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HistorikerDer oberbergische Johannes Rau

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Der frühere Bundespräsident und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau sitzt am 22.08.2005 im Arbeitszimmer seines Ferienhauses auf der Insel Spiekeroog an der Nordsee. (Archiv-Bild: dpa)

OBERBERG – Als „guter Mensch von Wuppertal“ wurde Johannes Rau oft apostrophiert. Dort wurde er geboren und dort verbrachte er fast sein ganzes Leben. Dass der langjährige Ministerpräsident und spätere Bundespräsident auch Verbindungen ins Oberbergische hatte, war bekannt, wie eng diese familiären Bande aber waren, hat Prof. Dr. Klaus Goebel, Historiker, Jugendfreund und jahrzehntelanger Wegbegleiter Raus, jetzt in einem Text zusammengefasst.

Anlass sind zwei Gedenktage in diesem Monat - Raus 80. Geburtstag am 16. und sein fünfter Todestag am heutigen 27. Januar.

Zusammen mit dem Bergischen Verein für Familienkunde hat Goebel Raus Ahnentafel zusammengestellt, soweit sie aus Archiven und Kirchenbüchern noch zu rekonstruieren war. Dabei wurden noch Vorfahren des Alt-Bundespräsidenten in der zehnten Generation ausfindig gemacht. In den von Helmut Lewer und Hans Joachim Söhn erschlossenen Kirchenbüchern der evangelisch-reformierten Gemeinde Marienberghausen reichen die Spuren mütterlicherseits bis ins Jahr 1667 zurück.

„In der Zeit, als der Süden des heutigen Oberbergischen Kreises viele Menschen durch Abwanderung verlor, zog auch Raus Großvater Christian Rau in das gelobte Land an die Wupper, das ihm Arbeit und Brot verhieß“, schreibt Goebel. In Wuppertal arbeiteten schon viele Maurer, Pflasterer und andere Handwerker sowie Dienstmädchen aus dem Homburger Land, den heutigen Kommunen Wiehl und Nümbrecht sowie aus der Gegend um Waldbröl und Morsbach.

Christian Rau kam vor der Wende zum 20. Jahrhundert als junger Mann aus Waldbröl nach Barmen, das heute zu Wuppertal gehört. Einige Jahre war er als Maurer tätig, sattelte dann aber um und wurde Polizist. Sein 1898 geborener Sohn Ewald lernte im Jugendbund für entschiedenes Christentum (EC) die ebenfalls aus Waldbröl stammende Helene Hartmann kennen. Die beiden heirateten 1925; sechs Jahre später, am 16. Januar 1931, kam ihr Sohn Johannes als drittes von fünf Kindern in Barmen zur Welt.

In die großväterliche Ahnenreihe von Johannes Rau gehören bekannte oberbergische Namen wie Christians, Förster, Hasenbach, Ley, Simon, Wirth, Söhn, Gerhards, Horn und Hillesheim.

Raus Mutter Helene überlebte ihren Mann Ewald um 35 Jahre und starb 1988 in Wuppertal. Sie war 1901 in Waldbröl als Helene Hartmann auf die Welt gekommen. Ihre Eltern Heinrich Hartmann und Eleonore Sträßer stammen beide aus Marienberghausen. Hier und im benachbarten Nümbrecht waren ihre Vorfahren Generationen lang zuhause gewesen. „Ihre Namen haben in dieser Gegend einen vertrauten Klang“, schreibt Goebel: Deubel, Funcke, Jäger, Klein, Klocke, Lang, Peters, Schmidt, Theis, Thönes, Weber und Wilhelms.

Seine familiären Wurzeln seien Johannes Rau stets wichtig gewesen, erinnert sich Goebel. Von dem Freund selbst sei auch der Anstoß zur Ahnenforschung in Raus Familie gekommen: „Er hat mich gebeten, seine Ahnentafel zusammenzustellen, und er hat sie noch zu seinen Lebzeiten bekommen.“ Im Jahr 2007 verfasste Goebel das Buch „Nur einmal war er sprachlos - Erinnerungen an Johannes Rau“.

Auch wenn Rau abgesehen von seiner Zeit als Bundespräsident in Berlin zeit Lebens in Wuppertal wohnte und die Beziehungen zu seiner Geburtsstadt besondern eng waren, so hat er sich in Oberberg immer sehr wohl gefühlt. Und das nicht nur wegen seine Jugenderinnerungen und der Verwandten, die hier lebten. Immer wieder kam er von der Öffentlichkeit unbemerkt zu privaten Besuchen ins Oberbergische. Goebel ist überzeugt: Johannes Rau hatte eine tiefe gefühlsmäßige Bindung an die Gegend und Menschen: „Bei seinem von ihm selbst als Abschied bezeichneten Besuch im April 2004 in Wiehl sagte er: ,Wenn ich hierher komme, ist es mir, als sei ich zuhause .“ Abgesehen von Wuppertal und seinem Dienstsitz Düsseldorf, wo er über 40 Jahre Mitglied des Landtags und 20 Jahre lang Ministerpräsident war, habe sich Rau nirgends so wohl gefühlt wie in Oberberg. Goebel: „Wuppertal, Düsseldorf, Oberberg - das war eine Dreiecksbeziehung.“

An Raus 80. Geburtstag stand Goebel am Grab seines Freundes auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte einen Kranz geschickt und der SPD-Bundesvorstand. Goebel: „Gerne hätte ich auch einen des Wuppertaler Bürgermeisters und des oberbergischen Landrats gesehen.“