Das BINZ, das Bornheimer Innovations- und Nachhaltigkeitszentrum, ist ein neuer Geschäftsbereich der Wirtschaftsförderung- und Entwicklungsgesellschaft mbH Bornheim. Das Ziel: Gemeinwohlökonomie. Mit dem Team sprach Jacqueline Rasch.
GemeinwohlökonomieBornheim geht neue Wege
Frau Malzbender, Herr Strauss und Herr Corrales-Braun, was genau tun Sie im BINZ?
Joachim Strauss: Wir sind als Wirtschaftsförderungsentwicklungsgesellschaft der Stadt Bornheim im Grunde in zwei Geschäftsbereichen unterwegs. Die klassische Aufgabe ist die Erschließung von Gewerbegebieten, der zweite Bereich ist das Innovations- und Nachhaltigkeitszentrum als Ergänzung. Wir stellen Beratungs- und Unterstützungsangebote für Unternehmen zusammen, die die Herausforderungen Klimawandel und Energiewende auch für Unternehmen mit sich bringen, damit sie sich krisenfest und zukunftsorientiert aufstellen.
Das heißt?
Strauss: Wir haben mit dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten im Gewerbegebiet Bornheim-Süd Ende 2021 das Angebot erweitert und das BINZ gegründet. Aktuell wurden Unternehmen befragt, um zum Beispiel in den Bereichen Klima, Mobilität und Energie die Bedarfe an Beratungsleistungen herauszubekommen, damit wir es bedarfsorientiert aufbauen können. Schwerpunkt ist jetzt erstmal die Energieversorgung, zum Beispiel der Ausbau von Photovoltaik auf Gewerbedächern. Es gibt ein Bündel von Maßnahmen, die man im BINZ als Beratungsleistung anbieten kann. Ergänzend ist unser Coworking Space, wo wir Soloselbstständige oder Start-ups unterstützen, die auch mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun haben, um ihre Themen voranzubringen.
Sie gehören aber zur Bornheimer Wirtschaftsförderung, oder sind Sie als BINZ selbstständig?
Strauss: Wir sind eine eigene GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stadt Bornheim, 1996 als kommunale Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Bornheim, also als Wirtschaftsförderungsgesellschaft, gegründet, mit Hauptgesellschafterin Stadt Bornheim und zusätzlich Kreissparkasse Köln und Volksbank Köln/Bonn eG. Das Grundstück, auf dem wir uns befinden, ist 2001 von der WFG an das Unternehmen verkauft worden, das war also die klassische Wirtschaftsförderungsmaßnahme. Wir sind jetzt dabei, den Bestand an Unternehmen und neue Firmen insofern zu fördern, dass sie sich im Sinne der Gemeinwohlökonomie nachhaltig aufstellen und haben eine Kooperation mit der Alanus Hochschule Alfter, die ähnlich unterwegs ist. Die Mission auch unseres Bürgermeisters Christoph Becker ist die, dass sich die Stadt insgesamt gemeinwohlorientiert weiterentwickelt und einen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Paul Corrales-Braun: Im Prinzip ist das auch ein wesentlicher Teil zur Frage, was wir überhaupt machen. Wir wollen Gemeinwohlökonomie für die Unternehmen erlebbar machen, aufzeigen, was ist der Nutzen für die Unternehmen, und das machen wir in persönlichen Gesprächen. Wir berichten von unseren eigenen Erfahrungen als erste gemeinwohlzertifizierte Wirtschaftsförderung in Deutschland, und das ist auch unser Kompass für die Arbeit im BINZ.
Was genau muss man denn vorweisen, um solch ein Zertifikat zu bekommen?
Corrales-Braun: Das ist wirklich umfassend. Es gibt eine sogenannte Gemeinwohlmatrix, an die man sich halten muss, und Indikatoren, die die Behauptungen, die man aufstellt, auch nachweisen. Es ist wirklich ein Bilanzierungsprozess: Es wird ein Gemeinwohl-Bericht erstellt, in dem über die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Berührungsgruppen wie Lieferanten, Kunden, Banken oder Mitarbeitern auf Basis einer werteorientierten Gemeinwohlmatrix berichtet wird. Das Ergebnis wird in einer Gemeinwohl-Bilanz zusammengefasst, für die das Unternehmen nach externer Überprüfung ein Zertifikat erhält. Das heißt nicht, dass dies nur Unternehmen machen können, die schon total nachhaltig sind. Es ist ein Prozess, bei dem man wirklich tief hineingeht in alle Prozesse der Produktion: Wie leben die Werte mit unseren Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und wie wirken wir generell in unserem Umfeld. Es ist auch eine gewisse Wertehaltung, die dahinter steht. Nach der Prämisse, ich will nicht nur wirtschaftlich erfolgreich sein, sondern ich will beim Wirtschaften die Umwelt und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das ist aus unserer Sicht auch ein wichtiger Ansatz von Wirtschaftsförderung, diesen Ansatz mit in die Unternehmen zu bringen.
