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Wenn Gassi gehen richtig weh tut

4 min

Meist schmerzt es den Besitzer selbst beim Hinsehen: Sein Hund stemmt die Vorderpfoten gegen den Boden und drückt sich qualvoll auf die Hinterbeine, stakst steif herum und fängt erst nach ein paar Minuten an, normal zu laufen. Arthrose ist bei großen und alten Hunden eine Art Volkskrankheit. Doch auch Dackel und Junghunde leiden unter den Gelenkschmerzen - in Hüfte, Knie oder Ellenbogen. Gegen eine entstandene Arthrose können Halter wenig tun, aber sie können ihr vorbeugen. Und ein betroffener Hund muss nicht zwangsläufig an Schmerzen leiden.

„Man kann sagen, dass bis zu 90 Prozent der großen Hunde ab sieben Jahren an einer Arthrose leiden", sagt Astrid Behr, Sprecherin des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte in Frankfurt. Je älter ein Hund wird, desto wahrscheinlicher sind die Probleme, fügt Martin Kramer, Professor für Chirurgie der Kleintiere an der Universität Gießen hinzu. „Es ist ähnlich wie beim Menschen: Die Hunde werden mit der Zeit auch immer dicker und ungelenkiger.“ Doch es wäre zu einfach, Arthrose nur auf das Alter zu schieben: „Schon Einjährige können darunter leiden“, sagt Kramer. Denn die Gelenkerkrankung hat sehr verschiedene Ursachen. „Man unterscheidet die primäre und die sekundäre Arthrose“, erklärt Nico Wohllebe, Tierarzt an der Kleintierklinik der Freien Universität Berlin. Erstere entsteht durch direkte Überbeanspruchung der Gelenke. Der Knorpel wird dadurch abgenutzt, erklärt Kramer. Deshalb gelten insbesondere für Welpen einige Regeln: nicht am Fahrrad laufen, Treppenstufen meiden, kein Hürdenspringen. Außerdem sollten Halter grundsätzlich auf eine schlanke Linie ihrer Hunde achten.

Die sekundäre Arthrose ist dagegen die Folge eines anderen Leidens. Tritt sie in der Hüfte auf, lässt sich das häufig auf eine Hüftgelenksdysplasie (HD) zurückführen - eine angeborene Fehlbildung der Hüftgelenke. „Der Oberschenkelkopf ist entweder zu klein, oder die Hüftpfanne ist zu flach, und dadurch entsteht Spiel. Die Knorpelfläche wird dann abgerieben“, erklärt Wohllebe. Die HD ist erblich bedingt und tritt bei bestimmten Rassen besonders oft auf. Schäferhunde, Labradore und Rottweiler leiden zum Beispiel häufig daran. „Wenn Mutter oder Vater eine HD haben, kann der Welpe sie auch haben, muss aber nicht“, sagt Prof. Kramer. Gleiches gelte auch andersherum: Nur weil die Eltern gesund sind, gilt das nicht zwangsläufig für den Welpen. Falsche Fütterung kann ebenfalls eine HD beeinflussen. Junge Hunde sollten daher an ihr Alter angepasstes Futter bekommen. „Für einen acht Monate alten Hund enthält Welpenfutter zum Beispiel zu viele Proteine und Kohlenhydrate“, erklärt Prof. Kramer.

Tritt die Arthrose an den Kniegelenken auf, kann ein Kreuzbandriss die Ursache sein. Anders als bei Menschen sei daran meist kein Unfall schuld, sondern innere Erkrankungen wie Übergewicht oder eine Überfunktion der Nebenniere, sagt Wohllebe. In der Folge ist das Gelenk instabil, der Knorpel wird geschädigt. Einer Arthrose im Ellenbogengelenk geht oft eine Knochenabsplitterung voraus. „Sie können sich das vorstellen wie ein kleines Sandkörnchen, das im Kugellager reibt und so den Knorpel schädigt.“

Der beste Schutz vor einer Arthrose ist Nico Wohllebe zufolge, orthopädische Probleme früh zu erkennen und zu behandeln. Schon bei leichter Lahmheit sollte der Hund untersucht werden. Doch oft wird die Arthrose erst bemerkt, wenn das Gelenk dick wird oder der Hund ernsthaft lahmt. Für eine Heilung ist es dann zu spät: Es gibt keine Möglichkeit, die Veränderungen am Knorpel rückgängig zu machen, sagt Behr. Das heißt nicht, dass der Halter tatenlos zusehen muss, wie sein Hund sich quält. Ein möglicher, aber schwerwiegender Eingriff ist eine künstliche Hüfte. „Wir haben damit große Erfolge. Die meisten Hunde gehen anschließend lahmfrei“, sagt Wohllebe. Häufig könne der Hund schon am Tag nach der Operation wieder laufen. Allerdings kostet eine solche Behandlung rund 2500 bis 3000 Euro, sagt Prof. Kramer. Mit künstlichen Kniegelenken gibt es dem Tierarzt zufolge erste Versuche, aber noch wenige Erfolge.

Kritisch sehen die Experten die Behandlung mit Gold. Dabei werden nahe dem erkrankten Körperteil Goldteilchen implantiert, sagt Behr. „Das soll den Schmerz nehmen - es kann funktionieren oder nicht." Bislang gebe es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür. Zudem gibt es Physiotherapie zur Stärkung der Muskulatur. Denn auch wenn die ersten Schritte schmerzen, sollten die täglichen Spaziergänge nicht wegfallen. Sonst baut sich die Muskulatur weiter ab. „Sie sollten mit ihrem Hund keinen Fünf-Stunden-Marsch machen“, sagt Behr. „Aber mehrmals am Tag eine halbe Stunde Gassi gehen, tut ihm gut.“