Gefürchtete Super-VarianteWas über die neue Hybridvariante Deltakron bekannt ist

Blick in ein Corona-Labor
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- Mit „Deltakron“ scheint sich gerade eine der gefürchteten Hybridvarianten des Coronavirus auszubreiten.
- Sie wird nicht die letzte Mutation sein.
- Forscher arbeiten deshalb längst an Universal-Impfstoffen. Wie groß ist die Gefahr?
Berlin – Gut möglich, dass der Wuppertaler Stadtteil Cronenberg bald an Bekanntheit zulegen wird: Wer auf der Trackingkarte von „Gisaid“, der größten öffentlichen Virus-Sequenzdatenbank des Friedrich-Löffler-Instituts, nach „Deltakron“-Fällen mit der offiziellen Varianten-Bezeichnung „AY.4/BA.1“ sucht, der sieht einen Punkt ganz in der Nähe von Cronenberg. Es ist der erste bestätigte Coronafall in Deutschland, für den die Hybridvariante Deltakron verantwortlich ist.
Was genau ist eigentlich Deltakron?
Deltakron ist eine sogenannte Rekombinations-Variante. Sie besteht also aus einem Teil der aktuell weltweit vorherrschenden Omikron- sowie der vorangegangenen Delta-Variante. Bereits im Januar gab es Berichte über Deltakron-Fälle auf Zypern, die sich allerdings als falsch herausstellten. Sie waren wohl auf Verunreinigungen im Labor zurückzuführen. Die Beunruhigung jedoch war groß, schien damit doch die Zeit der gefürchteten Super-Varianten gekommen: Ein Virus so ansteckend wie Omikron und so schädlich-aggressiv wie Delta.
Impfstoffe in Form von Nasen- oder Mundsprays?
Experten wie Peter Kremser vom Universitätsklinikum Tübingen oder auch Sebastian Ulbert, der am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig forscht und ebenfalls gegenüber dem Science Media Center Stellung zu neuen Impfstoffen nahm, bauen auch auf die Forschung zu Impfstoffen in Form von Nasen- oder Mundsprays. Und zwar nicht nur, weil sie sehr einfach anwendbar sind. „Sie können den Erreger dort packen, wo er am frühesten mit uns in Kontakt kommt“, sagte Kremser. „Möglich ist auch, dass durch die Induktion einer Immunantwort direkt in den Atemwegen der Schutz vor einer Infektion beziehungsweise Weitergabe der Viren verlängert wird“, erklärte Ulbert. Doch auch für diese Form der Impfung gilt: Taucht eine neue Variante auf, kann das die Wirkung der Mund- und Nasenimpfung genauso reduzieren wie die Wirkung der „klassischen“ Corona-Impfung per Piks.
Wie bewerten Forscher die Hybridvariante?
Forscher zeigen sich in ihrer Bewertung noch vorsichtig, schließlich sind erst wenige Fälle bekannt. Dass Rekombinationsvarianten entstehen, ist aber normal und auch erwartet worden. In Zeiten, in denen die eine Virus-Variante von einer anderen abgelöst wird, können Menschen sich mit zwei Virentypen gleichzeitig anstecken. Dringen diese dann in dieselbe Zelle ein und vermehren sich dort, vermischen sich ihre Gene, und es entstehen Zwitter wie Deltakron.
In einem sogenannten „Preprint“, also einer noch nicht unabhängig von Fachexperten geprüften Veröffentlichung, berichten französische Forscher von einer Genomsequenzanalyse dreier Proben. Demnach enthält die Deltakron-Variante das fast vollständige Spike-Protein der Omikron-Variante innerhalb einer Delta-Linie. Das Spike-Protein nutzt das Virus, um sich an Wirtszellen zu binden, in sie einzudringen und sich dort schließlich zu vermehren. Von der Ansteckung her könnte Deltakron also vergleichbar mit Omikron sein – vielleicht sogar noch ein bisschen ansteckender, sollten die Teile, die sich von Omikron unterscheiden, eine Optimierung darstellen.
Welche Folgen hat die Variante auf die Impfstoff-Produktion?
Während Biontech und Moderna noch immer an angepassten Impfstoffen für die Omikron-Variante arbeiten, gehen viele Forscher längst weiter. Sie arbeiten an Impfstoffen der zweiten Generation, die zu einem breiteren und nachhaltigeren Schutz führen sollen. In den USA forschen Wissenschaftler des Walter Reed Army Institute etwa an einem Vakzin, das auf einem Eiweiß-Molekül basiert, dem bis zu 24 verschiedene Spike-Proteine angeheftet werden. Theoretisch könnten das nicht nur Spikeproteine bekannter, sondern auch von Computersimulationen abgeleiteter Varianten sein.
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Ein anderes Team aus den USA setzt auf einen Impfstoffkandidaten mit „chimären“ Spike-Proteinen, also solchen, die in sich Abschnitte mehrerer Virusvarianten vereinen. Während dieser Ansatz erst an Mäusen getestet worden ist, wird der Impfstoffkandidat der Walter-Reed-Forscher bereits in einer Phase-1-Studie getestet. Das bedeutet, dass er nun das erste Mal an gesunden Menschen ausprobiert wird, um Verträglichkeit und Sicherheit sowie die richtigen Dosierungen zu erforschen.
Welche Schwierigkeiten gibt es bei universellen Impfstoffen?
Peter Kremser, Professor und Direktor am Universitätsklinikum Tübingen, sieht bei beiden Ansätzen das grundsätzliche Problem, dass man vorher wissen müsse, welche Variante demnächst vorherrsche: „Das weiß man aber nicht. Man kann es vermuten, so wie es etwa auch bei der Entwicklung von Influenza-Impfstoffen der Fall ist, aber mit Gewissheit kann man das nicht sagen“, so Kremser gegenüber dem Science Media Center. In mehreren Jahrzehnten Forschungsarbeit sei es bei der Influenza bis heute nicht gelungen, einen universellen Impfstoff herzustellen.