Seit wann gibt es die Gemeinwohlökonomie?
Joachim Strauss: Seit rund zehn Jahren, es ist eigentlich ein alternatives Wirtschaftsmodell. Es ist eine Art Handwerkskasten, ein Organisations-Entwicklungs-Tool. Unternehmen schätzen sich selbst ein, wo sie stehen, und können das an Kriterien festmachen. Man erstellt einen Bericht, man bewertet sich selbst und macht Verbesserungsvorschläge, lässt sich eventuell extern von einem Auditor begutachten. Genau das haben wir auch gemacht und dadurch unser Testat erhalten und können uns jetzt als gemeinwohlzertifiziertes Unternehmen bezeichnen.
Corrales-Braun: Aber wir sind keine Auditoren. Das ist ein professionelles Dienstleistungsangebot mit einer gesellschaftlichen Aufgabe.
Ihre Aufgabe ist eher, aufzuzeigen, wie komme ich als Betrieb dahin?
Corrales-Braun: Genau. Aufgabe ist, Lust bei den Unternehmen zu wecken, warum sie sich in ihrem anspruchsvollen Leben auch noch umfassend damit beschäftigen möchten. Strauss: Man kann auch authentischer auftreten, wenn man es für sich selbst schon mal angewendet hat. Wenn ich Elektromobilität fördern will, ist es gut, wenn man einen E-Dienstwagen hat. Wir haben ein Fair-Phone als Handy, weil es die Arbeitsbedingungen in der Elektroindustrie mehr beachtet. Gehen Sie auf Firmen zu? Strauss: Wir gehen aktiv auf Firmen zu, wir haben im Frühjahr 2022 sechs Info-Veranstaltungen zusammen mit der Alanus Hochschule durchgeführt, um das Thema bekanntzumachen. Das ist jetzt angekommen, auch bei den Wirtschaftsförderungsgesellschaften in NRW.
Wie suchen Sie die Unternehmen aus?
Strauss: Wir schauen die Unternehmen an, die für dieses Thema offen sind, die auch bereit sind, Zeit zu investieren. Ab September suchen wir wieder vier Unternehmen, die in Kooperation mit der Alanus Hochschule den Gemeinwohl-Bericht erstellen.
Wie läuft dieser Prozess ab?
Corrales-Braun: Im September gibt es an der Hochschule eine Auftaktveranstaltung, bei der sich die Unternehmen vorstellen. Vorab wurden ihnen schon Studierende zugelost, die die Betriebe begleiten. Dazu kommen Experten der Gemeinwohlökonomie, die die Studierenden coachen und immer für die Betriebe ansprechbar sind. Die Studierenden nehmen etwa 60 Prozent des Dokumentationsaufwandes für die Betriebe weg.
Also haben beide Seiten etwas davon.
Corrales-Braun: Genau. Der Zeitplan erstreckt sich über etwa vier Monate, es ist ein recht knackiges Programm. Jeden Monat gibt es einen etwa dreistündigen Workshop, dann wird der Bericht erstellt. Die vier Unternehmen schauen sich auch Berichte anderer Teilnehmer an. Im Anschluss bekommen sie ein Zertifikat und können öffentlichkeitswirksam sagen, wir haben diesen Prozess durchlaufen.
Es ist also durchaus werbeträchtig für die Firmen?
Corrales-Braun: Auf jeden Fall! Die Haltung ist das Wichtigste! Wir hatten beim letzten Prozess die Backmanufaktur von Sandra und Frank Nelles dabei. Sie hatte den Prozess im September 2022 begonnen, gerade zu einem Zeitpunkt, als durch die Medien ging, wie schlecht es Bäckereien wegen der hohen Energiepreise geht. Die hatten sich auch gesagt, in solch einer Lage sollen wir auch noch unser ganzes Wirken reflektieren? Aber sie haben gesagt, ja, wir machen es jetzt! Es war sehr medienwirksam, sie wurden oft als spannendes Beispiel genannt.