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Experiment70,4 Kilo am seidenen Faden

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Köln – Isabels Leben hängt am seidenen Faden. Wasser perlt von ihrem Neoprenanzug ab und tropft zurück ins grün-graue Schwimmbecken des Stadionbads Müngersdorf. Welkes Laub treibt neben der jungen Frau, die ganz vorsichtig nach oben gezogen wird. Die Umstehenden halten den Atem an. Jetzt wird sich entscheiden, ob sich die Arbeit der letzten Wochen gelohnt hat. Denn es handelt sich nicht um eine Rettungsaktion, sondern um ein Experiment mit Weltrekord-Charakter.

Angefangen hat alles mit einer Zuschauerfrage, die in der Redaktion der ARD-Wissenssendung „Kopfball“ landete: „Ist es möglich, einen erwachsenen Menschen mit einem Faden aus Spinnenseide hochzuziehen?“ Die Aufgabe, über die Spiderman nur lächeln könnte, brachte die Mitglieder des „Kopfball“-Teams vom WDR ziemlich ins Schwitzen. An der Oxford-Universität fanden sie schließlich einen Wissenschaftler, der ihnen helfen konnte: Björn Greving forscht auf dem Feld der Bionik, wo untersucht wird, wie Eigenschaften natürlicher Materialen technisch nutzbar gemacht werden können.

Greving arbeitet in der „Silk-Group“ (Seiden-Gruppe) des Zoologischen Instituts von Oxford und konnte dem Fernsehteam deshalb auch gleich die passenden Seidenfäden-Produzenten besorgen: Nephilia Edulis heißt der handtellergroße Mädchenschreck, der das Material für das Experiment liefert. Der Achtbeiner webt seine goldenen Fäden im australischen Dschungel.

Für den Versuch wurden über 100 Spinnen in einem aufwändigen Verfahren rund vier Wochen lang gemolken. Dabei kam eine armbandgroße Schlinge aus ungefähr 28 000 einzelnen Fäden heraus. Dieses gold-schimmernde Band soll, zwischen zwei Stahlseile gespannt, die „Kopfball“-Reporterin Isabel Hecker tragen. „Kaum zu glauben, dass mich dieses schmale Band gleich halten soll“, meint Isabel.

Novemberwind peitscht über das Gelände, auf dem Wasser bilden sich kleine Kreise. Es hat wieder angefangen zu regnen. „Das ist ein Problem“, erklärt WDR-Redakteur Stefan Hoeren. „Die Spinnenseide ist sehr feuchtigkeitsempfindlich; hoffentlich löst sie sich nicht auf.“ Schon seit knapp acht Stunden dreht das Team rund um den Sprungturm des Schwimmbads, kurz nach 15 Uhr steigt Isabel in das zehn Grad kalte Wasser und schwimmt zum Ende des Seils, hakt mühsam den Karabiner ein. Ihr Kollege Burkhardt Weiß blickt von der Drei-Meter-Plattform auf sie hinab und gibt die Daten der Kraftmessanlage durch. „16 Kilo. 17,9 Kilo. 30 Kilo“, liest er ab, und Isabel wird langsam aus dem Wasser gezogen. Schließlich schwebt sie in der Luft. 70,4 Kilogramm, die Spinnenseide hält.

Das Team will noch mehr. Nun ist Burkhardt an der Reihe, und auch ihn hält das Seil. Es braucht schließlich das Gewicht beider, um die Spinnenfäden zum Reißen zu bringen. Bei 149,7 Kilogramm ist das kleine Wunder vorbei, und Burkhardt und Isabel landen mit einem großen Platschen im Becken.

Die Sendung läuft am 12.12. um 11 Uhr in der ARD.