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Bonner Beratung für Migrantinnen„Oft scheitert es an der Sprache“

Lesezeit 3 Minuten

Ruth Richrath von der Familienberatungsstelle im Gespräch mit Rossini Haji Mohammad aus Siegburg.

Bonn – Vormittags um halb elf hat sich vor dem Haus Bachem bereits eine lange Schlange gebildet: Junge und ältere Frauen knubbeln sich dort, viele tragen Kopftuch, einige schieben einen Kinderwagen vor sich her. Ein Stimmengewirr aus Türkisch, Arabisch und Kurdisch füllt den Marktplatz. „Meine Zukunft in Deutschland“ heißt die Veranstaltung, die Stadt und Ehrenamt erstmals gemeinsam in Königswinter organisiert haben. Ziel sei es, Frauen mit Migrationsgeschichte bei der Integration in Ausbildung oder Beruf zu unterstützen, erklärt Sabine Bembenek, Koordinatorin für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe der Stadt.

„Wir hätten nicht mit so viel Besuchern gerechnet“, freute sich Bembenek. Statt der erwarteten 60 Frauen seien mehr als hundert gekommen, schätzt sie, die Stühle im Haus Bachem reichten nicht aus. „Der Andrang ist überwältigend“, betonte auch Vize-Bürgermeister Norbert Mahlberg. „Wir haben anscheinend einen Nerv getroffen.“ Mahlberg lobte die „wertvolle ehrenamtliche Arbeit“, die seit 2015 vom Forum Ehrenamt, dem Netzwerk Integration Königswinter (NiK) und dem Lotsenpunkt in der Flüchtlingshilfe geleistet werde.

Bewerbungsfotos, Lebensläufe, Dolmetschen

Online hatten sich die Frauen für die Veranstaltung angemeldet, vor Ort ließen sie sich registrieren und erhielten eine Nummer. Kostenlos konnten die Teilnehmerinnen anschließend professionelle Bewerbungsfotos machen lassen und bekamen Unterstützung beim Erstellen von Lebensläufen. Dolmetscher des kommunalen Integrationszentrums des Rhein-Sieg-Kreises halfen bei Verständigungsproblemen.

„Oft scheitert es an der Sprache“, verriet Cordula Bellinghausen, ehrenamtliche Helferin des NiK. Denn Bewerbungen und Lebensläufe mit Rechtschreib- oder Grammatikfehlern wandern bei den meisten Arbeitgebern direkt in den Papierkorb. Mit den frisch ausgedruckten Unterlagen in der Bewerbungsmappe ging es für die Frauen zum „Markt der Möglichkeiten“ ins Rathaus.

Im Rahmen der Veranstaltung machte Guido Bach Bewerbungsfotos für die Besucherinnen.

Dort informierten Behörden, Schulen und ehrenamtliche Organisationen über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Rechte und Pflichten. Stadt, Jobcenter, und Arbeitsagentur hatten ihre Stände im Foyer aufgebaut, außerdem zum Beispiel die Euro-Schulen Bonn, der Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe und der rechtsrheinische Jugendmigrationsdienst Rhein-Sieg. Vor Ort konnten die Frauen individuelle Gespräche zur Berufsberatung bei der Volkshochschule und Bewerbungscoachings bei Frauke Fischer, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Königswinter, vereinbaren. „Es gibt auch die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu machen oder eine Abendschule zu besuchen“, erklärte Fischer.

Viele Männer besuchen offene Sprechstunde

Zu den offenen Sprechstunden, die die Flüchtlingshilfe regelmäßig anbietet, kämen überwiegend Männer, weiß Cordula Bellinghausen. „Die Frauen bleiben mit den Kindern zu Hause.“

Dass sich Nachwuchs und Arbeit unter einen Hut bringen lassen, bewiesen dagegen gleich mehrere Frauen: Maryam Moradi aus Afghanistan hat zwei Kinder, neben Sprachschule und Berufsvorbereitungskurs jobbt sie als Küchenhilfe in einem Café. Später will die 29-Jährige vielleicht eine Ausbildung dort anfangen.

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Amal Bayazeed, Mutter eines fünfjährigen Sohnes, kommt aus Syrien. In ihrer Heimat hat die 37-Jährige als Englischlehrerin gearbeitet. Weil ihr Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird, macht sie momentan ein Praktikum in einem Kindergarten, im September beginnt sie eine Ausbildung zur Erzieherin dort.

Auch Müneevver A. (35) aus der Türkei hat früher Englisch unterrichtet, bald arbeitet sie als Teilzeitkraft in einer Offenen Ganztagsschule. „In einem fremden Land muss man wieder bei null anfangen.“ Sie alle engagieren sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und unterstützen andere Frauen dabei, sich in Deutschland zu integrieren. „Meine Zukunft in Deutschland“ ist nach dem Vorbild einer ähnlichen Veranstaltung entstanden, die in Bonn stattgefunden hatte.“