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„Krieg war und ist immer grausam“Hans-Peter Schneider konserviert Erinnerungen aus Brenig

Lesezeit 5 Minuten
Hans-Peter Schneider sitzt an seinem Schreibtisch in seiner Wahlheimat Swisttal vor zwei Computerbildschirmen mit Schwarz-Weiß-Fotos.

Hans-Peter Schneider hat mit vielen Zeitzeugen in Brenig über die letzten Kriegsmonate und den Einzug der Amerikaner in Brenig gesprochen.

Als Junge fielen ihm Kriegsverletzte auf. Inzwischen hat Hans-Peter Schneider (67) hunderte Notizen und Fotos von Überlebenden kombiniert.

Als kleinem Jungen sind Hans-Peter Schneider (67) die Menschen auf den Straßen in seiner Heimat Brenig aufgefallen, die im Krieg verletzt worden waren. Ganz tief habe ihn das damals berührt, und er dachte sich: „Krieg muss eine sehr ernste Sache sein.“

Der Zweite Weltkrieg war 1956 schon elf Jahre zu Ende, als Schneider auf die Welt kam. Er zählt zu jenen Menschen, die seit Jahrzehnten in einem kriegsfreien Land leben. Erst spät verknüpften sich seine Eindrücke beim Anblick der Kriegsversehrten mit den Erzählungen seiner Eltern und Großeltern über deren Kriegserlebnisse und dem, was in Geschichtsbüchern und Pfarrchroniken steht. Dies hat ihn so bewegt, dass er mehr über den Krieg und dessen Auswirkungen auf Brenig herausfinden wollte.

Hans-Peter Schneider begann 40 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Zeitzeugen zu interviewen

40 Jahre nach Kriegsende begann er damit, Augenzeugen und Zeitzeugen in Brenig zu interviewen. Dabei ist ein Aufsatz entstanden, der bereits 1985 im Heft für Heimatgeschichte des Heimat- und Eifelvereins erschienen ist. Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine und der augenfällige Populismus auch in Deutschland haben ihn veranlasst, diese Aufzeichnungen noch einmal zu überarbeiten. Das Ergebnis präsentiert er übermorgen im Pfarrsaal in Brenig. Gastgeber wird die Gemeindesozialstelle „Lebensnah-aktiv vor Ort“ sein.

Schneider, der inzwischen in Swisttal wohnt, kann dank seiner Interviews Zeitzeugen zu Wort kommen lassen. In seinem gut zweistündigen Vortrag legt er den Fokus auf die letzten Kriegsmonate und das Kriegsende in Brenig. „Es ist auch ein Vortrag gegen das Vergessen“, sagt er. „Krieg war und ist immer grausam und bringt auch immer großes Leid über die Zivilbevölkerung, aber auch über die Soldaten“, so Schneider. Und schon ist er mitten im Thema.

Der Großvater verteidigte die Brücke von Remagen

Schneider erzählt von seinem Großvater, der als Oberstabsfeldwebel bei der Verteidigung der Brücke von Remagen in Gefangenschaft geriet. „Großvater kam in das berühmt-berüchtigte Gefangenenlager auf den Rheinwiesen südlich von Remagen“, sagt er nachdenklich. Im Mai 1945 saßen dort etwa 170 000 gefangene Soldaten fest. Sein Vater wurde im Alter von 15 Jahren noch kurz vor Kriegsende zur Wehrmacht einberufen.

1944 Soldaten bewachen die Straße Richtung Heimerzheim.

1944 Soldaten bewachen die Straße Richtung Heimerzheim.

Im Vorgebirge gab es damals schwere Luftangriffe, etwa am 16. Februar 1945 gegen 14 Uhr. Von Brenig aus verfolgte Albert Breuer 30 Minuten lang den Angriff von vier Jagdbombern auf einen Munitionszug. Der habe zwischen Friedhof und Bornheimer Burg gestanden. Noch lange danach habe es Explosionen gegeben. Durch Splitter und andere Geschosse seien an seinem Elternhaus im Kummenberg eine ganze Reihe von Dachziegeln zu Bruch gegangen.

Jagdbomber trafen das Pferd

Todesangst hatte Gertrud Düx, als sie am 24. Februar 1945 mit Pferd und Wagen zu ihrem Acker nahe dem Römerhof unterwegs war. Ganz alleine war sie für ihre drei Kinder und den Bauernhof zuständig. Und sie wollte Rosenkohl ernten, als sie unter Beschuss geriet. Drei oder vier Jagdbomber seien wie aus dem Nichts am Himmel aufgetaucht und hätte im Tiefflug mit ihren Maschinengewehren auf sie geschossen. Ihr Pferd sei direkt von drei Geschossen getroffen worden. Sie habe es mit Glück unverletzt bis in eine Deckung geschafft.

