Mona Neubaur warntAmpelkrach bringt grüne Industrie in NRW in Gefahr

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Düsseldorf: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen)

Düsseldorf: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen)

Das Aus des Klimafonds nach dem Karlsruher Haushaltsurteil kommt für die Wasserstoffpläne in Nordrhein-Westfalen zur Unzeit.

Die Industrie im Ruhrgebiet wird grün – oder sie stirbt. Das zumindest ist die eigene Prognose großer Grundstoffindustrien, allen voran Thyssenkrupp Stahl. Die fossilen Energieträger, zuerst Kohle, dann auch Erdgas, sollen durch grünen, klimaneutral erzeugten Wasserstoff (H2) ersetzt werden. Deshalb hat sich das Ruhrgebiet aufgemacht, Pilotregion für den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft zu werden. Doch genau das steht mit der Haushaltskrise der Bundesregierung nun wieder infrage. Davor warnt die grüne Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur – und fordert die Berliner Ampel auf, sich zusammenzureißen.

Neubaur nennt fünf Wasserstoff-Projekte, die zentral, aber noch nicht bewilligt sind, darunter die erste große H2-Leitung durch das nördliche Ruhrgebiet und eine H2-Großproduktion für die Stahlindustrie in Duisburg. Neubaur betonte, das Land könne die versprochenen Bundesmittel nicht ersetzen, wenn sie ausfielen. „Die Bundesregierung ist jetzt aufgefordert, so schnell wie möglich Klarheit über die weitere Finanzierung der klimaneutralen Transformation zu schaffen“, sagte sie unserer Redaktion. Die Unternehmen bräuchten einen verlässlichen Rahmen für ihre Investitionen in Zukunftstechnologien und eine klimaneutrale Produktion.

Ringen um alle zukünftigen Ausgaben

Das Urteil des Verfassungsgerichts zum Bundeshaushalt hat vor zwei Wochen als erstes den Klima- und Transformationsfonds gekippt. Ob und wie seine 60 Milliarden Euro für Aufbau einer klimaschonenden Wirtschaft ersetzt werden können, darüber streiten SPD, Grüne und FDP seit Verkündung des Urteils. Grundsätzlich wird aber nicht um dieses Geld, sondern alle künftigen Ausgaben gerungen. Auch der jüngste Gipfel bei Kanzler Olaf Scholz in der Nacht zum Mittwoch brachte dazu keine Einigung.

Es komme nun darauf an, „über Parteigrenzen hinweg gemeinsam Lösungen zu entwickeln“, fordert NRW-Ministerin Neubaur. Der Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft sei nicht nur wegen des Klimawandels wichtig, sondern auch für den Wirtschaftsstandort – „nur so verhindern wir eine De-Industrialisierung und sichern Arbeitsplätze“, sagte Neubaur unserer Zeitung. Das gelte „für die Stahlindustrie genauso wie für alle weiteren Industrien, insbesondere solche mit hohem Anteil fossiler Einsatzstoffe“.

Wie wichtig die nun wieder infrage stehenden Wasserstoff-Projekte für die Wirtschaft im Ruhrgebiet sind, zeigen allein schon ihre Initiatoren. Von RWE über Evonik, OGE und Thyssenkrupp bis hin zu Shell und BP sind alle großen Konzerne, die Energie produzieren, transportieren oder verbrauchen, an einem oder mehreren dieser Projekte beteiligt.

Für das Ruhrgebiet besonders wichtig ist das bundesweite Wasserstoff-Kernnetz GetH2. Der erste Abschnitt soll eine 130 Kilometer lange Leitung von Gelsenkirchen nach Lingen im Emsland werden. Diese „Nukleus“ getaufte Leitung soll Industriebetriebe in NRW und Niedersachsen mit grünem Wasserstoff versorgen. Produziert werden soll er in einem Elektrolyseur am RWE-Kraftwerksstandort in Lingen. Zu den Abnehmern gehören der Chemiepark in Marl von Evonik und die BP-Raffinerie in Gelsenkirchen.

Wasserstoffprojekt im Ruhrgebiet auf der Kippe

Der offizielle Baubeginn sollte 2024 sein – doch RWE hat auf eigenes Risiko in Lingen längst mit den Vorarbeiten begonnen und zwei Elektrolyseure mit Wasserstoff-Erzeugungskapazitäten von je 100 Megawatt (MW) bestellt, um den geplanten Starttermin Mitte 2025 einhalten zu können. Nach den Äußerungen der Ministerin steht das Projekt nun wieder infrage. Auf Anfrage wollten sich weder Evonik noch RWE dazu äußern. Der Essener Stromkonzern betonte aber, es sei „das am weitesten entwickelte Wasserstoff-Projekt mit RWE-Beteiligung“ zur Erzeugung von Wasserstoff in industriellem Maßstab.

„Green Motion Steel“ ist der Plan von Air Liquide für eine 120-MW-Anlage am Standort Duisburg. Sie soll grünen Wasserstoff in den Norden der Stadt an Thyssenkrupp liefern.

Die erste so genannte Direktreduktionsanlage, die ab 2026 Stahl mit Wasserstoff statt Kokskohle herstellen soll, wird dort mit zwei Milliarden Euro gefördert. Es ist eines der ganz wenigen Projekte, deren Finanzierung bereits zugesagt wurde und gesichert ist, auch die 1,3 Milliarden des Bundes. Doch laufen kann die Anlage nur, wenn auch genügend Wasserstoff im Duisburger Norden ankommt. Und klar ist außerdem: Die eine Anlage wird auch nicht reichen, um den Stahlstandort zu sichern.

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