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Heinz ErhardtNoch 'n Jubiläum

Lesezeit 3 Minuten

Der Schauspieler, Komiker und Schriftsteller Heinz Erhardt zeigt vier seiner Gedichtbände. (Bild: dpa)

„Der 20. Februar 1909. Das Thermometer zeigte elf Grad minus und die Uhr elf Uhr vormittags, als vor unserem Haus das Hauptwasserrohr platzte. Im Nu war die Straße überschwemmt und im selben Nu gefroren. Die Kinder kamen, um mit ihren Schuhen schlitt zu laufen. Ich selbst konnte mich nicht beteiligen, weil ich noch gar nicht geboren war. Dieses Ereignis fand erst am Abend statt. Und da war die Eisbahn längst gestreut und unbrauchbar. Ich fing also schon früh damit an, immer zu spät zu kommen.“

Das schrieb Heinz Erhardt in den 60er Jahren über seine Geburt, die sich übermorgen zum hundertsten Mal jährt. Das Zu-Spät-Kommen hätte er beim Film verlernt, erklärte Erhardt später. Seine Enkelin Nicola Tyszkiewicz beschreibt ihn als stets diszipliniert und arbeitssüchtig: „Er hat unaufhörlich gearbeitet, Theater gespielt, 39 Filme gedreht oder ist in Bühnenshows aufgetreten. Und das alles wiederholt mit Grippen, Fieber und ähnlichem“, sagt sie. Sie ist sich sicher, dass dieser Lebensstil Schuld an Erhardts Schlaganfall im Jahr 1971 war. „Er war immer konzentriert“, fügt sie hinzu. „Weil er sein Publikum nicht enttäuschen wollte.“

Erhardt Perfektionismus ging so weit, dass er der Legende nach ohne Brillengläser auftrat. Er wollte verhindern, dass sich das Bühnenlicht darin spiegelt. Andere Quellen behaupten, er hätte auf die Gläser verzichtet, um sein Publikum nicht sehen zu müssen - das wäre gut gegen sein ausgeprägtes Lampenfieber gewesen, gegen das auch ein doppelter Doornkaat vor jedem Auftritt nicht half.

Aufgewachsen bei seinen Großeltern in Riga, hätte Erhardt eigentlich die Musikhandlung des Opas übernehmen sollen. Er musste erst von seiner Frau Gilda, die er 1935 heiratete, überzeugt werden, dass sein eigener Reim „Manch einer springt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, und merkt dann, dass er auf dem Holzweg ist“, nicht auf ihn selbst zutraf. In ärmlichen Verhältnissen lebte er mit seiner Frau, seinen drei Kindern und seiner Schwiegermutter zusammen.

1946, nachdem er im Krieg bei der Marine im Musikkorps gespielt hatte, begann er beim Hamburger Radiosender NWDR als Moderator zu arbeiten. Elf Jahre später debütierte er mit dem Film „Der müde Theodor“ im Kino. Auf der Leinwand wurde Erhardt zum Star. Egal, ob seine Rolle Willi Winzig, Willi Kuckuck, Willi Hirsekorn, Eberhard Dobermann oder Fritz Eilers hieß: Er war immer Heinz Erhardt, der nette, aber etwas verwirrte Familienvater, der gerne Unsinn erzählt. Der typische Deutsche aus der Zeit des Wirtschaftswunders. Sein Beruf mache ihn so glücklich, dass er eine Allee von Purzelbäumen schlagen könnte, sagte Erhardt einmal

„Sollte ich mal nicht mehr gehen können“, bat er seine Freunde. „Dann tragt mich auf die Bühne. Solange ich nur sprechen kann, bringe ich das Publikum zum Lachen.“ Doch der Schlaganfall, den er mit 62 Jahren erlitt, raubte ihm sein wichtigstes Werkzeug: Das Sprachzentrum wurde schwer beschädigt, weswegen er nichts mehr sagen konnte.

Erhardt zog sich ins Privatleben zurück. 1979 arbeitete er mit Sohn Gero an seinem letzten Film. In „Noch ne Oper“ wurde Erhardts Stimme aus früheren Radioaufnahmen hinzugemischt. Am 5. Juni des gleichen Jahrs starb er, doch er ist heute noch so populär wie damals. 2007 wurde Erhardt in der ZDF-Sendung „Unsere Besten - Komiker & Co.“ zum lustigsten Deutschen nach Loriot gewählt. Comedians wie Ralf Schmitz oder Otto Waalkes geben ihn als ihr Idol an. Durch das Internet, CDs und DVDs ist Erhardt heute stärker vertreten als zu Lebzeiten.

An seinem 100. Geburtstag soll er auf den letzten vier Zeilen noch einmal selbst zu Wort kommen: „In vier Zeilen was zu sagen, erscheint zwar leicht, doch es ist schwer. Die meisten Dichter brauchen mehr.“