Wenn Erdbeeren und Spargel Luxus sindLandwirte im Vorgebirge vernichten Früchte

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Die Folientunnel könnten von den Feldern von Karl-Heinz Steiger  verschwinden, wenn sein Spargel nicht mal die Produktionskosten einbringt.

Bornheim/Swisttal – Die Ernte ist gut, die Qualität bestens – trotzdem bleiben viele heimische Produkte in den Märkten und Hofläden liegen. Karl-Heinz Steiger vom Gemüsehof in Waldorf hat als betroffener Landwirt nach der Ursache gesucht und ist überzeugt: Es liegt an der allgemein unsicheren Wirtschaftslage: „Verbraucher sparen darum beim Einkauf von Lebensmitteln.“ Einige Kunden haben ihm explizit erzählt, dass sie zurzeit ihr Geld lieber „nicht für Luxus wie Erdbeeren und Spargel“ ausgeben wollten. Schließlich sei es leichter auf Erdbeeren und Spargel zu verzichten, als auf Energie und Heizung.

Von den Verbrauchern verschmäht werden aber längst nicht nur Spargel und Erdbeeren. „Es geht um die gesamte Anbaupalette“, ergänzt Steigers Tochter, die Landwirtin Margarete Ribbecke: „Die Verbraucher rechnen mit jedem Cent.“ Auch in ihrem Hofladen seien die Umsätze deutlich zurückgegangen. „Ich könnte damit leben, wenn sich das Kaufverhalten insofern änderte, dass einfach weniger Lebensmittel weggeschmissen würden“, sagt sie. Doch so richtig glaubt sie das nicht. Ihre Stammkunden kauften eigentlich schon immer mit Augenmaß ein. „Hier gibt es die Produkte ja unverpackt und lose – in den von den Kunden gewünschten Mengen“, erklärt sie.

Landwirte gegen Gemüse unter Erzeugerkosten ab

Ein Problem für den Umsatzrückgang bei regionalen Produkten sieht sie auch im Verhalten von Discountern und dem Lebensmitteleinzelhandel. „Sie bieten die Produkte, die wir hier zurzeit regional ernten, aus dem Ausland zu Preisen an, für die wir hier nicht einmal produzieren können“, gibt Landwirt Stefan Grüsgen aus Walberberg zu bedenken.

Dieses Verhalten sei ihm bereits zu Beginn der Erntezeit im Frühjahr aufgefallen. Der Lebensmitteleinzelhandel habe ihn regelrecht gezwungen seinen Blumenkohl und die Kohlrabis unter den Erzeugerkosten abzugeben. Kollegen von ihm kritisieren darüber hinaus, dass Lebensmittelketten, wenn sie billig bei Landwirten einkauften, den Preisvorteil nicht an Verbraucher weitergäben. So beobachteten Landwirte, wie der von ihnen extrem günstig an Märkte verkaufte Rhabarber dort teuer zum Verkauf auslag. Grüsgen hat deswegen bereits Erzeugnisse im Feld stehen gelassen.

Das Jahr 2022 wolle er jetzt noch wie geplant durchziehen. „Dann machen wir Kassensturz und gucken ob wir überhaupt etwas verdient haben“, erklärt er. Noch baut Grüsgen Gemüse und Salat auf rund 120 Hektar an. Je nach Ergebnis plant er jedoch seine Anbaufläche zu verkleinern: „Arbeitsintensive Kulturen wie Feldsalat fallen dann raus.“ Grüsgen: „Ich bin gerne Landwirt, und ich produziere gerne Gemüse. Das macht mir Spaß.“ Doch wenn Handel und Verbraucher für gute und hochwertige Lebensmittel nicht zahlen wollten, mache er es eben nicht mehr.

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Selbst dem Hof Hensen in Swisttal bringt der Verkauf von Erdbeeren nicht mehr als die Produktion kostete. 

Landwirt Markus Schwarz aus Dersdorf hat sich schon entschieden. Er verkleinert den Anbau von Erdbeeren unter Glas. So wachsen bei ihm bislang auf rund 21.000 Quadratmetern Erdbeeren geschützt, künftig nur noch auf 17.000 Quadratmetern. Der Verkauf sei die gesamte Saison „schleppend“ gewesen. Viele seiner sonst treuen Stammkunden seien gar nicht gekommen. „Der gesamte Abverkauf war einfach nicht so stark“, erklärt er. Für ihn ist die Ernte durch, auch wenn nicht alle Früchte gepflückt wurden.

Im August bereitet er normalerweise seine Anbauflächen für eine Erdbeerernte im Oktober und November vor. Dieses Jahr nicht: „Bei uns wird es dieses Jahr keine Erdbeeren mehr geben“, sagt er. Die hohen Energiekosten ließen sich „ja nie wieder reinwirtschaften“. Auch Schwarz hat so seine Erfahrung mit dem Lebensmitteleinzelhandel, der seiner Meinung nach „mit Macht und Druck den Markt beherrscht“. Schwarz: „Wir pflanzen erst im Januar eine neue Sorte Erdbeeren, die wir dann hoffentlich ab April bis September anbieten können.“

„Wo bleibt die Regionalität?“

Die Macht des Handels spüre er auch bei Gemüse und Salat. „Wir verkaufen seit Saisonbeginn unter den Produktionskosten“, sagt er. Gerade habe er 800.000 Romana-Salate auf den Feldern gefräst. „Das war reine Schadensbegrenzung“, berichtet er. „Der Verbraucher weiß gar nicht, dass wir als Landwirte die Preise nicht vorgeben“, sagt Schwarz: „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem viele Landwirte – auch im Vorgebirge – darüber nachdenken, ihren Betrieb aufzugeben. Aber das ist für mich keine Option“, sagt er. Wie es aber weitergehen soll? Er weiß es nicht.

Sollte sich die Situation nicht ändern, will selbst Ralf Hensen vom Fruchthof Hensen aus Swisttal im kommenden Jahr seine Erdbeerfreilandkulturen auslaufen lassen. Hensen zählt zu den größten Erdbeerbauern in Deutschland. „Wir produzieren zurzeit für Null“, sagt er. Er kenne Kollegen, die ihre Erdbeerfelder mitten in der Ernte plattgefräst hätten, weil sie nicht bereit waren, ihre Ware unter Produktionskosten abzugeben.

„Der Lebensmitteleinzelhandel kauft bei uns Landwirten das Obst und Gemüse zurzeit so günstig ein, wie seit drei Jahren nicht mehr“, sagt er. Doch beim Kunden komme das nicht an. „Wo bleibt die von den Verbrauchern und der Politik gewünschte Regionalität?“, will er wissen. In Deutschland sei die Produktion auch durch Qualitätsanforderungen und Lohnkosten sehr teuer. Qualität habe eben ihren Preis.

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Hensen befürchtet: „Wenn sich die Situation für uns Landwirte nicht bald ändert, werden viele Betriebe schließen.“ Dann könne es Erdbeeren, Himbeeren und Heidelbeeren nur noch aus Billiglohnländern geben. „Und damit hätten wir dann eine Abhängigkeit, die so gar nicht gewollt sein kann“, gibt der Mertener Landwirt Hubertus von Groote zu bedenken. Von Groote würde sich wünschen, dass die Verbraucher selbst den weiteren Kurs vorgäben und sich beim Einkauf bewusst für die regionalen und saisonalen Köstlichkeiten aus der Region entscheiden würden. 

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