Alltag umstellenBurn-out im Job – was kann Betroffenen helfen?

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Erschöpfte Frau am PC

Manche stecken Stress recht locker weg, andere bekommen ein Burn-out. Was davor schützt, lässt sich trainieren. Manchmal braucht man aber einfach professionelle Hilfe.

Bei einem Burn-out merken Betroffene meistens gar nicht, wie sie ihre Belastungsgrenze überschreiten. Denn was vielen nicht klar ist: Dass sie eine Belastungsgrenze haben. Und dass Körper und Seele leiden, wenn man sie ignoriert. So ging es Andreas Schwarzer (Name geändert). Er hat 30 Jahre in einer Branche gearbeitet, ein Abendstudium gemacht, sich in seinem Betrieb bis ins Management hochgearbeitet. Dann, vor sechs Jahren, ist der heute 51-Jährige „komplett umgefallen“: „Ich habe drei oder vier Wochen nur noch im Bett gelegen, kein Licht und keine Geräusche ertragen.“ Aus damaliger Sicht kam das für ihn plötzlich. Die Warnsignale hat er nicht erkannt. Mit Strategien, die dem Ausbrennen entgegenwirken, hatte er sich nicht befasst.

Burn-out ist keine eigene Erkrankung, sondern ein Risikozustand, sagt Iris Hauth. Sie ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Der kann zum Beispiel zu Depressionen oder Angststörungen führen.“ Wer einen sehr hohen Anspruch an sich selbst hat und sich stark über seinen Job und den beruflichen Erfolg definiert, ist besonders gefährdet.

Dass die einen ein Burn-out bekommen und die anderen, deren Leben ähnlich getaktet ist, nicht, hängt aber auch von biologischen Faktoren ab, wie Hauth erklärt. Außerdem sind psychische und soziale Faktoren ausschlaggebend. Die lassen sich trainieren: Es geht vor allem darum, um die Selbstwirksamkeit zu wissen und nicht problem-, sondern lösungsorientiert zu denken, erklärt Hauth. Außerdem spielt es eine Rolle, ob man fähig ist, sich Hilfe zu holen. Und: Man braucht einen Ausgleich zum Stress.

Ausgleich ist in diesem Fall wie ein Gegengewicht zu verstehen: Hat man Stress auf der Arbeit, sollte man in seiner Freizeit das Gegenteil von dem tun, was man bei der Arbeit macht, rät Coach Norbert Hüge. Er ist Bundesvorsitzender des Deutschen Bundesverbands für Burn-out-Prophylaxe und Prävention. „Ein Bauarbeiter darf ruhig auf die Couch. Wer den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, braucht Bewegung.“

Natürlich ist es wichtig, etwas zu finden, was Spaß macht. Das ist nicht einfach – schließlich ist es typisch, dass man sich selbst aus dem Blick verliert, wenn man auf ein Burn-out zusteuert. Der Gedanke „Wenn ich in Rente gehe, dann ...“ sei ein guter Anhaltspunkt, um etwas zu finden, was Spaß macht, sagt Hüge. Wichtig ist es, solche Wünsche direkt umzusetzen, um den Ausgleich zur Arbeitswelt zu schaffen.

Licht, Natur, menschliche Nähe, Ruhe und viel Schlaf helfen

Auch Schwarzer hat gelernt herauszufinden, was ihm Spaß macht. Kraftquellen nennt er das. Um die zu finden, sollte man sich fragen: „Was hat mir in der Jugend Spaß gemacht? Mit welchen Menschen hatte ich früher Spaß?“, schlägt Schwarzer vor. Er empfiehlt: Sonne, Licht, Natur, menschliche Nähe, Ruhe und viel Schlaf. Er leitet inzwischen eine Burn-out-Selbsthilfegruppe in Berlin und hat ein Buch zum Thema veröffentlicht.

Ausgleich zu schaffen, macht auch noch Sinn, wenn es schon Alarmsignale für ein Burn-out gibt, erklärt Hauth. Man sollte aktiv werden, wenn man ständig erschöpft ist und das Wochenende zur Erholung nicht ausreicht. Auch sich nur noch auf die Arbeit zu konzentrieren und Familie, Freunde und sich selbst zu vernachlässigen, sind typische Symptome. Wenn diese Symptome länger als zwei Wochen bestehen, können Betroffene davon ausgehen, dass es sich nicht nur um eine „schlechte Phase“ handelt, sagt Hauth.

Warnzeichen ernst nehmen und Plan zum Ausruhen machen

Bei Schwarzer war es viel länger. Und viel schlimmer. Eineinhalb Jahre vor seinem kompletten Zusammenbrauch hatte er starke Verspannungen und sogar eine Kieferklemme – er aß nur noch Suppe mit dem Strohhalm. Hinter all dem hatte er körperliche Ursachen vermutet. Organisch konnten die Ärzte aber nichts feststellen. „Dass es Dinge gibt, die ich nicht bewältigen kann, das zu lernen, war eine lange Reise.“ Geholfen hat ihm ein Klinikaufenthalt, eine Therapie, viel über sein Problem zu lesen und der Austausch in der Selbsthilfegruppe, die er selbst gegründet hat.

Damit es nicht so weit kommt, empfiehlt Hauth, bei entsprechenden Warnzeichen zu analysieren, wo die Stressfaktoren liegen. Im nächsten Schritt stellt man sich einen Plan zum Ausruhen auf. „Das ist nicht als Stundenplan zum Abarbeiten gedacht. Eher als dauerhafte Erinnerung an eine neue Struktur.“ Dort sollte man Entspannung, Sport und Muße planen.

Wer das durchzieht, kann sein Leben umstrukturieren. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und kann sich innerhalb von drei bis vier Wochen neue Gewohnheiten antrainieren“, erklärt Hüge. Ein Spaziergang am Morgen, Sit-ups vor der Arbeit oder regelmäßig Laufen gehen. „Wer Sport treibt, ist platt, aber glücklich, statt niedergeschlagen und ausgelaugt.“ Aber Vorsicht: Bloß nicht die Werte aus dem Arbeitsleben auf den Sport übertragen, warnt Hüge. „Es müssen nicht zehn Kilometer in einer bestimmten Zeit sein.“

So ein Veränderungsprozess dauert laut Hauth einige Wochen. Wer dann merkt, dass er die neu geplante Tages- und Wochenstruktur nicht einhält, nach wie vor Schlafstörungen hat oder der Druck sich nicht verändert, sollte sich professionelle Hilfe holen. Und natürlich ist das ein Langzeitprojekt. „Man sollte das Ganze eben nicht sehen wie eine Vier-Wochen-Kur und dann weitermachen wie vorher.“

Mit der Änderung des eigenen Lebens muss nicht zwangsläufig die Kündigung einhergehen. Aber der Arbeitsplatz sollte analysiert werden und man sollte mit seinem Vorgesetzten und dem Betriebsarzt über Möglichkeiten der Entlastung sprechen – am alten Arbeitsplatz oder durch einen Wechsel innerhalb der Firma.

Schwarzer ist zunächst in seine alte Firma zurückgekehrt, nach einen Jahr hat er aber gemerkt: Das ist es nicht. Zunächst arbeitete er halbtags in einer Fahrradwerkstatt, jetzt engagiert er sich im Dachverband der Berliner Selbsthilfe SEKIS. Er meint: „Egal, ob man in seinem Job bleibt oder nicht, hinterher ist man nicht mehr der Alte. Dem Alten ist es ja passiert.“ (dpa)

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