Rheingold-StudieWie sich Corona und Krieg auf die Stimmungslage auswirken

Zwei Jahre Pandemie haben viele Menschen stark belastet.
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Köln – Nach zwei Jahren Pandemie fühlen sich die Menschen, als würde ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen. Verstärkt wird dieses Ohnmachtsgefühl durch den Krieg in der Ukraine. Zu diesem Schluss kommen Forscher des Kölner Rheingold Instituts in einer Studie. Sie sind aber auch sicher: Es gibt einen Ausweg aus Melancholie und Dauerkrise.
Kriegsnachricht löst eine Schockstarre aus
„Als die Nachricht vom Krieg kam, waren die Menschen wie in Schockstarre“, sagt Psychologin Birgit Langebartels, für die Studie mitverantwortlich. „Der Krieg fiel auf den Boden, den die Pandemie bereitet hat.“ Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Klimakrise, Corona-Pandemie – laut Institut nehmen gerade jüngere Menschen die vergangenen Jahre als Dauerkrise wahr. „Ich fühle mich, als wäre ich Teil einer schlechten Serie“, so der Kommentar eines Studienteilnehmers. Mit dem Krieg sei eine neue Dimension erreicht worden. „In der Pandemie haben sich die Leute in ihr Schneckenhaus zurückgezogen. Durch die Kriegsangst wird es jetzt auch dort bedrohlich“, sagt Langebartels.
In Gedanken den Notfallkoffer schon gepackt
Für wenige sei der Krieg ein Weckruf, schreiben die Meinungsforscher. Sie verarbeiten Ängste, indem sie für die Ukraine spenden oder Flüchtlingen helfen. Ihnen gegenüber stehen die, die sich an ihren Alltag klammern. Andere haben in Gedanken bereits einen Notfallkoffer gepackt – und wollen bei einer weiteren Eskalation das Land verlassen. „Teilnehmer unserer Gruppendiskussionen haben überlegt, wie Fluchtwege aussehen könnten und wie sie betroffen wären, wenn eine Bombe den Dom trifft“, sagt Langebartels. Solche Denkmuster seien nicht ungewöhnlich und ebenso wenig ein Problem wie das Weiterleben von Alltäglichem. „Wichtig ist, dass daraus keine rigide Verdrängung wird.“
Schon die Pandemie hat sich auf die Stimmungslage ausgewirkt. Die Forscher sprechen von „Melancovid“, einer pandemiebedingten Melancholie. Zwei Jahre Corona hätten viele Bürger eine Egal-Haltung einnehmen lassen. „Als Prophylaxe gegen Enttäuschungen“, erläutert die Psychologin. Ein Studienteilnehmer wird mit den Worten zitiert: „Wir haben doch alles gemacht, was man machen kann. Aber es hört einfach nicht auf.“ Rund ein Drittel der Befragten attestiert sich Antriebslosigkeit. So viele Risiken eingehen wie vor der Pandemie will nur ein knappes Viertel. Sie ersetzen unbeschwerte Lebensfreude durch Selbstkontrolle oder die Flucht in den Biedermeier.
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Auch das Institut für Demoskopie Allensbach befürchtet „erhebliche soziale Kollateralschäden“ durch die Pandemie. Es kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie die Kölner: Die Deutschen fühlen sich, als würden sie in einer Endlosschleife festhängen. Etwa zwei Dritteln geht es schlechter als vor der Pandemie – vor allem den Jüngeren.
Die Lebensfreude werde sich nicht automatisch wieder einstellen, lautet das Fazit von Rheingold. In Bezug auf die Regeln in der Corona-Pandemie würden viele derzeit in kindlicher Haltung verharren, auf unkritischen Trotz oder brave Anpassung setzen. „Um das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden, müssen die Menschen aber wieder Verantwortung übernehmen und aktiv werden“, erläutert Langebartels. Abschottung ist für sie keine Lösung.