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Flüchtlingsunterkunft in Bornheim-RösbergDarum kritisieren Bürger die Verwaltung

Lesezeit 5 Minuten
30. November 2023. Bornheim-Rösberg. Rund 100 Einwohner kamen zum  Bürgerdialog in die Turnhalle der Markusschule. Foto: Frank Engel-Strebel

Rund 100 Einwohner kamen zum Bürgerdialog in die Turnhalle der Markusschule. 

Normalerweise wird auf den Bürgerdialogabenden, die Bornheims Bürgermeister Christoph Becker in den einzelnen Ortsteilen abhält, ein bunter Mix an Themen diskutiert. Nicht so in Rösberg.

Die rund hundert Bürger, die am Mittwochabend  in die Turnhalle der Markusschule kamen, interessierte vor allem, wie es um die geplante Flüchtlingsunterkunft auf dem alten Sportplatz bestellt ist.

Themen wie die ausgewiesenen Windenergiezonen oder   Verkehrsprobleme wurden nur am Rande gestreift. Anders als sonst hatte Becker neben Tiefbauamtsleiter Guido Broich daher diesmal auch Sozialdezernentin Alice von Bülow, Bauamtsleiterin Marita Meskes-Außem, und die Vorsitzende der Bornheimer Flüchtlingshilfe, Isabelle Lütz, zur Diskussion eingeladen. Ortsvorsteher Günter Engels, der die Gäste gemeinsam mit Becker begrüßte, bat zu Beginn, um eine faire und sachliche Diskussion. So blieb es auch bis zum Ende der zweistündigen Veranstaltung, trotz vieler emotionaler Beiträge und Anmerkungen mit zahlreichen Sorgen der Rösberger.

An dem Abend erfuhren die Rösberger auch jede Menge Neuigkeiten. So erklärte Meskes-Außem auf Nachfrage aus dem Plenum, dass die Anlage „nicht vor März 2024“ bezogen werde. Das Gebäude, bestehend aus 34 Wohncontainern à rund 20 Quadratmetern   belegt mit jeweils zwei Betten kann maximal von 68 Personen bezogen werden. Bislang kursierte die Zahl von 80 bis 100 Menschen. Hinzu kommen ein Aufenthaltsraum, ein Sanitär- und ein Küchencontainer. Der Anschluss erfolgt über den Fürchespfad. Das Gebäude ist zweigeschossig, 30 Meter lang und 15 Meter breit und soll mindestens drei Jahre dort stehen, möglicherweise aber auch länger. Andere Pläne, wie eine dringend notwendige Kita für Rösberg, würden parallel weiterverfolgt.

30. November 2023. Bornheim-Rösberg. Abendstimmung auf dem Rösberger Sportplatz am Wasserturm. Foto: Frank Engel-Strebel

Auf dem Rösberger Sportplatz am Wasserturm soll die Anlage entstehen

Wer am Ende dort einzieht, stehe derzeit laut Sozialdezernentin Alice von Bülow noch nicht fest. Zuvor werde es aber noch eine Bürgerinformationsveranstaltung geben.

Wie berichtet, sind auch in Bornheim sämtliche Kapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten erschöpft. In den vergangenen Wochen hat die zuständige Bezirksregierung Arnsberg 185 weitere Menschen zugewiesen: „Wir erwarten, dass es bis Jahresende 200 sein werden“, so von Bülow. Belegt wurde bislang die kleine Turnhalle der Johann—Wallraf-Schule, leerstehende Gewerberäume in Roisdorf wurden angemietet, Hotels ebenso wie Privatzimmer. Weitere potentielle Standorte für Unterkünfte werden in einer Sondersitzung des Sozialausschusses am 16. Dezember vorgestellt.

Kritisiert wurde die mangelnde Transparenz von Seiten der Verwaltung: „Ich lese morgens beim Frühstück in der Zeitung von der Anlage. Warum wurden wir Bürger vorher nicht informiert?“, fragte ein Rösberger. Auch die Größe der Anlage für den kleinen Höhenort wurde kritisiert. Ein Mann, der neu nach Rösberg gezogen ist, meinte: „Integration ist auch eine Frage der Menge. Ich bin gerne bereit mich selbst zu engagieren. Aber die Zahl der Flüchtlinge muss adäquat zur Bevölkerung angepasst werden.“

Wir möchten nichts verschweigen, es gibt durchaus Problemfälle, aber unsere Erfahrungen zeigen uns, dass alles bislang weitgehend konfliktfrei abläuft
Alice von Bülow, Sozialdezernentin

Das Problem: Die Situation sei dynamisch, niemand wisse, wie viele Menschen vom Land wann den Kommunen zugewiesen werden, so von Bülow. Deswegen müsse, wie bei der Containeranlage schnell gehandelt werden.

