Kein Aufschieben mehr10 Tipps, mit denen wir uns das Prokrastinieren abgewöhnen

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Prokrastination hat viele Gesichter. 

Köln – Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Schönes Sprichwort, in der Praxis läuft es aber doch oft andersherum. Die Steuererklärung, Fenster putzen, Bücherregal entstauben, Aktenordner sortieren: Es gibt viele solcher unliebsamen Aufgaben, die immer wieder anfallen und dann immer wieder auf morgen, übermorgen, nächste Woche verschoben werden. Gerade in der kalten und dunklen Jahreszeit fehlen Energie und Motivation. Und ein gut gemeintes „Fang doch einfach an“ hilft eben nicht wirklich. Wir haben mit dem Psychotherapeuten Kai Philipp Merkle gesprochen, der in seinen Praxen in Köln und Düsseldorf auch Hilfe bei Prokrastination anbietet. 

Die sogenannte „Aufschieberitis“ ist zwar an sich noch keine Krankheit, kann aber zu einer werden, oder andere psychische Krankheiten auslösen. Merkle erklärt, dass die durch das Aufschieben entstehende Frustration etwa zu Suchtkrankheiten oder depressiven Stimmungen führen kann. Sobald die Prokrastination so weit geht, dass sie uns „davon abhält, Lebensziele zu erreichen“, sollte laut Merkle auf jeden Fall professionelle Hilfe aufgesucht werden. Wenn die Aufschieberitis sich aber nur auf kleinere Aufgaben bezieht und nervt, aber noch nicht lebensbestimmend ist, können kleine Tricks schon bei der Selbstregulation helfen. Auf Dauer könne man sich so die Prokrastination abtrainieren. 

10 Tipps gegen das Aufschieben:

1. Ziel formulieren

Ein klares Ziel ist laut Merkle „das A und O“. Desto präziser das Ziel formuliert ist, desto schlechter kann ihm ausweichen und desto besser kann am Ende überprüft werden, ob es erreicht wurde. Wenn das Ziel klar formuliert ist, kann daraus abgeleitet werden, welche Voraussetzungen zur Zielerreichung erfüllt werden müssen.

2. Teilziele festlegen

Aus den Voraussetzungen lassen sich wiederum Teilziele formulieren. Durch das Festlegen von Teilzielen wartet kein riesiger Berg an Aufgaben mehr, sondern nur kleine Aufgaben-Häppchen. So können auch deutlich schneller Erfolge gefeiert werden, die wiederum die Motivation erhöhen.

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Kai Philipp Merkle, psychologischer Psychotherapeut

3. Mit festen Zeiten planen und Rituale nutzen

Feste Zeiten schaffen Verbindlichkeiten. So fällt es schwerer, eine Aufgabe vor sich herzuschieben. Merkle empfiehlt, darüber hinaus auch Rituale zu nutzen: „Man kann sich zum Beispiel vornehmen, zur vollen Stunde die Nachrichten im Radio zu hören und wenn die Verkehrsnachrichten anfangen, legt man los.“ Aber Achtung: Als Rituale sollten wirklich nur fest terminierte Sendungen oder Ähnliches genutzt werden. Nur noch eine Folge der Lieblingsserie streamen und dann arbeiten, funktioniert oft nicht. Streamingdienste sind für Menschen mit schlechter Selbstregulation eine Gefahr. Bei den Zeitplänen sollten auch Pausen nicht vergessen werden. Diese sollten sinnvoll genutzt werden, wer lange am Schreibtisch arbeiten muss, sollte in der Pause lieber an die frische Luft gehen und sich bewegen.