Für gewöhnlich kündigten sich die Jagdbomber durch ein angsteinflößendes Dröhnen an. Davon berichtete die Ehefrau des Breniger Metzgers, Maria Franken. Sie hat es bis ins hohe Alter nicht vergessen. Es war der 3. März 1945, vormittags gegen elf Uhr, als sie Jagdbomber über Brenig hörte. Über Heimerzheim hätten sie ihre Tod bringende Fracht abgeworfen. Franken hörte das Donnern und die Explosionen bis nach Brenig.

Gemeinsam mit ihrer Kundschaft habe sie sich in den Keller ihrer Metzgerei geflüchtet. Auch am Nachmittag habe es noch einen Angriff auf Heimerzheim gegeben. „An diesem Tag starben in Heimerzheim 82 Dorfbewohner, etwa 60 Flüchtlinge und 40 Soldaten“, sagt Schneider. Darüber hinaus habe es sehr viele Verletzte gegeben.

Auch in Brenigen gab es Unbelehrbare

Es hat aber auch in Brenig Unbelehrbare gegeben, die bis zuletzt an den „Endsieg“ geglaubt hätten. Zwei von ihnen hat die damals 20-jährige Krankenschwester Katharina Kohler in den letzten Kriegstagen kennengelernt. „Geht nach Hause, der Krieg ist aus“, habe sie zwei jungen Soldaten zugerufen, die sie morgens getroffen habe, als diese, jeweils einer Panzerfaust bewaffnet, an ihr vorbei Richtung Panzersperre am Schnorrenberg gegangen seien. Daraufhin sei richtig böse beschimpft worden.

Gegen 23 Uhr hörte die Rotkreuzschwester Hilferufe auf der Breitestraße. Die Amerikaner hatten Brenig noch nicht ganz eingenommen. Es sei deswegen gefährlich gewesen, raus zu gehen. Trotzdem sei sie dem Hilferuf gefolgt und habe ganz in der Nähe ihres Elternhauses einen verwundeten deutschen Soldaten liegen gesehen. Unter Lebensgefahr schleppte sie ihn zu sich ins Haus. Es war einer der beiden Soldaten, denen sie am Morgen geraten hatte, heim zu gehen. Wenig später sei auch der zweite Soldat verletzt bei ihr im Hof erschienen.

Amerikaner und Deutsche schossen im Garten aufeinander

Ganz anders hat die 14-jährige Tochter des Breniger Metzgers, Margareta Schneider, das Kriegsende erlebt. Aus dem Fenster des Schlachthauses habe sie beobachtet, dass sich in ihrem Garten deutsche Soldaten aufhielten. Hinter der Mauer im angrenzenden Garten von Haus Rankenberg hätten sich zur gleichen Zeit amerikanische Soldaten verschanzt. „Es wurde geschossen“, berichtet sie. Und es habe ausgesehen, wie ein Räuber- und Gendarmspiel. Später seien die Amerikaner auch in ihrem Haus gewesen. Ihr Vater habe ihnen erst einmal seinen selbstgebrannten Schnaps eingeschenkt.

Es war mir so wichtig, all diese Erinnerungen jenseits aller Geschichtsbücher aufzuschreiben und zu bewahren, damit sie nicht vergessen werden
Hans-Peter Schneider, Sammler von Berichten über den Zweiten Weltkrieg in Brenig

Hans-Peter Schneider könnte mit seinen Aufzeichnungen und den mehr als 500 zumeist privaten Bildern ganze Bücher zum Thema füllen. „Es war mir so wichtig, all diese Erinnerungen jenseits aller Geschichtsbücher aufzuschreiben und zu bewahren, damit sie nicht vergessen werden“, sagt er. Und so ist auch bewahrt, was Albert Breuer am Tag der Befreiung in Brenig erlebt hat, als die Amerikaner alle Türen in seinem Elternhaus herausgerissen hatten, um damit noch in der Nacht die ausgehobenen Schützengräben abzudecken.

Die Gräben wurden nicht mehr gebraucht, die Front war längst hinter Bornheim. Die Türen wollten die Breuers aber zurück. „Wir mussten sie regelrecht aus dem Erdreich graben.“ Doch ausgerechnet die Tür zum „Plumpsklo“ im Hof sei einfach nicht zu finden gewesen. Für Ersatz habe Josefine „Fine“ Dietz, die unverheiratete Schwester des Heimatforschers Josef Dietz, gesorgt. Sie hängte als „evakuiertes Fräulein aus der Eifel“ einfach eine Wolldecke in die Türöffnung, sodass die Stille des Örtchens gewahrt war.