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„Plötzlich trifft einen der Schlag“Sehr viele Schlaganfälle wären sehr leicht vermeidbar

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.Zwei Hände halten das Modell eines Kopfes, in dem ein dunkelroter Kreis zu sehen ist

Aus dem Nichts verändert ein Schlaganfall das Leben. In der Regel ist er leicht vermeidbar. (Symbolbild)

Helmut Schmidt wurde trotz intensiven Rauchens 96 Jahre alt. Dr. Magnus Heier erklärt, warum das nichts über Schlaganfall-Risiken aussagt.

Natürlich gab es den kettenrauchenden Ex-Bundeskanzler: Helmut Schmidt wurde 96 Jahre alt – und er war im höchsten Alter noch überaus scharfsinnig und erinnerungsstark. Natürlich gab es den Zigarren rauchenden britischen Ex-Premier: Winston Churchill wurde immerhin 90 (sein angebliches „no sports“ hat er vermutlich nie gesagt, er war zumindest in seiner Jugend ausgesprochen sportlich). Und natürlich gibt es umgekehrt junge, gesund und sportlich lebende Menschen, die sehr früh einen Schlaganfall bekommen.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

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Aber in fast allen Fällen ist es umgekehrt, die Statistik lügt nicht: Der Schlaganfall, diese tückische, schmerzfreie und wie ein Blitz kommende Krankheit, hängt zum allergrößten Teil von wenigen Risikofaktoren ab. Und die allermeisten davon lassen sich beeinflussen. Das größte Risiko ist ein hoher Blutdruck – je höher, desto riskanter. Aber: Er lässt sich behandeln, durch Gewichtsreduktion, aber auch durch Tabletten.

Der zweite, fast so entscheidende Faktor: mangelnde körperliche Bewegung. Das ist bemerkenswert, denn es geht nicht darum, durch Bewegung Gewicht zu verlieren. Es geht um die Bewegung selbst. Auch dickere Menschen können offenbar vorbeugen, wenn sie Sport treiben oder sich mäßig, aber regelmäßig bewegen. Auto, Sofa und Aufzug sind in Kombination lebensgefährlich.

Rauchen, Alkohol, Fettleibigkeit: Risiko eines Schlaganfalls lässt sich drastisch drücken

Die nächsten Risiken (jetzt nicht mehr nach Relevanz geordnet): Fettleibigkeit. Wichtig und leicht messbar ist das Verhältnis von Taille zur Hüfte. Je höher dieser Quotient, desto riskanter (auf der Höhe der Taille verbirgt sich das riskante Bauchfett). Dazu kommen: Rauchen, Alkohol, Diabetes. All diese Faktoren lassen sich beeinflussen beziehungsweise behandeln. So lässt sich die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls drastisch drücken. Man müsste sagen: So ließe sich das Risiko drücken – denn es scheint, dass etwa das Rauchen wieder populärer wird, vor allem unter jungen Leuten. Damit ist nicht das „Vapen“ gemeint, das Verdampfen, sondern das klassische Verbrennen von Tabak.

Und dann trifft einen irgendwann plötzlich der Schlag. Nun ist entscheidend, den Schlaganfall auch zu erkennen: Er tut nicht weh, was viele Betroffene und deren Angehörige dazu verführt, erst einmal abzuwarten. Was tödlich sein kann. „Time is brain“ – Zeit ist Gehirn, der klassische Leitsatz der Neurologen gilt heute mehr als früher. Man kann mittlerweile, vor allem bei schweren Schlaganfällen, etwa das Blutgerinnsel direkt mit einem Katheter unter Röntgenkontrolle aus dem Hirngefäß herausholen. Aber das Zeitfenster ist klein und schließt sich schnell: Wer eine Nacht darüber schläft, hat am nächsten Morgen fast keine Chance mehr, den Schlaganfall ohne erhebliche Behinderungen zu überstehen. Vorbeugung wäre noch besser!

Dass Schmidt und Churchill als Kettenraucher uralt wurden, ist leider kein Argument. Mit ihrem Glück und ihren guten Genen hätten sie älter werden können: Schmidt wäre heute 105 und würde vermutlich noch immer im Fernsehen bei Sandra Maischberger die Weltpolitik erklären.