Auch die Stadt hätte gerne für Rösberg eine kleinere Anlage genommen, was aber nicht möglich war, so von Bülow: „Wir hatten keine Option, wir waren froh, dass wir am Markt überhaupt etwas bekommen haben. Aber ihre Ortschaft mit ihrer Dorfgemeinschaft ist stark genug, diese Aufgabe zu meistern.“

Dies sah Maria Lang, Vorsitzende der Dorfgemeinschaft, anders: „Ein Drittel unserer Einwohner ist über 60, ein Drittel wohnt hier nur, dann käme nur noch ein letztes  Drittel in Frage, sich um die Menschen zu kümmern, das können wir weder personell noch sozial leisten. Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich bin mittlerweile stinksauer. Zudem können die Verwaltungsmitarbeiter nicht mehr ihre eigentlichen Jobs machen und vieles bleibt auf der Strecke.“

Ein weiterer Grund, der es schwierig machen könnte, die Neunankömmlinge in Rösberg zu integrieren, sei, dass es dort keine vernünftige Infrastruktur gebe, wie eine Bürgern bemerkte, weder Geschäfte, noch Freizeitmöglichkeiten oder Sprachkurse: „Sie müssen für alles den Berg hinunter“. Die nächstgelegene Bushaltestelle liegt an der Markusschule, Die Busse seien aber wegen des Schülerverkehrs schon oft voll, Konflikte daher vorprogrammiert, hieß es weiter.

Alice von Bülow räumte ein, dass die Infrastruktur eine Herausforderung sei, verwies aber auch darauf, dass die Stadt jede Fläche benötige, und es wichtig sei, Schutzsuchende dezentral unterzubringen und nicht auf einige wenige Ortsteile konzentriert. Dabei könne nicht immer Rücksicht auf die Lage genommen werden: „Die Menschen haben bereits einen langen Weg hinter sich, dann werden sie auch den Weg ins Tal schaffen.“

30. November 2023. Bornheim-Rösberg. Abendstimmung in Rösberg am Wasserturm.  Foto: Frank Engel-Strebel

Abendstimmung in Rösberg am Wasserturm.

Einige Bürger sorgen sich um ihre Sicherheit, vor Gewalt oder Diebstahl. „Wir möchten nichts verschweigen, es gibt durchaus Problemfälle, aber unsere Erfahrungen zeigen uns, dass alles bislang weitgehend konfliktfrei abläuft“, so die Dezernentin. Becker verwies darauf, dass auch die Polizeistatistik keine Auffälligkeiten für Bornheim zeige und warb um Verständnis. Niemand fliehe freiwillig, dagegen gehe es uns in Bornheim noch gut. Zudem verwehrte er sich, Menschen pauschal zu verurteilen und Geflüchtete „unter Generalverdacht“ zu stellen.

Gleichzeitig appellierte Becker an Land und Bund dafür zu sorgen, dass alle Kommunen finanziell auskömmlich unterstützt würden, um ihren Pflichtaufgaben nachgehen zu können. Dazu zähle nicht nur die Unterbringung von Geflüchteten, sondern beispielsweise auch die Finanzierung von Kitas und der Offenen Ganztagsschule.

Für Flüchtlingshelferin Isabelle Lütz sei der „Gamechanger“ der direkte Kontakt zu den Menschen: „Gehen Sie in due Unterkünfte. Sagen Sie einfach mal Hallo.“ Die Mertenerin engagiert sich seit 2013 ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und bot ihre Erfahrung auch den Rösbergern an. Auch ihre Flüchtlingshelfergruppen würden unterstützen: „Unser Dorf Merten ist glücklicher seit es dort Flüchtlinge gibt, die Menschen sind eine große Bereicherung für unseren Ort. Um die Sicherheit brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Wir haben keine schlechten Erfahrungen gemacht. Es gibt auch Idioten unter Deutschen.“ „Nägel mit Köpfen“ machen möchte die Vorsitzende des Seniorenbeirates, Gabriela Knütter, die mit ihrem Mann ebenfalls in Rösberg lebt: „Ich suche Helfer, die geflüchteten Kindern Deutsch beibringen. Wer mich unterstützen möchte, kann sich bei mir melden.“

Am Ende sicherte Alice von Bülow den Rösbergern noch zu, dass es bei der Stadt feste Ansprechpartner geben wird, falls es Probleme gibt: „Wir lassen nicht zu, dass sie sich im Nirwana der Stadtverwaltung verirren.“