Bewegtes Leben in den Brücken
Die 2000 Teekannen in den hohen Regalen im Loft von Elke Koska scheppern ständig. Denn Tag und Nacht donnern über das Dach ihrer Wohnung - die Deutzer Brücke - Autos und Straßenbahnen. Doch der permanente Lärmpegel bringt die Muse des Künstlers HA Schult nicht aus der Ruhe. Sie genießt ihr barock und bunt eingerichtetes Paradies auf 200 Quadratmetern mit Kuhsofa Charlotte und der alten Hundedame Asta, mit künstlichen Bäumen, Blumen und Rasen, hunderten Herzen und einem Büfett aus Esswaren-Attrappen, einem halben Straßenkreuzer und Mickey-Mouse-Stühlen am Esstisch mit Kakerlakenfüßen.
Ein vibrierendes Leben, ein bewegtes Wohnen direkt am Rhein. Elke Koska zog Mitte der 90er Jahre in das Widerlager der Brücke im Rechtsrheinischen und erfüllte sich damit einen Traum. Sie ist nicht die einzige, die Räume in Kölner Brücken nutzt. Der Boxclub und die Telekom, der Hochwasserschutz und Handwerker, Künstler und Kanuten haben sich in den hohen Hallen und langen Betonschluchten eingemietet. Hier mischt sich das Rumpeln der Bahnen und fahrenden Autos mit dem Tuten von Schiffen. Nur der Friedhof ist leise in der Großstadt, sagt Elke Koska lachend. Und sie kann dem Leben am Strom sehr romantische Seiten abgewinnen, mal abgesehen von der hohen Stromrechnung: Jeden Morgen gehe ich mit meinem Hund am Rhein entlang, die Atmosphäre erinnert mich hier an Venedig. Und die schönste Brücke von Innen ist die Zoobrücke. Die Stahlkonstruktion sieht aus wie ein quergelegter Eiffelturm.
Die Deutzer Katakomben nutzt nicht nur die Schrilles bevorzugende Muse, für die das Leben in der Brücke eine große Symbolkraft besitzt: Der Fluss ist ein Symbol für Freiheit und Verbindendes. Ein sportlicher Nachbar ist das KSK-Team Köln, Experten für Wildwasserrennsport, mit den Kanufreunden. Sie haben ebenfalls viel in den Innenausbau der Räume gesteckt, richteten Wasseranschluss und Strom, Küche und sanitäre Anlagen ein.
Sie haben sich auf das Leben mit dem Hochwasser eingestellt, bei 8,80 Metern heißt es Land unter. Dann werden die 150 Boote gut verstaut und die Hanteln im Fitnessraum nach ganz oben gestemmt. Nur im Büro auf der eingezogenen Empore bekommt man keine nassen Füße. Die 120 Mitglieder haben es nicht weit bis zum Fluss, auf dem sie täglich trainieren und bis zu 30 Stundenkilometer schnell am Bootshaus vorbeiziehen. Der Verein hat schon viele erfolgreiche Paddler hervorgebracht, für die Nationalmannschaft stellt das KSK-Team zwei Mitglieder, etliche Welt- und andere Meistertitel zieren die Erfolgsbilanz.
Wer sich einen Einblick vom Innenleben der Brücken verschaffen will, für den ist Kai-Heinz Hasse der richtige Ansprechpartner. Der Mitarbeiter im Amt für Brücken und Stadtbahnbau führt auf Anfrage Gruppen durch die Eingeweide der Kolosse über dem Rhein und kennt jedes Detail - von den in der Rampe der Deutzer Brücke gelagerten Hochwasserschutzelementen und Versorgungsleitungen bis zu den Übungsräumen von Musikern in der Zoobrückenrampe und der Schlosserwerkstatt in der Mülheimer Brücke. Auch der Karnevalsverein Müllemer Junge schätzt das Leben unter der Brücke, ganz nah an den Böötche. Ein Partyservice hat sich unter den Auffahrten eingemietet. Der Boxverein Aurora und die Jungen Alten sind Nachbarn in der Rampe der Hohenzollernbrücke. Und gerne nutzen Künstler große Hallen wie in der Deutzer Brücke mit ihrem Loftcharakter für Aktionen. Gruppenführungen sind unter Telefon 221-23 472 zu buchen.
