Wegweisender KompromissBornheimer Ratsfraktionen formulieren Leitbilder für die Stadtentwicklung

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Neubaugebiet Hersel; Rand des Neubaugebietes zur Linie 16; Foto: Martin Magunia; alle Rechte vorbehalten

Das Neubaugebiet in Hersel.

Hinter dem schlichten Titel „Grundsätze und Leitbilder für eine zukünftige städtebauliche Entwicklung“ steckt nicht weniger als eine Vision für die Entwicklung der Stadt Bornheim für die kommenden Jahrzehnte. 

Die vier Fraktionen CDU, Grüne, SPD und UWG haben ihre Änderungsvorschläge an der Verwaltungsvorlage im Stadtentwicklungsausschuss gegen die Stimmen von FDP und ABB durchgesetzt, sie haben sie, wie sie selbst sagen, „verfeinert, klargestellt, konkretisiert“. Augenfälligste Änderung an der Vorlage ist eine feste Quote von 25 Prozent für geförderten Wohnraum bei Investorenplanungen und auf städtischen Grundstücken. Dazu heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung von CDU, Grünen, SPD und UWG: „Diesem Beschluss vorangegangen war ein intensiver Prozess, an dem sich von Beginn an die Fraktionen von CDU und Grünen sowie im späteren Verlauf SPD und UWG beteiligten. Seit vielen Jahren wurde und wird in Bornheim über verschiedene Aspekte der Stadtplanung diskutiert – meist kontrovers. Nun ist uns in konstruktiver Zusammenarbeit der vier Fraktionen erstmalig gelungen, einen gemeinsamen Entwurf der Grundsätze und Leitbilder für die zukünftige städtebauliche Entwicklung zu erarbeiten“, so Berthold Rothe (Grüne).

Er und der planungspolitische Sprecher der CDU, Lutz Wehrend, hätten den Entwurf inhaltlich maßgeblich entwickelt und dafür gesorgt, die Fraktionen an einen Tisch zu bringen, um einen guten, mehrheitsfähigen Kompromiss zu erzielen. Neben fünf Grundsätzen, die das Wie und Wo sowie wesentliche Orientierungskriterien für die Baulandentwicklung definieren, fanden die Themenkomplexe „Baudichte“, „Wohnen“, „Mobilität“ und „Klimaschutz“ Eingang in das Grundsatzpapier.

Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“

Wo zukünftig gebaut wird, soll die Bahn nicht weit sein: „Wohnbauflächen sollen vorrangig in räumlicher Nähe zur vorhandenen Infrastruktur und den Haltestellen des schienengebundenen ÖPNV entwickelt werden“, steht im Grundsatzpapier. Die Baugebiete sollen Wohnen, Arbeiten, Bildung und Infrastruktur ermöglichen. Bebauungspläne sollen vorrangig für Gebiete aufgestellt werden, in denen die Stadt Bornheim oder eine städtische Gesellschaft „einen substanziellen Anteil an eigenen Grundstücken besitzt, mindestens 25 Prozent der Gesamtfläche des Plangebiets. Neue Wohnbauflächen dürfen die vorhandene Infrastruktur, das gilt insbesondere Kindertagesstätten und Schulen, nicht überfordern“.

Leitbild „Baudichte“

Mehrfamilienhäuser vor Einfamilienhäusern, Minimum 30 Prozent Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Neubaugebieten und mehr als drei Vollgeschosse in Mehrfamilienhäusern in zentraler Lage – die Ratsmehrheit will so auf die Wohnungsnot im Ballungsgebiet reagieren. Dabei wird Bornheim als „urban-ländlicher Raum“ definiert, 25 bis 35 Wohneinheiten pro Hektar Bruttobauland werden in zukünftigen Bebauungsplänen angestrebt. Um den Freiraum, grün- und landwirtschaftliche Flächen zu schonen, sollen vorzugsweise Baulücken geschlossen oder es soll „in der zweiten Reihe“ gebaut werden; Mehrfamilienhäuser sollten Tiefgaragen haben – darauf haben die vier Fraktionen Wert gelegt.

