Rückblick auf 170 Jahre GeschichteFranz Liszt spielte einst Blindekuh auf Nonnenwerth

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Die Insel Nonnenwerth im Rhein. 

Bad Honnef – Das endgültige Aus für das Franziskus-Gymnasium auf Nonnenwerth nehmen wir zum Anlass, an die Geschichte und prominente Besucher der Rheininsel zu erinnern.

Der Sommer auf Nonnenwerth war schon fortgeschritten, als sich am 4. August 1841 Franz Liszt mit seiner Geliebten Marie d'Agoult, den drei gemeinsamen Kindern und vielen Koffern von einem Ruderboot auf die Insel bringen ließ. Sie mieteten sich im Gasthof von Caspar Anton Sommer ein, der das von dunklen Bäumen umstandene Eiland 1821 vom Königreich Preußen ersteigert und im alten Kloster eine Gastwirtschaft mit Pension eröffnet hatte.

Der Dichter Freilingrath und „Lederstrumpf“ waren Gäste

Der Bonner Professor Ernst Moritz Arndt war einer seiner Gäste, der Dichter Ferdinand Freiligrath kam gelegentlich von Unkel rüber und auch der amerikanische Autor der „Lederstrumpf“-Romane, James Fenimore Cooper, nächtigte auf einer Europareise um 1830 hier.

Doch die Geschäfte liefen insgesamt schlecht, so dass Sommer 1835 sein Eigentum an die Hauptgläubigerin Margarete von Cordier aus Frankfurt verkaufen musste, aber Pächter des Gasthofs blieb.

Sie führte ein Tagebuch, in dem sie ausführlich über die Neuankömmlinge jenes Augusttages schrieb: Er groß und schlank und mit Künstlermähne, sie ebenfalls schlank und mit blonder Lockenpracht. Es war das damals berühmteste Künstlerpaar Europas, der Klaviervirtuose, Komponist und Dirigent Franz Liszt (1811-1886) und die Schriftstellerin Marie d’Agoult (1805-1876).

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Der Komponist und Pianist Franz Liszt (undatierte Kopie eines Gemäldes von Lehmann). 

Die Pariser Salonschönheit hatte für den Musiker mit den auffälligen dunklen Augen Mitte der 1830er Jahre ihren Mann und ihre Tochter aus dieser Ehe verlassen; fortan reisten sie durch Europa, die drei Kinder, die aus dieser skandalösen Beziehung entstanden, immer dabei: Blandine, Daniel und Cosima (1837-1930), die spätere Ehefrau von Richard Wagner.

Bewunderer von Franz Liszt brachten ihm ein Ständchen

Die Familie wollte sich endlich ausruhen vom Wanderleben und hatte daher Nonnenwerth als Urlaubsort gewählt. Liszt soll sogar überlegt haben, die Insel zu kaufen, um hier in aller Abgeschiedenheit zu arbeiten. Doch daraus wurde nichts. Die Anwesenheit des berühmten Musikers sprach sich herum, Bewunderer aus Köln, Bonn und Koblenz ließen sich nach Nonnenwerth bringen, um den Klavier-Magier zu sehen.

Am 22. August 1841 näherte sich gar ein Dampfer mit 340 Mitgliedern der Philharmonischen Gesellschaft Köln der Insel, Sänger und Blasmusiker zogen in die Klosterkapelle und brachten Liszt ein Ständchen. So ging das fast täglich weiter: „Nachmittags war wieder des Jubels und Trubels kein Ende. Bewimpelte Kähne der Bonner Musensöhne en masse“, notierte Frau von Cordier in ihrem Tagebuch.

Damen und vereinzelt auch Herren fielen in Ohnmacht

Junge Damen drangen in das Schlafzimmer des berühmten Gasts ein und schmückten es mit Blumen. Er brachte sie schier um den Verstand, indem er nicht nur für sie auf dem Hausklavier musizierte, sondern mit ihnen auch noch Blindekuh spielte.

„Lisztomanie“ nannte der Dichter Heinrich Heine das Phänomen, bei dem Damen – und auch einzelne Herren – reihenweise Hysterie- und Ohnmachtsanfälle erlitten und sich um einen seiner Handschuhe balgten, wenn Liszt konzertierte.

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Das ehemalige Kloster und Gymnasium auf der Insel. 

Der Aufenthalt des berühmten Paares muss den Umsatz von Gastwirt Sommer enorm gesteigert haben; seine Konkurrenten am Rheinufer sollen versucht haben, den Star wegzulocken, doch Liszt blieb bis zum Herbst, vertonte auf Nonnenwerth unter anderem Werke für Männerchöre, Heines Gedicht „Loreley“ und ein Marie d’Agoult gewidmetes Albumblatt „Die Zelle von Nonnenwerth“.

