Zu Beginn des Jahres eröffnete die Evangelische Kirchengemeinde am Kottenforst ein kleines Fitnessstudio und bietet damit in der Region ein Alleinstellungsmerkmal: das erste evangelische Fitnesscenter.
Gemeindezentrum in AlfterEvangelische Kirchengemeinde richtet Fitnessstudio ein

Ein Psalm ziert die Wand des Fitnessstudios und deutet darauf hin, dass es sich um kein gewöhnliches Studio handelt.
Copyright: Frank Engel-Strebel
Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine unscheinbare Kunststoffrolle mit zwei Griffen, die leicht anzuheben ist. Doch dann weist der ausgebildete Personal Trainer Marcel Raquin einen an, die Knie anzuwinkeln und das Trainingsutensil in die Höhe zu stemmen, und was einfach aussieht, ist auf einmal gar nicht mehr so simpel. Bei der Rolle handelt es sich um eine Aquabag, eine mit Wasser gefüllte Rolle. Sportler brauchen jede Menge Geschick, um das Gerät in die Luft zu heben und damit zu balancieren, denn das enthaltene Wasser schwappt hin und her. Nicht zum ersten Mal nutzt Karl Fiebiger das Gerät. Der 14-jährige Schüler aus Roisdorf trainiert seit Anfang Januar in dem neuen Sportraum im Evangelischen Gemeindehaus Katharina von Bora am Jungfernpfad in Oedekoven.
Vom Baseball zum Fitnessstudio
Die Idee zu dem Fitnessstudio kam von Pfarrer Andreas Schneider aus Witterschlick. Der 56-Jährige ist nicht nur Seelsorger, sondern auch begeisterter Sportler. 2006 entstand bei einem Konfirmandencamp eher zufällig eine Baseballgruppe, die späteren „Kottenforst Saints“. Rasch entwickelte sich daraus eine beispiellose Erfolgsgeschichte in der Region. Schneider scharte ein kompetentes Team aus Trainern um sich und arbeitet zusammen mit den Profis der Bonn Capitals, lädt aber auch Ex-Profis aus den USA zu Baseballcamps nach Alfter ein. Hinzu kam eine Softballgruppe für Mädchen. Einige der jungen Sportler wechselten zu den „Capitals“ und sind mittlerweile als Nationalspieler aktiv.
Trainiert wird sowohl auf dem Sportplatz in Volmershoven-Heidgen als auch in der Dreifachturnhalle des geplanten Gymnasiums in Oedekoven. Von dort aus ist es nicht weit bis zum Evangelischen Gemeindehaus mit seinem „Juze“, dem Jugendzentrum, und dem neuen Fitnesscenter. „Viele trainieren erst in der Turnhalle und kommen anschließend in das Fitnesscenter“, erläutert Andreas Schneider. So auch an diesem Abend Joshua Pütz, Karl Fiebiger und Malcolm Beermann. Das Studio wurde in einem leerstehenden Raum im Erdgeschoss des Pfarrheims eingerichtet, um den Jugendlichen zusätzlich zu ihren Baseballübungen auch ein Krafttraining anzubieten. Dafür konnte als Personal Trainer Marcel Raquin gewonnen werden. Raquin war vor Jahren Konfirmand bei Pfarrer Schneider und gehörte der ersten „Saints“-Generation an. Mittlerweile ist er selbstständiger Fitnesstrainer mit einer A-Lizenz und trainiert die Mädchen und Jungen auf Übungsleiterpauschale. Er gab auch Tipps, welche Sportgeräte angeschafft werden sollten.
Rund 6500 Euro investierte die Gemeinde in den Umbau des Raumes. 4200 Euro Förderung gab es aus dem NRW-Programm „Aufholen nach Corona“, 2000 Euro brachte die Gemeinde aus eigenen Mitteln auf. „Durch Corona sind alle in einen Winterschlaf gefallen, jetzt endlich geht es wieder los“, erklärt Schneider. Die „Saints“ machten aber trotz der Lockdowns und anderer Einschränkungen weiter, je nach Pandemiephase online per Zoom, mit Einzelstunden oder in Kleingruppen. So blieben die meisten den Baseballgruppen treu.
