Zu viele neue BüroflächenBonner sind wütend über Planung fürs Bundesviertel

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Künftige Entwicklungen sollten aber eine Mischnutzung vorsehen, also Büros und bezahlbaren Wohnraum.

Künftige Entwicklungen sollten aber eine Mischnutzung vorsehen, also Büros und bezahlbaren Wohnraum.

Bonn – Ihre Wut brach sich langsam Raum, als die Bürger im Foyer des Wissenschaftszentrums ein Modell des Bundesviertels betrachteten. Es zeigt, stark verkleinert, wie dieses 500 Hektar große Gebiet in 20, 30 Jahren aussehen könnte: mit Hochhäusern links und rechts der B 9 und der bahnparallelen Straße, mit Freiräumen, Grünflächen, Begegnungszentren.

„Unser Haus steht ja noch“, sagte sarkastisch einer, der am Mittwochabend zur Bürgerversammlung gekommen war, und zeigte auf ein weißes Plastikklötzchen rechts unten im Modell. Gerüchte von Enteignung der Häuslebauer gingen um. „Hier“, deutete ein Schnauzbartträger, der in dieser Veranstaltung der Stadtverwaltung das große Wort führen wird, auf die A 562: „Die nennen die jetzt Grünbrücke. Die Autoabgase werden uns als Frischluftschneise verkauft“. Zynisches Gelächter ringsum. „Von Sesselfurzern geplant“, brummelte einer. Zustimmendes Nicken.

Leitlinien für die Entwicklung

Worum geht es? Es geht um die Rahmenplanung des Bundesviertels, mit der der Stadtrat das Büro cityförster aus Hannover beauftragt hat. „Wir hatten im Jahr 2017 eine starke Nachfrage nach Büroflächen im Bundesviertel“, erläuterte Stadtbaurat Helmut Wiesner zu Beginn der Versammlung, warum der Auftrag erteilt worden sei. Damit nämlich nicht jeder Grundeigentümer hier einen Bürobau und da einen Bürobau errichte, sondern damit dem Areal eine Struktur gegeben werde.

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Die Rahmenplanung, die noch vor den Sommerferien verabschiedet werden solle, sei kein rechtlich verbindlicher Bebauungsplan, betonte der Beigeordnete, sondern ein Steuerungsinstrument, das Leitlinien und Ziele vorgebe. Wiesner: „Man sollte keine Angst davor haben, sich Gedanken zu machen, wie es morgen aussehen könnte“.

Blick in die Zukunft

Den Blick in die Zukunft tat Professorin Verena Brehm von cityförster. Das Bundesviertel sei mit 45 000 Beschäftigten – 20 Prozent der Gesamtstadt - und 4000 Einwohnern – 1,2 Prozent der Gesamtstadt - klar auf Arbeiten ausgerichtet. Künftige Entwicklungen sollten aber eine Mischnutzung vorsehen, also Büros und bezahlbaren Wohnraum, und den auch in den geplanten Hochhäusern, die zwischen 40 und 120 Meter hoch sein werden.

Die Einwohnerzahl dürfte sich nach der Prognose der Stadtplaner auf 11 000 erhöhen, die Zahl der Beschäftigten auf 61 400. Damit Wohn- und Arbeitsorte nicht zu sehr verdichtet werden, sind Freiflächen vorgesehen, ein 14 Hektar großer Park links und rechts der Südbrücke soll das Bundesviertel mit dem Rhein und der Rheinaue verbinden und ans Siebengebirge anschließen.

Neues Mobilitätskonzept

Um dieses Mehr an Einwohnern und Pendlern zu bewältigen, bedarf es eines Mobilitätskonzeptes. Die Strategie heißt: umsteigen. Dr. Thomas Baum vom Ingenieurbüro VSU aus Herzogenrath hat ausgerechnet, dass es in Bonn durch den für 2030 vorausgesagten Bevölkerungsanstieg um sieben Prozent etwa 100 000 Fahrten pro Tag mehr geben werde, dabei seien die Straßen jetzt schon voll.

Große Parkhäuser an den Stadteingängen, Umsteigemöglichkeiten auf Bus, Fahrrad, E-Scootern an Bahnhaltepunkten wie dem UN-Campus sollen die Autos raushalten aus dem Bundesviertel, zudem sollten Parkplätze an den Straßenrändern konsequent kostenpflichtig sein, die Firmenstellplätze reduziert werden, regte Baum an.

„Stadt wird zum Erlebnis“

Als Wiesner die Zuhörer nach den beiden Vorträgen zu drei je 20 Minuten langen Gesprächsrunden an Thementische nach draußen bat, regte sich Unmut. „Wir wollen erst Grundsatzfragen klären!“, rief der Schnauzbartträger und enterte das Rednerpult. „Was ist mit dem Klimakonzept?“, fragte er. „Wir bleiben alle hier sitzen, bis die Fragen beantwortet sind!“, skandierte eine Frau. „Sie gehen bitte raus!“, kommandierte sanft Planungsamtsleiterin Petra Denny. Eine Stimme: „Unverschämtheit! Der Bürgerwille wird missachtet“.

Der Schnauzbartträger stand noch am Pult und schwenkte ein Papier. Wiesner und seine Begleiter gingen trotzdem raus, die Protestierer verharrten zunächst im Saal und tauschten Adressen aus, bewegten sich dann aber doch durch die Tür, noch immer wütend. „Hochhäuser? Wer will denn als Familie in Hochhäusern wohnen? Das ist doch schrecklich“, erregte sich eine Frau. „Da steht Kiez auf dem Plan. Was ist das, ein Puff?“, fragte einer und klammerte sich an einen Stoffbeutel.

Professor Rolf Egon Westerheide, der Vorsitzende des Städtebau- und Gestaltungsbeirats der Stadt, lächelte nachsichtig: „Nein. Das ist eine Freifläche, ein Ort der Begegnung“. Westerheide versuchte zu beruhigen, erklärte manches im Vier-Augen-Gespräch und nannte die Rahmenplanung einen „durchaus tollen Wurf: Hier wird Stadt zum Erlebnis“. Das sah nicht jeder so euphorisch.

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