BeziehungskillerWoran Sie merken, dass Ihre Partnerschaft am Ende ist

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Auch Streiten will gelernt sein. 

Köln/Hamburg – In den meisten Beziehungen sind nicht etwa grobe Gegensätze oder Untreue der Grund für ihr Scheitern, sondern eine schlechte Kommunikation, genauer gesagt: der Umgang mit Kritik. Der amerikanische Psychotherapeut John Gottman entdeckte darin, wie Paare miteinander streiten, vier wiederkehrende Muster, die er die apokalyptischen Reiter nannte. Diese Beziehungskiller waren sogar messbar. Gottman konnte, nachdem er ein Paar fünfzehn Minuten streiten ließ, zu 83 Prozent vorhersagen, ob es zusammenbleiben wird oder nicht. Der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann erklärt, hinter welcher Art des Umgangs sich dieses Beziehungsgift versteckt. Und welches Gegengift es gibt. 

Warum ist gerade in der Liebe Kommunikation so wichtig?

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Der Hamburger Paarberater Eric Hegman.

„Wenn wir uns angegriffen fühlen, zu Unrecht beschuldigt oder in die Ecke gedrängt, werden wir von unseren Emotionen so überflutet, dass wir instinktiv mit Angriff oder Flucht reagieren“, sagt Eric Hegmann. Diesen Zustand zu vermeiden und mit ihm umzugehen, sei deshalb die Aufgabe guter Kommunikation. Dabei gehe es nicht nur darum, was gesagt wird, sondern auch wie und wie es ankommt. „Verbindet ein Partner mit Themen, Situationen oder Verhaltensweisen schmerzhafte Erinnerungen, wird der emotionale Ausnahmezustand schnell getriggert."

Was durchaus sinnvoll sein kann. Denn Gefühle teilen uns mit, ob das, was wir hören, sehen, spüren, eventuell bedrohlich ist. Dadurch können wir uns auf die vermeintliche Gefahr vorbereiten. „Dieses evolutionäre Programm verhindert Schaden, weil wir so fix reagieren, dass wir gar nicht nachdenken müssen“, sagt Hegmann. In einem partnerschaftlichen Konflikt funktioniere das System genauso – „Dann wird aus dem geliebten Menschen kurzzeitig ein Feind, der bekämpft werden muss und die Auseinandersetzung wird fies, weil sie nicht vom Verstand geführt wird, sondern von unserem Angriffs- und Verteidigungssystem."

Was ist gute, was schlechte Verständigung in Beziehungen?

„Das ist individuell sehr unterschiedlich", sagt Hegmann. Eine Person, die gelernt hat, Konflikte anzusprechen und zu bewältigen, habe häufig auch mit einer forschen Wortwahl weniger Probleme. Wer hingegeben erfahren habe, dass Harmonie das Wichtigste in einer Beziehung ist und jeder Konflikt sie beschädigen könnte, reagiere auch auf die Frage: Können wir mal reden? mit Rückzug oder Flucht. „Gute Kommunikation ist eine ausgewogene Dynamik, die den persönlichen Trigger-Punkten Rechnung trägt und erst an zweiter Stelle die Ich-Kommunikation, die eigene Wahrnehmung beschreibt und nicht das Gegenüber angreift", sagt Hegmann.

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Wofür stehen die vier apokalyptischen Reiter?

Der erste, von John Gottman als apokalyptischer Reiter der Paarkommunikation bezeichnete Beziehungskiller ist der Angriff. 

Immer lässt du alles mich machen. Glaubst du, ich bin dein Diener?

„Eine Aussage, wie diese provoziert den Angriff-Flucht-Impuls. Wie ein Gespräch beginnt, so endet es meist auch“, sagt Hegmann. Da niemand gerne Kritik hört, gerade nicht vom Partner, braucht es laut Hegmann neben einem sanften Einstieg, wie: „Ich mag nicht, wenn alle Hausarbeit an mir hängen bleibt, würdest Du mich bitte unterstützen“, vor allem die Gewissheit: Wir lieben uns auch im Konflikt.