Gelegentlich verließ er die Insel für Auftritte in Bonn und Köln, wo er ein Benefizkonzert für den Wiederaufbau des Doms gab. Kurz vor der Abreise, am 22. Oktober 1841, seinem 30. Geburtstag, pflanzte er ein Bäumchen, das „ein Symbol seines Genius darstellen sollte“, so berichtete Margarete von Cordier. Zuschauerin der Pflanzaktion nahe am Ufer war ihre Tochter Auguste, von der noch die Rede sein wird.

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Die Liszt-Platane hat die Zeit auf der Insel bis heute überstanden. Die folgenden zwei Sommer kam das Paar wieder, 1843 schon unter dem Vorzeichen der baldigen Trennung: Liszt hatte sich einer anderen Frau zugewandt.

Zwei Jahre später, im Juli 1845, legte ein Lastkahn mit einer Bronzegestalt an der Insel an: Das Beethoven-Denkmal, gegossen in der Nürnberger Kunstgießerei Jacob Daniel Burgschmiet, wurde nach Bonn transportiert. Bei Nonnenwerth, so erzählt der Beethoven-Forscher Stephan Eisel, stoppte der Kapitän die Fahrt, um die Statue für den Einzug in die Geburtsstadt des Komponisten mit Zweigen und Fähnchen schmücken zu lassen.

Insel sollte wieder ein Kloster beherbergen

Am 12. August 1845 wurde es auf dem Münsterplatz aufgestellt. Das aus diesem Anlass stattfindende erste Beethoven-Fest hatte Franz Liszt organisiert und zudem ein Fünftel der Kosten für das Denkmal gespendet.

Erinnerungen an Nonnenwerth

Kartini Klein, Diplom-Mathematikerin und Chefin von Hausverwaltung und Immobilienservice Klein in Rheinbreitbach: „Ich war drei Jahre auf Nonnenwerth und habe dort 1976 das Abitur gemacht. Das Besondere an Nonnenwerth war die Betreuung durch die Nonnen – und vor allem die Lage: Morgens mit dem Bötchen rüber, mittags zurück, das Siebengebirge und den Rhein immer im Blick – das war wie Urlaub.“

Frederik Stilke aus Bonn, Student in Frankfurt/Main: „Ich war von 2011 bis zum Abitur 2019 auf dem Franziskus-Gymnasium. Die Lage der Schule auf einer Insel und die alten Gebäude, das ist besonders. Schülerinnen und Schüler wurden wertgeschätzt, ihnen wurden christliche Werte vermittelt, auch ein Gemeinschaftsgefühl durch gemeinsame Projekte, wie etwa die 24-Stunden-Läufe. „Nonnenwerth war aber auch wie eine Blase“, so Stilke. „Probleme, die es auf städtischen Schulen gibt, gab es dort nicht. (dbr)

Margarete von Cordier starb 1846. Auf dem Totenbett hatte sie verfügt, dass die Insel wieder einer klösterlichen Bestimmung zugeführt werde, so wie sie es seit der Gründung eines Benediktinerinnenklosters dort von 1126 bis 1802 gewesen war.

Jetzt kommt Auguste von Cordier ins Spiel, die Tochter Margaretes und Teilnehmerin an der Pflanzung der Liszt-Platane. Sie wurde Nonne, nannte sich Mutter Angela und holte 1854 die Franziskanerinnen auf die Insel, die unter ihrer Leitung das Kloster von der Buße und der christlichen Liebe sowie ein Mädchenpensionat gründeten, die Keimzelle des Franziskus-Gymnasiums.

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Viel Medieninteresse gab es am letzten Schultag. 

Eine Zeit lang war auf Nonnenwerth die tief gläubige Dichterin Luise Hensel (1798-1876) als Lehrerin tätig; sie hat das heute noch berühmte Gebet „Müde bin ich, geh’ zur Ruh’“ geschrieben. Die romantischen Dichter Clemens von Brentano und Wilhelm Müller waren ihr unglücklich in Liebe zugetan, ihr Bruder, der Maler Wilhelm Hensel, hatte die Schwester des Komponisten Felix Mendelssohn, Fanny Hensel, geheiratet.

Fast 170 Jahre war Nonnenwerth Schulstandort, dann schloss der aktuelle Inselbesitzer und Schulträger Peter Soliman das Franziskus-Gymnasium zum Schuljahresende 2021/22. Die letzten 56 Abiturientinnen und Abiturienten haben am 8. Juli in der Stadthalle Remagen ihre Reifezeugnisse erhalten. Die scheidende Schulleiterin Andrea Monreal verabschiedete den besten Abi-Jahrgang seit Bestehen der Schule: Die Durchschnittsnote lag bei 1,9.

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