Aussage gegen AussageZählt die Aussage eines Polizisten vor Gericht mehr?

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  • In unserer neuen Serie „Recht und Ordnung“ wollen wir uns mit juristischen Themen aller Art befassen - und vor allem Ihnen mehr Durchblick im Paragrafen-Dschungel verschaffen.
  • Dafür haben wir eine Staatsanwältin, einen Rechtsanwalt und eine Jura-Professorin gewinnen können. Ihre Kolumnen können und wollen keine Rechtsberatung sein und im konkreten Fall den Gang zu einem Anwalt ersetzen.
  • In unserem dritten Fall geht es um die Frage, ob Polizisten vor Gericht einen Glaubwürdigkeits-Bonus haben.

Auch unter Polizisten gibt es nicht nur korrekte Menschen. Habe ich vor Gericht überhaupt eine Chance, wenn ein Polizist anders aussagt als ich – also Aussage gegen Aussage steht?

Polizeibeamte genießen in der Bevölkerung großes Vertrauen, und das meiner Ansicht nach völlig zu Recht – angesichts der hervorragenden Arbeit, die die weit überwiegende Mehrheit der Beamten jeden Tag trotz der vielfältigen Belastungen leistet. Die Bürger müssen und dürfen sich im Alltag darauf verlassen, dass Polizeibeamte ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllen. Inkorrektes Verhalten ist die absolute Ausnahme. Das gilt natürlich auch dann, wenn Polizisten vor Gericht als Zeugen aussagen. Im Strafprozess gibt es jedoch keinen Grundsatz, der besagt, dass den Aussagen von Polizeibeamten stets mehr Glauben zu schenken ist als den Aussagen anderer Zeugen.

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Staatsanwältin Laura Hollmann

Polizeibeamte sind zwar besonders geschult und geübt darin, ihre Wahrnehmungen vor Gericht wahrheitsgetreu wiederzugeben. Aber auch sie können sich einmal irren. Aufgabe des Gerichts bei der Urteilsfindung und auch der Staatsanwaltschaft vor dem Plädoyer und der Antragstellung ist die umfassende Würdigung aller im Rahmen der Hauptverhandlung eingeführten Beweise. Hierzu gehört vor allem die Überprüfung jeder Zeugenaussage auf ihren Wahrheits- und Glaubhaftigkeitsgehalt.

Diverse Fehlerquellen

Die Würdigung von Zeugenaussagen bringt für sich genommen bereits einige Schwierigkeiten mit sich: Im Gegensatz zu anderen, objektiven Beweismitteln wie Videoaufzeichnungen oder Gutachten zu DNA-Spuren, denen ein besonders hoher Beweiswert zugebilligt wird, da sie eher vor Verfälschungen geschützt sind, können Zeugenaussagen diverse Fehlerquellen enthalten, auch ohne dass der Zeuge bewusst falsche Angaben macht. So ist es verständlich, dass man sich nach Ablauf von einigen Monaten oder sogar Jahren nicht mehr an jedes Detail einer Tat erinnern kann und es zu Erinnerungslücken oder zu verzerrten Erinnerungen kommt. Zudem muss stets überprüft werden, ob der Zeuge Angaben über seine eigene Wahrnehmung macht oder seine Schlussfolgerung schildert – hat er den Autounfall selbst gesehen oder nur einen Knall gehört und daraus Rückschlüsse gezogen?  

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Es gibt in der Aussagepsychologie Methoden, die eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit einer Aussage ermöglichen. So kann es zum Beispiel darauf ankommen, wie detailreich die Aussage ist, ob Gefühle nachvollziehbar geschildert werden, inwieweit Widersprüche zu früheren Aussagen im Ermittlungsverfahren bestehen oder ob der Zeuge eine Belastungstendenz aufweist.

Gericht prüft die Glaubwürdigkeit aller Zeugen nach gleichen Maßstäben

Bei einer „Aussage-gegen-Aussage-Situation“ hat das Gericht dementsprechend die Glaubhaftigkeit beider Aussagen entsprechend der vorgenannten Kriterien zu überprüfen und kann auch ohne weitere Beweismittel zu einer Verurteilung kommen. Opfer von Straftaten sollten daher nie Hemmungen haben, Strafanzeige zu erstatten, nur weil sie meinen, dass es keine weiteren, ihre Aussage untermauernden Beweismittel gibt.

Ein Urteil allein deswegen auf die Aussage eines Polizeibeamten zu stützen, eben weil dieser Polizeibeamter  ist, würde also den Anforderungen an die Beweiswürdigung und den sich hieraus ergebenden Überprüfungspflichten eines Richters nicht gerecht. Man sollte sich daher in einem Strafprozess nicht davon entmutigen oder gar beeinflussen lassen, dass die eigene Aussage möglicherweise der eines Polizeibeamten widersprechen könnte. Alle Zeugen sind vor Gericht zur Wahrheit verpflichtet. Wem am Ende zu glauben ist, muss das Gericht entscheiden. Und selbst das kann sich mit seinem Urteil – was sich zum Beispiel bei der Aufhebung durch eine höhere Instanz zeigt – auch irren.

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