedanke liegt, dass in unserer Gesellschaft Frauen weiterhin vielfältig Benachteiligungen ausgesetzt sind und dass man diese leugnen oder herunterspielen würde, wenn man über Diskriminierungen von Männer spräche."

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Fordert ein Ende des Geschlechterkampfs: Männerberater und Autor Björn Süfke.

Ein Trugschluss, wie Süfke klarmacht. Denn: „Selbstverständlich gibt es alltägliche und teilweise auch strukturell verankerte Benachteiligungen von Männern qua Geschlecht.“ Genauso wie es sie umgekehrt gegenüber Frauen gibt. Geschlechterkampf und Ausspielen der Geschlechter gegeneinander ist wahrscheinlich die größte Bremse der Gleichberechtigung.

Doch bis Frauen in Vollzeit arbeiten können, ohne sich zu rechtfertigen, und Männer in Vollzeit die Kinder betreuen können, ohne sich entschuldigen zu müssen, ist es sicher noch ein langer Weg. In jedem Fall sollten wir ihn gemeinsam gehen.

Björn Süfke: Männer. Erfindet. Euch. Neu. Was es heute heißt, ein Mann zu sein, Mosaik Verlag, 400 Seiten, 19,99 Euro.

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