Witterschlicker Keramikhersteller„Deutsche Steinzeug“ demonstriert gegen Energiepreise

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Die Belegschaft der Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG demonstrierte gemeinsam mit der IG Bergbau Chemie Energie für die Einführung eines Industriestrompreises.

Demo in der Mittagspause: Die Belegschaft der Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG demonstrierte gemeinsam mit der Gewerkschaft.

Mittelständische Unternehmen wie der Witterschlicker Keramikhersteller haben mit den stetig steigenden Energiekosten zu kämpfen.

Noch gehen in den Hallen der Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG nicht die Lichter aus, die Bänder stehen auch noch nicht still. Damit das auch so bleibt, gab Mittwochmittag Dieter Schäfer, Vorstandschef der Deutsche Steinzeug, seinen Mitarbeitern ein klares Signal: „Ich verspreche euch, wir kämpfen weiter!“

Gemeinsam mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) demonstrierte ein Großteil der Belegschaft im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages („Ohne Strom gehen die Öfen aus!“) während der Mittagspause für die Einführung eines Industriestrompreises für alle energieintensiven Betriebe in Deutschland.

Keramikhersteller beschäftigt 1200 Mitarbeiter in vier Werken

Dieser soll laut der Gewerkschaft bei vier bis fünf Cent pro Kilowattstunde liegen, was dem globalen Wettbewerb entspreche. Zurzeit sei das europäische Industriestrompreisniveau nicht wettbewerbsfähig. Aktuell liegt der Preis in Deutschland etwa bei 45 Cent pro kWH. Es gehe um Hunderttausende gefährdete Arbeitsplätze und darum, die Deindustrialisierung Deutschlands abzuwenden, so Armando Dente, Bezirksleiter der IG BCE Köln-Bonn.

Nicht erst seit Ausbruch des Ukrainekrieges haben vor allem mittelständische Unternehmen wie der Witterschlicker Keramikhersteller mit den stetig steigenden Energiekosten zu kämpfen. Das Traditionsunternehmen, das seit mehr als 120 Jahren besteht, beschäftigt in seinen vier Werken rund 1200 Kolleginnen und Kollegen. Allein am Hauptstandort Witterschlick arbeiten etwa 330 Menschen.

Der Strompreis habe sich laut Schäfer innerhalb eines Jahres verfünffacht: Zahlte das Unternehmen Anfang 2022 noch 400 000 Euro an Strom monatlich, sind es mittlerweile zwei Millionen Euro allein in Witterschlick – oder wie es Armando Dente für den Raum Köln/Bonn auf den Punkt brachte: „Die Energiekrise trifft uns ins Mark.“

Vor allem mittelständische Betriebe könnten nicht einfach mal so ihre Produktionsstätten oder Firmensitze ins Ausland, vor allem in die USA oder nach China, verlagern. Einige hätten bereits aufgeben müssen. Müsste die Deutsche Steinzeug schließen, würde das auch ein herber Verlust für die Gemeinde Alfter bedeuten.

Denn das Unternehmen ist einer der größten Arbeitgeber in der Kommune, so der Betriebsratsvorsitzende Holger Pallotta-Kahlhofer. Es würden nicht nur zahlreiche qualifizierte Jobs wegfallen, auch den eh gebeutelten Haushalt der Gemeinde würde der Wegfall an Gewerbesteuereinnahmen hart treffen.

Wir haben keine Lobby bei der Politik, wir bewegen uns unter deren Radar, es wird immer nur etwas für die ganz Großen getan.
Dieter Schäfer, Vorstand Deutsche Steinzeug

Dieter Schäfers Kritik richtete sich auch nach Berlin: „Wir haben keine Lobby bei der Politik, wir bewegen uns unter deren Radar, es wird immer nur etwas für die ganz Großen getan.“ Anders sähe dies in Italien und Spanien aus, den Marktführern an Keramikprodukten in der EU. Mittelständischen Unternehmen greifen die Regierungen dort kräftig unter die Arme.

Dies führe Schäfer zufolge zu Wettbewerbsverzerrungen. Daher stünden in Witterschlick manchmal bereits buchstäblich einige Öfen still, wenn sich die Produktion nicht mehr lohne: „Sonst müssten wir drauflegen.“ Um energieintensive mittelständische Firmen zu retten, müsse daher der Industriestrompreis schnell kommen, appellierte Armando Dente.

Holger Pallotta-Kahlhofer und Dente zeigten sich erfreut, dass der Großteil der Mitarbeiter dem Aufruf der Gewerkschaft gefolgt war: „Das zeigt, dass das Thema bei unseren Beschäftigten angekommen ist“, so der Betriebsratsvorsitzende. Der gestrige Aktionstag fand bundesweit statt.

Bewusst hatte sich der IGBCE-Bezirk Köln-Bonn für eine Kundgebung bei der Deutschen Steinzeug entschieden und nicht bei einem der großen Chemiebetriebe in der Region. Damit sollte ein Zeichen gesetzt werden, wie stark vor allem kleinere, mittelständische Betriebe unter Druck stünden, so Gewerkschaftssekretärin und Pressesprecherin Sarah Jansen.


Die Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG

Die Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG ist spezialisiert auf Wohn-, Schwimmbad- und Fassadenkeramik und beliefert hauptsächlich den Großhandel. Hauptsitz ist in Witterschlick, weitere Produktionsstandorte befinden sich in Sinzig, Ötzingen und Schwarzenfeld.

Die Wurzeln des Unternehmens gehen zurück auf die 1890 in Mannheim gegründete Deutsche Steinzeugwarenfabrik Aktiengesellschaft und die Cremer & Breuer GmbH, 1906 in Frechen gegründet. Bis 1926 erwarb Cremer & Breuer die Mehrheit an der Deutsche Steinzeugwarenfabrik.

In Witterschlick gründete 1890 wegen der nahen Ton- und Quarzvorkommen der Industrielle Paul Servais die Servais-Werke, um Fliesen und Platten zu produzieren. In den 1980er Jahren kam es zur Fusion mit den Wessel-Werken aus Bonn, aus denen später die „Agrob Wessel Servais AG“ hervorging. Diese wiederum schloss sich 1992 mit Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG zusammen. (fes).


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