Beziehungsgift, also apokalyptischer Reiter, Nummer zwei folgt auf dem Fuß, nämlich die Verteidigung. 

Ich habe im Büro so viel zu tun, dass du mir zuhause den Rücken freihalten könntest.

Hegmann: „Der oder die Kritisierte geht in die Verteidigung, signalisiert damit unbeabsichtigt auch: Dein Anliegen ist weniger wichtig, oder: Das stimmt nicht, was du sagst! An dieser Stelle bewerfen sich die Partner oft mit neuen Argumenten und zweifeln dann, ob der oder die andere überhaupt passt, wenn man einander doch so gar nicht versteht.“

Da mit der Verteidigung der Konflikt nicht gelöst wurde, stattdessen auf der Beziehungsebene argumentiert wird, kippt der Streit ins Persönliche und provoziert eine Abwertung oder Verachtung, gerne untermalt von Gesten (Abwinken) oder Mimik (Augenrollen, Auslachen).

Du bist selbstsüchtig, denkst immer nur an Dich und das, was dich interessiert!

„Wenn ausreichend Argumente ausgetauscht wurden und die Partner sich aneinander abgearbeitet haben, wird aus der Erschöpfung dann in die Abwertung gegangen. Letztlich ein Hilferuf und Zeichen von Verzweiflung, aber eben der Moment, in dem Dinge gesagt werden, die lange nachhallen“, sagt Hegmann.

Dann machen die Partner dicht und sind nicht mehr erreichbar: Die Stufe des Mauerns oder Rückzugs ist erreicht.

Es reicht. Ich verlasse sofort das Haus. (Oder: Schweigen)

Hegmann: „Dabei sollte man bedenken: Niemand kann nicht kommunizieren. Es ist also sinnvoll zu prüfen, warum sich jemand zurückzieht, schweigt, wegschaut, nicht reagiert. Oft geschieht das nämlich aus Angst, mit jedem Wort alles Schlimmer zu machen.“ Das Problem bleibt ungelöst, die Kritik unerwidert oder es folgt eine Machtdemonstration. Ein Partner versucht, sich mit einem Totschlagargument durchzusetzen: „Solange ich das meiste Geld nach Hause bringe, bestimme ich, wie viel ich im Haushalt helfe.

Warum geraten Paare so schnell in die Abwärtsspirale des Streits?

„Viele Paare glauben, sie müssten einen konstruktiven Konflikt auf der Sachebene lösen. Dabei spielt bei jedem Paarkonflikt die Gefühlsebene die größte Rolle. Es geht nie um die Socken, die rumfliegen, sondern darum, was es mit einem macht, wenn man sie immer hinterherräumen muss“, sagt Hegmann. Wer an dieser Stelle versuche, mit Argumenten zu punkten, rede aneinander vorbei. Und das sei letztlich das, was den Streit eskalieren lässt. Hegmann: „Da es bei Paarkonflikten in erster Linie um die Gefühlsebene geht, müssen die Partner genau diese ansprechen.“

8 Sätze, die Gift sind und wie es besser geht - Tipps von Eric Hegmann

1. Du hilfst mir nie im Haushalt! (Ich fühle mich alleingelassen mit all den Dingen, die hier anfallen)

2. Und Du denkst wohl, ich sitze den ganzen Tag faul rum? (Ich habe den Eindruck, dass du nicht wahrnimmst, wie viel Arbeit ich erledige)

3. Wir müssen reden! (Ich habe Einiges auf dem Herzen, hast Du Zeit für mich?)

4. Warum regst Du Dich eigentlich so auf? Ist doch alles halb so wild! (Ich verstehe, dass du dich gerade sehr ärgerst. Was kann ich tun?)

