Verschlossene Türen öffnen sich digitalVirtuelle Führung wird das Bonner Münster mit vielen Details erlebbar machen

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Ein Dollhouse ist das Eröffnungsbild zur „Reise“ in die virtuelle Welt des Bonner Münsters.

Ein Dollhouse ist das Eröffnungsbild zur âÄžReiseâÄœ in die virtuelle Welt des Bonner Münsters.

Auf einer virtuellen Tour durch das Münster öffneten sich für Interessierte verschlossene Türen oder Räume wie beispielsweise das Geläut, der Dachboden oder die fünf Türme der Basilika.

Einen Eindruck von dem, was künftig die Besucher des Bonner Münsters erwartet, die sich die dreidimensionale Version des Kirchenbaus auf Handy, Computer oder sogar mittels einer VR-Brille ansehen wollen, lässt sich bereits im Internet gewinnen. „Die Idee, das Münster im restaurierten Zustand für die Ewigkeit festzuhalten, wurde bereits während der Generalsanierung gefasst“, sagt Stefan Schultz, Sprecher des Stadtdekanats. Während sich der „normale Besucher“ des Münsters kaum länger als 15 bis 30 Minuten in der Kirche aufhalte, könne man sich in der 3D-Version „stundenlang“ mit nie zuvor in dieser Nähe zu sehenden Details befassen. Auf einer virtuellen Tour durch das Münster öffneten sich für Interessierte verschlossene Türen oder Räume wie beispielsweise das Geläut, der Dachboden oder die fünf Türme der Basilika.

Weit mehr als eine Million Objekte sind bis heute mit der 3D-Technologie (Matterport) aufgenommen und damit auch größtenteils weltweit im Internet präsent. Auch die Digitalisierung des Bonner Münsters basiert auf der Software, die Dejan Bileski und Jürgen Langen von der Bonner BD Media für ihre Arbeit einsetzen. Auf deren Webseite lassen sich Bauwerke, Museen und Räume jeglicher Art von Australien über Afrika bis hin in die USA kostenlos erkunden. „Alles fing beim Bonner Münster damit an, dass ich meiner schwer gehbehinderten 95-jährigen Mutter den Wunsch erfüllen wollte, noch einmal die Krypta des Münsters besuchen zu können“, sagt Jürgen Langen (63).

3D-Kamera an etwa 3500 Positionen des Bonner Münsters aufgestellt

Wenn das Projekt im Laufe des kommenden Jahres abgeschlossen sein wird, hat Dejan Bileski (50) seine 3D-Kamera an etwa 3500 Positionen des Münsters aufgestellt und mit jeweils sechs 60 Grad Kreisbewegungen sphärische 360 Grad Scans mit 135 Megabyte Einzelaufnahmen in einer Auflösung von 6000 mal 10.000 Pixeln aufgenommen. Seine Matterport-Kamera verbindet dabei 360-Grad-Fotografie mit Laser- und Infrarotmessungen. Die so gewonnenen Fotos und Daten werden mittels einer Software so verarbeitet, dass ein spannendes Raumerlebnis möglich wird. „Aus den so gewonnen Scans lassen sich auch millimetergenaue Abmessungen und Grundrisse auslesen und erstellen“, fügt Langen einen weiteren Mehrwert der 3D-Produktion hinzu, die vor allem bei historischen Bauten wertvoll ist, zu denen bisher solche Unterlagen fehlen.

„Die Auflösung kann dabei so hoch eingestellt sein“, so Bileski, „dass man den Pinselstrich eines Gemäldes erkennen kann.“ Was für die Betrachtenden eine in der Realität kaum erreichbare Nähe und Qualität bei der Beschäftigung mit den Kunstwerken bedeuten kann, könne bei den derzeitigen digitalen Möglichkeiten, täuschend echte Fälschungen anzufertigen, immer auch zu einem urheberrechtlichen Problem werden. So gebe es im Gegensatz zu den meisten von Bileskis weltweiten Auftraggebern in Deutschland immer wieder Vorbehalte gegenüber der virtuellen Realität. Da habe beispielsweise ein Schlossbesitzer die Sorge, dass sein ins Netz gestelltes Anwesen, zahlende Besucher von einer leibhaftigen Besichtigung abhalte, was jedoch nach Meinung von Bileski eher eine gegenteilige Wirkung erzeugt.

Auch Schultz erhofft sich für das Bonner Münster neben der kunsthistorisch bedeutsamen Dokumentation eines der wichtigsten Bauensembles der Romanik eine positive Auswirkung auf deren Besucherzahlen. Bileski rechnet sogar damit: „Das Projekt stellt ein lobenswertes Mittel für die Kirche dar, um sinnvolle Verbindungen zu Menschen aller Altersgruppen herzustellen und zu pflegen. Es bewahrt nicht nur die Tradition, sondern macht sich auch den Geist der Innovation zu eigen und sorgt dafür, dass die Kirche für ein vielfältiges Publikum zugänglich und ansprechend bleibt.“

Viele Hotels und Restaurants nutzen 3D-Technologie

Viele Auftraggeber von Bileski, der BD Media 2017 mit Unterstützung des Bonner Innovations- und Gründungszentrums (IGZ) als Startup an der Godesberger Allee bis zum heutigen Erfolg führte, nutzen die 3D-Technologien des aus Mazedonien stammenden Informatikers, um beispielsweise Kaufinteressenten ihre Immobilien vorzuführen. Auch viele Hotels und Restaurants nutzen sein Angebot. Ehrenamtlich haben Bileski und Langen für das Projekt E-Heritage unter anderem den Turm der Godesburg, Schloss Drachenburg oder auch das Haus von Nelson Mandela in Südafrika in 3D aufgenommen. Für den Verein Kunst und Kultur Bad Godesberg (KuKuG) stellte BD Media auch schon das Kurfürstenbad mit dem Mosaik von Paul Magar und die Stadthalle ins Internet. Als jüngste Projekte in Bonn sind der Bunker unter der Godesburg, die Redoute sowie das Kleine Theater zu sehen. „Wir würden auch gerne das Bonner Stadthaus aufnehmen, doch da war bisher die Oberbürgermeisterin dagegen“, sagt Langen. Was auch immer in 3D virtuell ins Netz gestellt wird, bleibt dort für immer erhalten.

Bevor das Bonner Münster voraussichtlich im Frühjahr 2024 online gehen wird, müssen noch das Innere des Glockenturms und die oberen Teile der Vierungstürme gescannt werden. Zuletzt wird der Kirchenbau noch mit einer Drohne umflogen, um das „Dollhouse“ genannte Startbild (Englisch: Puppenstube) für den 3D-Auftritt zu erstellen.

www.360go.de

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