Leitbild „Wohnen“

Wohnformen sollen für alle Bevölkerungsgruppen möglich sein, für junge Familien, Senioren, Singles, Auszubildende, Studierende und Haushalte mit geringen Einkommen. Will ein Investor auf einem städtischen Grundstück bauen, muss er 25 Prozent geförderten Wohnraum schaffen. Früher galt die Regel, individuell nach Baugebiet zu entscheiden. Gefördert werden Wohnformen, die betreutes und barrierefreies Wohnen ermöglichen, soziale Kontakträume und gemischt genutzte Projekte, die Wohnraum mit Flächen für Dienstleistungen, Kultur, Handel oder Gastronomie verbinden. Wichtig war den vier Fraktionen, soziale Kontakträume zu schaffen, „um die Identifikation mit und den Zusammenhalt in den Dörfern und Quartieren zu stärken: Begegnungsplätze, multifunktionale Grünflächen zur gemeinschaftlichen Nutzung, eventuell auch ein Gemeinschaftsraum im Quartier“.

Leitbild „Mobilität“

Das Leitbild will der aktuellen Entwicklung – weg vom Individualverkehr, hin zu ÖPNV und nicht motorisiertem Verkehr – Rechnung tragen. Bei größeren Baugebieten sollen Mobilitätskonzepte alle Verkehrsarten berücksichtigen, es sollen „attraktive und sichere Fuß- und Radwege geplant werden, um den Verzicht auf das Auto zu erleichtern. Verkehrsberuhigte Bereiche sollen die Aufenthaltsqualität für den nicht motorisierten Verkehr erhöhen“. Mobilitätsstationen stehen auf der Agenda: mit Ladesäulen für E-Bikes, E-Autos und Car-Sharing, Fahrradstellplätzen und Packstationen. Ebenso lokale und überörtliche Radwegeverbindungen wie die Radpendlerroute Bonn-Alfter-Bornheim.

Leitbild „Klimaschutz und Klimafolgenanpassung“

Zum Überflutungsschutz sollen keine neuen Baugebiete in den gesetzlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten entwickelt und die Versiegelung von Grundstücken außerhalb der überbaubaren beziehungsweise überbauten Flächen eingedämmt werden. „Schottergärten“, in denen kein Regenwasser versickern kann und keine Pflanze wächst, soll es nicht mehr geben. Grundsätzlich sollen Retentionsflächen als Grünflächen in die Gestaltung des Baugebiets integriert werden. Zum Hitzeschutz sind Kaltluftschneisen in der Bauleitplanung zu berücksichtigen, genügend großkronige, hitzebeständige Bäume sollen auf Stellplätzen, Straßen, Plätzen, Spielplätzen und in Aufenthaltsbereichen zur Kühlung beitragen. Wenn Investoren planen, sollten sie moderne Energiekonzepte umsetzen, das heißt, den Energiebedarf in neuen Baugebieten mit erneuerbaren Energien sicherstellen.

Reaktionen

„Dieses Papier ist eine Selbstverpflichtung des Stadtentwicklungsausschusses. Es schafft Klarheit für dringend benötigte Investitionen in den Wohnungsbau, sowohl für private Bauherren als auch für Investoren“, kommentiert Lutz Wehrend. „Das jetzt erarbeitete Leitbild wird die bauliche Entwicklung der Quartiere und damit die Gestaltung der Stadt als Ganzes für die nächsten Jahrzehnte prägen. Außerdem werden durch die Vereinbarung von Zielgrößen jahrelange, mitunter kontroverse Diskussionen beendet.“ Aus Sicht der Grünen haben „die beteiligten Fraktionen bewiesen, dass sie die Vergangenheit hinter sich lassen und Kompromisse eingehen können“, so Berthold Rothe.

Für die SPD hatte die 25-Prozent-Quote für den öffentlich geförderten Wohnungsbau hohe Priorität, ebenso „ein künftiger substanzieller Anteil von städtischen Grundstücken als unverzichtbare Grundlage für den Start einer bereits auf den Weg gebrachten Stadtentwicklungsgesellschaft“, erklärte Fraktionssprecher Wilfried Hanft. Co-Fraktionsvorsitzende Anna Peters hebt hervor, dass die beschlossenen Festsetzungen zu den Themen Klimafolgenanpassung, zum Energiebedarf und zum Hitzeschutz im Hinblick auf die angestrebte Klimaneutralität der Stadt bis 2045 Meilensteine zur Erreichung dieser ehrgeizigen Zielsetzung sind. Hans -Gerd Feldenkirchen (UWG) erklärt: „Natürlich kann man sich immer noch ein bisschen mehr wünschen, aber ein Grundsatzbeschluss soll ja von einer möglichst breiten Mehrheit getragen werden, was nicht ohne Kompromisse geht.“

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