5. Du bist wie Deine Mutter! (Ich erlebe dich manchmal wie eine ganz andere Person)

6. Du bist mir gegenüber so unaufmerksam! (Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir das Gefühl geben könntest, für dich jemand Besonderes zu sein)

7. Nie sprichst Du über Deine Gefühle (Ich vermisse den emotionalen Austausch mit dir und möchte dir näher sein)

8. Du liebst mich wohl nicht mehr, wenn ich dir wirklich wichtig wäre, würdest du ... ! (Mir macht das Gefühl Angst, dass du mich nicht mehr liebst, wenn wir so streiten. Oder: Ich würde mich von dir geliebt fühlen, wenn ...)

Wie können Partner die Gefühlsebene einbeziehen?

„Was wahrscheinlich jede und jeder weiß", sagt Hegmann, „Ich-Offenbarungen sind besser als Du-Vorwürfe". Besser sei also zu sagen: Ich fühle mich nicht respektiert, wenn du seine Socken rumliegen lässt, als zu motzen: Du bist schlampig, wenn du das tust. Das wird laut Hegmann aber meist nicht umgesetzt, weil es in diesen Momenten der Erregung, wenn der Angriffs- oder Flucht-Modus aktiviert ist, biologisch gar nicht funktionieren kann.

Erfolgreiche Paare dagegen sind in ihrem Alltagsumgang achtsam, hören einander zu und gehen auf Gesprächsaufforderungen ein, stärken damit ihre Verbindung und reduzierten Unsicherheiten und Trigger. Sätze wie: „Bitte lass uns so streiten, dass ich spüre, dass wir uns lieben“ könnten laut Hegmann eine Empathie-Brücke schaffen und damit auch die apokalyptischen Reiter verhindern. „Einander zugewandtes Miteinander ist die Zauberformel."

Wie geht einander zugewandtes Miteinander?

„Ein Paar geht spazieren, ihr ist kalt. Er bemerkt sofort, dass sie friert und schlägt vor, ins nächste Café zu gehen und sie zu einem heißen Getränk einzuladen. Das ist zugewandte Kommunikation: aufmerksam, kreativ und fürsorglich“, sagt Hegmann. Neutrale Kommunikation dagegen wäre, wenn sie gleichgültig sagt: Mir ist kalt und er antwortet: Ja, ziemlich frisch heute. Würde er sagen: Warum hast du dir nicht etwas Wärmeres angezogen, du bist wie ein Kleinkind, auf das ich aufpassen muss, wäre das ein Beispiel für abwertende, abgewandte Kommunikation.

„Zugewandte Kommunikation ist Bestätigung und Teilen von Emotionen", sagt Hegmann. Das sichere die Verbindung, „denn es entwickelt sich mehr Verständnis füreinander und Konflikte werden als weniger bedrohlich, vielleicht sogar als Chance für eine Veränderung zum Besseren erlebt." Neutrale Kommunikation dagegen bewege sich auf dem Niveau „Ja, nein, vielleicht, ach so …!" Und abgewandte Kommunikation schließlich klinge immer nach „Lass mich in Ruhe!" Genau das sei das, was dann den Konflikt eskalieren lässt, weil in diesem Moment die Beziehung und die Verbindung in Frage gestellt oder ganz unterbrochen wird.

Ab wann ist eine Beziehung nicht mehr zu retten?

„Gottman behauptet: Paare, die nicht aus der Dynamik der vier Reiter ausbrechen können, werden sich trennen. Weil die sich häufenden negativen Erfahrungen miteinander dazu führen, dass die Partner immer leichter getriggert werden und dadurch häufiger schmerzhafte Gespräche führen“, sagt Hegmann. Das führe zu noch mehr Wut, Ärger und Verzweiflung. Gut zu wissen: Es braucht fünf positive Kommunikationserfahrungen, um eine negative, schmerzhafte ausgleichen zu können. „Diese Formel ist das eigentliche Gegenmittel gegen das Beziehungsgift und nicht auswendig gelernte vermeintlich gute oder schlechte Sätze“, sagt Hegmann. Die seien zwar auch hilfreich, aber eben oft nichts weiter als aufgesagt.

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