Gezielte Trainingsmöglichkeiten

Hier können sich die Jugendlichen sportlich austoben und dank der individuellen Hilfe von Trainer Raquin verschiedene Übungen absolvieren.
Copyright: Frank Engel-Strebel
Das Fitnessstudio bietet vor allem Jugendlichen der „Saints“ gezielte Trainingsmöglichkeiten. Angeboten wird an fast allen Tagen der Woche ein 55-minütiges Workout. Jeder Sportler trainiert der Reihe nach an den unterschiedlichen Geräten. Los geht es mit einem „Battle Rope“, um die Armmuskeln und die Geschicklichkeit zu trainieren, dann wird eine flexibel handhabbare Hex Bar, ein Trainingsgestell, gehoben, Gewichte und Langhanteln werden gestemmt und mit der Aquabag balanciert. Für alle Sportler hat Marcel Raquin einen individuellen Trainingsplan erstellt. Fünf Euro kostet der Mitgliedsbeitrag pro Monat.
„Wir möchten keine Konkurrenz zu den etablierten, kommerziellen Fitnessstudios sein, unser Angebot richtet sich vor allem an die jugendlichen Sportler unserer Baseballmannschaft, die noch nicht in ein reguläres Fitnesscenter gehen können“, betont Pfarrer Schneider. Daher seien die Übungen darauf abgestimmt, bestimmte Muskelgruppen zu trainieren, die dabei helfen sollen, einen Ball härter zu schlagen oder schneller zu laufen. Wichtig sei auch die Prophylaxe, um Verletzungen vorzubeugen. Den Sportraum gibt es erst seit Anfang 2023, die Nachfrage war sofort groß. Mit 15 Jugendlichen ging es in der ersten Woche los, schon jetzt sind es 34, davon 12 Mädchen, die in eigenen Gruppen trainiert werden. Auch eine Erwachsenengruppe existiert mittlerweile, bei der Andreas Schneider mitmacht: „Nach dem Durchlauf spüre ich jeden Muskel.“
Auch geistliche Impulse wichtig
„Es geht nicht nur um die körperliche Stärke, sondern auch um die Kirche, um geistliche Impulse, es geht nicht nur darum Muskeln, sondern auch Persönlichkeit zu entwickeln.“ Deutlich sichtbar ist daher der auf Englisch angebrachte Psalm „Der Herr ist meine Stärke und mein Schild, auf ihn traut mein Herz und mir ist geholfen“ (Psalm 28,7) an der Wand des Raumes. Nach dem Training setzen sich die jungen Leute öfter mit Pfarrer Schneider zusammen, kommen miteinander ins Gespräch, halten eine kleine Andacht oder spielen noch eine Runde Billard oder Kicker.
Langfristig soll das „Juze“ noch weiter zu einem modernen, offenen „Clubhouse“ ausgebaut werden, wo sich Jugendliche treffen und miteinander etwas unternehmen können, erläutert Pfarrer Schneider. Joshua Pütz, der seit fast neun Jahren bei den „Saints“ spielt, findet die Idee des Fitnesscenters „cool“. Vor allem, weil Jugendliche wie er mit 14 Jahren noch nicht in einem gewöhnlichen Fitnessstudio trainieren können. Außerdem schwören die jungen Sportler auf die Kleingruppen und die individuelle Betreuung: „Wir können ungestört trainieren, das ist in einem großen Studio so nicht möglich“, sagt Karl Fiebiger. Der 15-jährige Malcolm Beermann aus Meckenheim schätzt die Arbeit mit Personal Trainer Marcel Raquin: „Er achtet sehr darauf, dass niemand etwas falsch macht.“