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Cash vom Konzern?Warum Dividenden keine echte Gewinnquelle sind

Lesezeit 5 Minuten
Wer in diesem Jahr Dividendenaktien hält, kann sich freuen: Börsennotierte Unternehmen in Deutschland schütten viele Gewinne aus. Aber Achtung: Die Erträge müssen versteuert werden.

Wer in diesem Jahr Dividendenaktien hält, kann sich freuen: Börsennotierte Unternehmen in Deutschland schütten viele Gewinne aus. Aber Achtung: Die Erträge müssen versteuert werden. 

Dividenden gelten oft als passives Einkommen, sind aber lediglich eine Umverteilung, die den Unternehmenswert nicht erhöht.

Allianz schüttet sie aus, die Deutsche Telekom und Porsche ebenfalls: Dividenden. Anleger sind mit ihrem Kapital Miteigentümer eines Unternehmens – und die Dividende ist somit ein Stück des Gewinnkuchens. Für manche Privatanleger gelten sogenannte Dividendenaktien als der Goldstandard der Geldanlage. Die Vorstellung klingt ja auch verlockend: Jahr für Jahr fließt Geld aufs Konto, ohne dass man etwas verkaufen muss. Für manche klingt das wie passives Einkommen.

Doch Experten mahnen zur Vorsicht und warnen vor einem verbreiteten Irrtum: „Eine Dividende ist buchstäblich ein Wechsel von der linken in die rechte Tasche“, erklärt Verhaltensökonom Martin Weber. Wenn ein Unternehmen Dividende ausschütte, falle der Aktienkurs im selben Moment um genau diesen Betrag.

Also angenommen ein Konzern hat einen Wert von 100 Euro und erzielt Gewinn von 10 Euro, liegt der neue Wert bei 110 Euro. Wird die Dividende ausgeschüttet, sinkt der Unternehmenswert wieder auf 100 Euro – die Aktionäre halten nun 100 Euro in Aktien und 10 Euro in bar. Das Gesamtvermögen des Anlegers verändert sich also nicht, der Unternehmensgewinn wird lediglich umverteilt.

Umverteilung statt Gewinn

Der regelmäßige Geldfluss fühlt sich demnach lediglich wie ein extra Einkommen an, ist es aber gar nicht. „Viele freuen sich über regelmäßige Auszahlungen, weil sie das Gefühl haben, Geld zu verdienen, ohne etwas verkaufen zu müssen.“ Weber zufolge sei diese Strategie erwiesenermaßen falsch.

Trotzdem sind Dividenden beliebt. Eine treue Fangemeinde hat sich rund um die sogenannte Dividenden-Aristokratie gebildet, eine Strategie, bei der Anleger auf Unternehmen setzen, die seit Jahrzehnten ununterbrochen Dividenden ausschütten oder diese sogar regelmäßig erhöhen. Doch auch das sieht Weber kritisch, weil sich empirisch nicht nachweisen lasse, dass Dividendenaktien eine bessere Rendite erzielen als solche ohne Ausschüttungen.

Ökonomisch sinnvoller sei es, auf Fonds zu setzen, die Dividenden automatisch reinvestieren. „Das erhöht den Zinseszinseffekt und damit die Rendite“, betont Weber. Ein Beispiel unterstreicht den Effekt von Reinvestitionen: Der normale DAX, der Dividenden nicht mit einrechnet, würde laut dem Experten bei rund 8900 Punkten stehen. Der sogenannte Performance-DAX, der Dividenden berücksichtigt, liegt hingegen bei etwa 23.500 Punkten. „Der Unterschied entsteht allein durch den Zinseszinseffekt“, so Weber.

Auch Christian W. Röhl, Chefökonom beim Neobroker Scalable Capital, warnt vor Missverständnissen. Viele Anleger achteten nur auf die Dividendenrendite – also das Verhältnis zwischen Dividende und Aktienkurs. Doch das könne trügen: „Eine hohe Dividendenrendite ist kein Qualitätsmerkmal, sondern oft ein Warnsignal.“

Warum? Sinkt der Aktienkurs stark, steigt die rechnerische Dividendenrendite – selbst wenn das Unternehmen wirtschaftlich schwächelt. Gerade bei zyklischen Unternehmen wie in der Autoindustrie könne eine vermeintlich attraktive Dividende schnell wieder wegbrechen: „Dividenden sind vielfach noch schwieriger abzuschätzen als Unternehmensgewinne, schließlich wird die Dividendenzahlung auch von strategischen Themen beeinflusst“, so der Experte.

