Nach dem Essen eine halbe Stunde warten, bevor man Schwimmen geht? Dr. Magnus Heier erklärt, warum das nicht notwendig ist.
Alte Regel ohne BeweiseWarum Essen direkt vor dem Schwimmen bedenkenlos möglich ist

Gerade noch die große Pommes im Freibad gegessen und dann gleich ins Wasser? Das geht, erklärt Dr. Magnus Heier.
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Sie ist eine der Regeln, die nicht nur Ältere ganz fest verinnerlicht haben: Direkt nach dem Essen ist Schwimmen verboten - man muss mindestens eine halbe Stunde abwarten, bevor man ins Wasser geht. Und auch die Begründung scheint plausibel: Nach dem Essen „versackt“ das Blut im Verdauungstrakt – und fehlt folgerichtig in den Muskeln, die man zum Schwimmen braucht. Krämpfe können die Folge sein oder zumindest Schwäche! Soweit die noch sehr präsente Erinnerung.
Alles falsch! Die Regel wurde zwar von Generation zu Generation „vererbt“, es gibt aber keine Beweise. Keine Studie. Noch nicht einmal eine plausible Begründung. Denn die Menge des in den Verdauungstrakt umgeleiteten Blutes ist so gering, dass sie für die Muskeln keine Rolle spielt. Und es gibt auch keine (mir bekannte) Studie, die einen solchen Zusammenhang herstellt. Im Gegenteil: Es ist eher hilfreich, etwa vor einem Wettkampf im Wasser, eine Kleinigkeit zu essen: Der Körper braucht die Energie.
Schwimmen ist natürlich trotzdem nicht ungefährlich, vor allem für kleine Kinder. Und bei ganz kleinen Kindern unter fünf Jahren ist Ertrinken eine der häufigsten Todesursachen. Aber nicht das Essen ist schuld, sondern etwa Unfälle im Wasser – etwa beim Hineinspringen in überraschend flache Stellen. Vor allem aber: Sehr viele Kinder können nicht schwimmen. Etwa jedes fünfte Kind kann überhaupt nicht schwimmen. Und noch einmal etwas mehr sind beim Schwimmen sehr unsicher. Das war früher ganz anders. Schwimmen zu können war selbstverständlich, der Unterricht gehörte zwingend zum Sportprogramm. Heute sind viele Bäder geschlossen, viele Schwimmlehrer fehlen. Und wenig überraschend steigt auch die Zahl der tödlichen Schwimmunfälle scheinbar unaufhaltsam an (wir hatten darüber in einer früheren Kolumne berichtet).
Kinder und schlechte Schwimmer brauchen Aufsicht
Zurück zu der alten Regel: Wenn auch das Essen vor dem Schwimmen kein Problem ist, dann ist doch umgekehrt zu wenig Trinken riskant. Wie auch an Land kann man auch im Wasser dehydrieren, also „austrocknen“. Wer Durst hat, sollte trinken. Vor allem bei Hitze und Sonne – und auch, wenn man schwimmen will. Dehydriert sein kann zu Kopfschmerzen führen und zu Schwindel, zu Desorientiertheit und Muskelkrämpfen. Es klingt vordergründig widersinnig, im Wasser zu wenig Flüssigkeit im Körper zu haben. Aber die Haut nimmt ja keine Flüssigkeit auf (und Seewasser zu trinken ist nicht empfehlenswert). Und auch am Badesee kann man leicht überhitzen, einen Hitzschlag kriegen – und sollte damit schon gar nicht ins Wasser.
Schließlich ist Bier und anderer Alkohol ein fast zwangsläufiger Begleiter am Badesee. Das ist beim Schwimmen eine wirklich schlechte Idee. Alkohol erhöht das Risiko eines Badeunfalls erheblich: Weil Gleichgewicht, Orientierung und Bewegungskoordination reduziert sein können. Vor allem aber, weil die Gefahreneinschätzung leidet. Betrunkene strotzen vor Selbstbewusstsein. Vor allem wer mit Kindern schwimmt, sollte einen klaren Kopf haben – Kinder und schlechte Schwimmer brauchen Aufsicht.