Serie „Jecke Historie“Wurden die Strüßjer in Alfter erfunden?

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2015/2016 regierte erstmals ein Damendreigestirn.

2015/2016 regierte erstmals ein Damendreigestirn.

  • Die Rundschau beleuchtet in der „Session mit C(orona) und ohne K(arneval)“ Phänomene der Narretei in der Region und ihre Protagonisten.
  • Heute: das Festkomitee Alfterer Karneval.

Alfter – „111 Johr, ganz leise und eine besondere Stille …“ – eine gehörige Portion Wehmut schwingt in den Worten des Vorsitzenden des Festkomitees Alfterer Karneval, Dirk Strunk, mit. Eigentlich sollte in dieser Session ein närrisches Jubiläum gefeiert werden: 111 Jahre Alfterer Karneval. Alles sei vorbereitet gewesen, ein großes Prinzenpaar war ebenso am Start wie tolle Kindertollitäten: „Alles sollte noch etwas lauter und bunter werden als die Jahre zuvor, doch nun? Keine fröhlichen Kinder mit leuchtenden Augen, keine Ahle am Straßenrand, keine Freude, kein Schunkeln, keine Kamelle.“ Was bleibt, sind viele schöne Erinnerungen an die vergangenen Jahrzehnte und ein Rückblick in die Historie.

Wie alles begann

Zur Jahreswende 1909/1910 schlug im Vereinslokal „Op de Kier“ die Geburtsstunde des offiziellen Alfterer Karnevals. Der Junggesellenverein „Freundschaftsbund“ regte an, die traditionsreiche Alfterer Narretei gemeinsam zu pflegen und zu fördern, am Anfang stand ein sogenannter „Kleiner Rat“, dem mit Heinrich Hennes ein Schultheiß vorstand. Aus dem „Kleinen Rat“ entwickelte sich das heutige Festkomitee Alfterer Karneval.

Natürlich wurde schon viele Jahrzehnte vorher dem Fastelovend gefrönt. In einer Chronik ist nachzulesen, dass bereits um 1870 kleinere Gruppen den Alfterer Fastelovend begingen. Dabei machten sich die Feiernden vor allem ihrem Unmut über politische Missstände Luft, verulkten die preußische Obrigkeit und sangen Spottlieder. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts feierten die Vereine vermehrt in den örtlichen Gaststätten, es soll sogar schon hier und da karnevalistische Festzüge gegeben haben. Erstmals wird mit Datum vom 2. März 1897 von einem Karnevalszug mit anschließendem Karnevalsball in einem Protokollbuch des Männer-Gesangvereins „Concordia“ berichtet. Der Zug startete nachmittags um vier Uhr – bereits damals am Karnevalsdienstag.

Veilchenbrauch

Warum in Alfter ausgerechnet dienstags der Zug geht und weshalb man vom Veilchendienstag spricht? Diese Frage ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise stammt der Begriff sogar aus Alfter. Jahrzehntelang florieret der Anbau von Veilchen zur Karnevalszeit, Tollitäten verteilten „Veilchenstrüßjer“ an die Jecken, und für die Landwirte waren die duftenden Blumen eine willkommene Einkommensquelle, heißt es in einem Zeitungsartikel. Besagte Strüßjer sollen traditionell aus zehn Veilchen, eingefasst von vier bis fünf Efeublättern, bestanden haben.

Bis in die 60er Jahre hinein berichten Zeitungen nur vom Zug am Karnevalsdienstag. Erst später soll sich die Bezeichnung Veilchendienstagszug im Volksmund durchgesetzt haben. Glaubt man allerdings den Ausführungen des Mönchengladbacher Karnevalsverbandes (dort geht der größte Veilchendienstagszug im Rheinland), soll sich der Begriff bereits 1936 etabliert haben. Um den großen Zügen aus Düsseldorf und Köln aus dem Weg zu gehen, entschieden sich die Verantwortlichen dort für den Karnevalsdienstag: „Getreu dem Veilchen, das im Verborgenen blüht, gab man diesem Zug den Namen Veilchendienstagszug“, heißt es in der Gladbacher Verbandschronik.

Karnevalshochburg Alfter

Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelte sich Alfter neben Köln und Bonn zur dritten Karnevalshochburg im Rheinland. Jahrelang strömten vor allem aus den umliegenden Großstädten bis zu 35 000 Jecke mit Sonderbussen und Sonderzügen nach Alfter, um den beliebten Veilchendienstagszug zu erleben. Und das hatte seinen Grund: Gelobt wurden in einer Festschrift „der urwüchsige und doch saubere Humor, die originellen Ideen der Karnevalsgruppen, die viel Zeit mit ihrem Beitrag zum Veilchendienstagszug aufbrachten, sowie viele unvergessene Einzelgänger.“ 1975 kam übrigens mit dem Kinderkarnevalszug noch ein weiterer Zug hinzu.

Bunter Tollitätenmix

In Köln regiert traditionell ein männliches Dreigestirn, in Bonn ein Prinzenpaar, in Roisdorf haben die Prinzessinnen das Sagen und in Waldorf gibt es Jahr für Jahr Kindertollitäten. Die Alfterer haben sich noch nie festgelegt. Hier herrschte immer schon ein bunter Reigen in vielen denkbaren Konstellationen. Als erster Solo-Prinz vor den Weltkriegen führt Heinrich I. (Hennes) die Liste an; er regierte im Jahr 1912. Nach 1945 saß erst mit Matthias III. (Welcher) 1989 wieder ein Einzelprinz auf dem Narrenthron.

Anmutige „Alfreda“

Die Alfterer Karnevalsprinzessin wird angelehnt an den Ortsnamen „Alfreda“ genannt, bis 1950 allerdings verkörpert durch männliche Jecken. Erst 1950 durfte sich mit Gertrud I. (Henseler) erstmals eine Frau mit diesem Titel schmücken. Ihr wurde damals „wesentlich mehr Charme und Anmut“ bescheinigt als den männlichen Majestäten zuvor. Sie regierte an der Seite von Prinz Matthias I. (Arenz).

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Mit Prinz Heinrich VIII. (Fuß), Bauer Johannes I. (Reuter) und Jungfrau Edine I. (Suhr) gab es erstmals überhaupt ein Dreigestirn („althergebracht, klassisch, männlich), ein zweites Dreigestirn, diesmal gemischt „nach Alfterer Machart“ regierte 2008: Prinz Uwe I. (Emons), Bauer Fredi I. (Botschen) und Jungfrau Diana I. (Neuhaus). 2015 war es dann Zeit für ein rein weibliches Trifolium: „Knatschverdötscht“ regierten Prinz Sabinus I. (Sabine Klasen-Härter), Jungfrau Birgit I. (Walbrühl) und Bauer Gabriel I. (Gabi Haag). Als erste Solo-Alfreda schrieb 2001 Gerti III. (Raaf) Geschichte.

Seit dem Jahr 2011 sind auch die Pänz mit von der Partie. David I. (Weber) regierte als erster Kinderprinz von Alfter an der Seite von Alfters erster Kinderalfreda Teresa I. (Schüller). Beide waren damals zehn Jahre jung.

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