BeziehungsschmerzWas kann ich tun, wenn er mir nicht „Ich liebe dich“ sagen will?

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Symbolbild

  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier in der Kolumne „In Sachen Liebe” Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und alles, was Paaren begegnet.
  • In dieser Folge befasst sich Peter Wehr mit der Frage, wie man damit umgehen kann, wenn der Partner kein Liebesbekenntnis abgeben will.
  • Seine These: Fragen Sie beide so lange nach, bis Sie die Motive besser verstehen, die hinter dem Aussprechen beziehungsweise dem Nicht-Aussprechen von „Ich liebe dich“ stecken.

Ich (24 Jahre) bin seit einem Jahr mit meinem Freund (26) zusammen. Ich empfinde unsere Beziehung als sehr schön und bereichernd. Ich fühle mich angekommen und würde gerne mit diesem Partner zusammenbleiben. Wir wohnen zwar noch nicht zusammen, genießen aber die gemeinsame Zeit, können gut miteinander reden, teilen viele Interessen und sind füreinander da. Doch eines fehlt mir sehr: Er kann nicht „Ich liebe dich“ sagen. Er sagt, es bedeute ihm nichts, und er könne auch nichts damit anfangen. Wie kann ich damit umgehen? Mir bedeutet es sehr viel. Und ich frage mich, ob er mich wirklich genauso liebt, wie ich ihn.

Ich kann gut verstehen, dass Ihnen die drei vielleicht schönsten Worte fehlen, die man einander sagen kann. Als Krönung, als Ausdruck für die Einzigartigkeit Ihrer gemeinsamen Beziehung; als Ausdruck dafür, der wichtigste Mensch im Leben des Partners zu sein; dafür, immer für den anderen da zu sein, wenn er es braucht; ihm vertrauen zu können. „Ich liebe dich“ – diese ausgesprochenen Wörter, basierend auf starker körperlicher, geistiger und seelischer Anziehung, befriedigen ein tief in uns verankertes Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit.

Anfangsphase mit rosaroter Brille

Die erste Phase einer Beziehung, die Verliebtheit, liegt vermutlich schon hinter Ihnen. Diese Phase, die in der Regel einige Monate andauert, ist gekennzeichnet durch eine besonders starke Anziehungskraft und durch die rosarote Brille. Da Sie den Partner noch nicht in all seinen Facetten kennengelernt hatten, ist viel Raum für Projektionen geblieben. Sie konnten noch all Ihre Wünsche nach Erfüllung Ihrer tiefsten Sehnsüchte in ihn hineinlesen und ihn idealisieren. Erst nach und nach, durch gemeinsame Erfahrungen, schält sich ein realistischeres Bild heraus. Liebe kann dann wachsen, wenn man den Partner auch mit seinen „Ecken und Kanten“ lieben – voll annehmen – kann.

Diese Phase ist auch mit Enttäuschungen verbunden, und manchmal muss man sich zunächst zusammenraufen, um sich dann wieder neu zu finden. Mehr noch als in der Verliebtheitsphase spielen jetzt die jeweiligen eigenen Bindungserfahrungen und die damit verbundenen Prägungen aus der Kindheit eine Rolle. Wir können uns mehr oder weniger gut auf den anderen einlassen, haben mehr oder weniger Vertrauen in die Zuverlässigkeit des anderen, haben mehr oder weniger Angst, vom anderen verletzt oder gar verlassen zu werden. All das spielt eine Rolle bei dem Wunsch nach diesen drei Wörtern – genau wie bei deren Vermeidung oder der Angst, sie auszusprechen.

Austausch ist jetzt wichtig

Sie beschreiben eine schöne Beziehung mit Ihrem Partner, die nun schon ein Jahr hält und die Sie immer noch genießen. All das spricht für die Beziehung. Doch die buchstäblich nicht erklärte Liebe wird nun zu einer Art Prüfstein. Es verunsichert Sie, dass Ihr Partner die drei Wörter nicht sagen kann, beziehungsweise dass sie ihm nichts bedeuten. Womöglich brauchen Sie dieses „Ich liebe dich“ als Liebesbeweis, und möglicherweise steckt bei Ihrem Partner hinter seiner Gleichgültigkeit diesen Worten gegenüber eine eigene, tieferliegende Angst vor Verletzung oder vor Vereinnahmung, wenn er sich mit dem ausgesprochenen Liebesbekenntnis stärker an Sie bindet.

Das sind allerdings nur Vermutungen. Für Sie beide kann es sehr hilfreich sein, sich darüber auszutauschen, welchen Bedeutungsgehalt die drei Worte für Sie jeweils haben; weshalb es Ihnen so wichtig ist, dass er sie sagt; wie es dazu kam, dass sie ihm gleichgültig sind oder unbedeutend; was alles jeweils damit verbunden ist. Fragen Sie beide so lange nach, bis Sie die Motive besser verstehen, die hinter dem Aussprechen beziehungsweise dem Nicht-Aussprechen von „Ich liebe dich“ stecken. Das kann Ihnen helfen, einen gemeinsamen Weg zu finden – mit Verbindendem und Unterscheidendem, mit Sicherheit, Vertrauen und gegenseitiger Fürsorge.

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