4. Realistische Ziele setzen

Die Ziele müssen erreichbar sein. Unrealistische Ziele wirken abschreckend. Wenn klar ist, dass die Aufgabe kaum machbar ist, ist die Motivation anzufangen noch geringer. Dann ist die Sache schon zum Scheitern verurteilt und das wiederum führt wieder zu Frustration und weiterem Aufschieben. „Viele, die an Prokrastination leiden, glauben, sie müssten enorm viel Arbeit von einem Tag auf den anderen erledigen, weil sie ja schon so viel Zeit verloren haben“, erklärt Merkle. Es sei aber besser, sich erstmal einen kleinen, machbaren Teil vorzunehmen.

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5. Selbstüberprüfung

Ob Ziele tatsächlich realistisch sind, sollte immer wieder überprüft werden. Wenn ein Teilziel verfehlt wurde, sollte das nächste Teilziel etwas kleiner sein. Wenn ein Teilziel problemlos erreicht wurde und danach noch Energie übrig war, um mehr zu machen, kann das nächste Teilziel auch etwas größer formuliert werden. Gerade bei Aufgaben, die Konzentration erfordern, sollte auch überprüft werden, wie effizient gearbeitet wird. Fünf Stunden in ein Buch zu starren und sich dabei nichts zu merken ist schlechter, als 30 Minuten wirklich effizient zu lernen.

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Fenster putzen: Für viele eine unliebsame Aufgabe. Mit Musik geht es aber gleich viel schneller.

In der Therapie werde auch häufig die Lern- oder Arbeitsrestriktion als Methode gewählt. Merkle erklärt, dass hier nur so lange gearbeitet werden darf, wie die Konzentration anhält. Auch wenn das effektiv nur 10 Minuten sind. Wenn beim nächsten Mal die Konzentration länger anhält, darf die Zeit hochgeschraubt werden.

6. Aufschreiben/sichtbar machen

Das schriftliche Festhalten von Zielen macht es schwerer, die Arbeit vor sich herzuschieben. Um immer wieder an die Arbeit erinnert zu werden, sollten die Zielformulierungen möglichst sichtbar und groß aufgehängt oder angepinnt werden.

7. Familie/Freunde einbinden

Noch besser, als Ziele schriftlich festzuhalten, funktioniert das Einbinden anderer Menschen. Wenn Freunde und Familie von den Zielen wissen, erhöht die Erwartungshaltung der anderen den Druck, sich der Aufgabe zu widmen.

8. Ablenkung vermeiden

Menschen, die Probleme mit Prokrastination haben, sollten auch identifizieren, welche Dinge sie bei der Arbeit ablenken. Es kann zum Beispiel hilfreich sein, das Handy auszuschalten und außerhalb des Blickfelds aufzubewahren. Wer mit dem Rechner arbeiten muss und schnell zu Hundevideos auf Youtube abdriftet, könnte das Wlan ausschalten, schlägt Merkle vor. Informationen aus dem Internet könnten vorher rausgesucht und als PDF-Datei abgespeichert werden.

9. Musik als Motivationssteigerung

Es gibt aber auch gute Ablenkungen: Hörbücher, Podcasts und Musik können die Hausarbeit zu einer angenehmeren Tätigkeit verwandeln. Hier warnt der Psychotherapeut aber, dass der Trick wirklich nur bei Aufgaben angewendet werden sollte, die keine Konzentration erfordern. Von Playlists mit Musik, die beim Lernen helfen sollen, hält Merkle nichts. Das Gehirn müsse sonst zusätzliche Leistung darauf verwenden, die Musik auszublenden.

10. Belohnung

„Menschen lernen durch Belohnung und Bestrafung“, erklärt Merkle unseren letzten Tipp gegen Prokrastination. Nach jedem erreichten Teilziel sollte eine vorher klar definierte Belohnung warten und nach dem Erreichen des großen Ziels dann eine entsprechend größere Belohnung. Übrigens sollen Eltern ihre Kinder auch darauf trainieren können, später weniger zu prokrastinieren. Wenn Kinder lernen, dass es eine Belohnung erst nach einer unliebsamen Aufgabe gibt, erhöhe das die Frustrationstoleranz.

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