Stattdessen rät er, auf die Substanz zu achten. Seriöse Dividendenzahler zeichneten sich dadurch aus, dass ihre Ausschüttung durch Gewinn und freien Cashflow gedeckt sei – und nach der Ausschüttung noch genug Kapital für Investitionen bleibe. Eine über Jahre stabile Dividendenbilanz sei ein guter Indikator, wenn auch keine Garantie.

Entscheidend für eine Ausschüttung ist oft die Unternehmensphase. Unternehmen, die stark wachsen, zahlen oft keine Dividende aus, denn das Geld wird häufig für die Expansion gebraucht. Prominentes Beispiel: Apple, das lange Zeit keine Dividenden ausgeschüttet habe – heute mittlerweile schon. Während Wachstumsunternehmen ihre Gewinne also lieber reinvestieren, zahlen etablierte Konzerne wie die Allianz regelmäßig Dividenden.

Die Entscheidung über Dividende könne Röhl zufolge ebenso politisch getrieben sein: Ein Unternehmen, das Stellen abbaut, während es gleichzeitig Dividenden ausschüttet, bringt sich schnell in Erklärungsnöte. „Auch Staatshilfen können ein Grund sein, warum ein Unternehmen trotz guter Ertragslage und vorhandenem Bilanzgewinn keine Dividende zahlt.“

Generell könne man davon ausgehen, dass Unternehmen, die Dividenden zahlen, bereits „erwachsen“ geworden seien – und durchaus selbstbewusst hinsichtlich ihrer Zukunftsaussichten. „Vor allem in den USA ist die Aufnahme einer Dividendenzahlung ein implizites Bekenntnis zu dem Ziel, die Ausschüttung hernach sukzessive zu steigern.“

Wann und wie wird das Geld ausgeschüttet?

Bevor es zu einer Ausschüttung kommt, schlagen zunächst Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens eine Dividende vor – auf Basis des Jahresabschlusses. Die Hauptversammlung entscheidet dann darüber. Diese findet in Deutschland in der Regel im Frühjahr statt. Kurz darauf landet das Geld auf dem Konto der Aktionäre – abzüglich der Kapitalertragsteuer.

Für Röhl ist klar: Dividenden sind ein Instrument, aber kein Wundermittel. Sie bieten Souveränität – der Anleger kann selbst entscheiden, ob er das Geld konsumieren oder reinvestieren will. Ökonomisch lohnender sei es, sagt auch Röhl, die Ausschüttungen wieder anzulegen. „Dann kann der Zinseszinseffekt seine volle Wirkung entfalten.“ Einen Maluspunkt gibt es dabei aber zu beachten: „Diese Reinvestition ist in Deutschland nur möglich, nachdem die Dividenden zunächst versteuert wurden.“

Könnte man von Dividenden leben?

Wie viel Kapital braucht man eigentlich, um von Dividenden leben zu können? Eine Modellrechnung zeigt: Wer netto 1.000 Euro im Monat aus Dividenden ziehen will, benötigt bei einer typischen Rendite von 3,5 Prozent rund 465.000 Euro Vermögen. Wer kontinuierlich investiert, könne ein Portfolio dieser Größenordnung aufbauen.

Angenommen man hat einen Sparplan mit 350 Euro pro Monat und eine Rendite von 7,5 Prozent pro Jahr, komme laut Röhl nach 30 Jahren auf rund 452.000 Euro. Daraus „kann dann über Dividenden oder ‚manuelle‘ Entnahmen ein Einkommen generiert werden“. Röhl gibt aber zu bedenken: „Reich wird man nicht durch Dividenden, sondern durch den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen, deren Aktien man hält.“

Fazit: Die Faszination Dividende ist groß – aber wer sein Depot rational strukturieren möchte, sollte wissen: Eine Ausschüttung ist kein Geschenk, sondern Teil einer Nullsummenrechnung. Wer Dividenden bekommt, hat sie vorher mitgekauft. Langfristiges Denken ist entscheidend – und eine gute Streuung. Wer breit streut und diszipliniert investiert, kann mit der Zeit ein beachtliches Vermögen aufbauen. Dividenden sind dann ein angenehmer Nebeneffekt – aber kein Selbstzweck.