Schulneubau BornheimHat die Kreuzform einen Haken?

Lesezeit 5 Minuten
Bornheim Modell neue Gesamtschule Merten
Diskussion um Hakenkreuz

Die Planungsvariante 3 für die Gesamtschule Merten heißt „Windmühle“.

Harald Stadler, Kommunalpolitiker aus Bornheim, stößt eine Diskussion um den Grundriss des Schulneubaus in Merten an. Aus seiner Sicht ähnelt der einem Hakenkreuz. Die Stadt hält dagegen.

„In meinen Augen sieht der Baukörper wie ein verfremdetes, rechtsgeflügeltes Hakenkreuz aus.“ Was der Roisdorfer Kommunalpolitiker Harald Stadler (SPD) in einem Offenen Brief an den Bornheimer Bürgermeister und alle Ratsmitglieder beschreibt, ist die Form der geplanten Gesamtschule in Merten aus der Vogelperspektive. Er habe „mit Enttäuschung und Unverständnis zur Kenntnis nehmen müssen“, dass der Grundriss der geplanten Heinrich-Böll-Gesamtschule auch nach der Offenlage „immer noch so ausschaut“. Was Stadler sieht, sehen andere nicht: „Die geplante Form des Neubaus lässt aus der Vogelperspektive eine Form erkennen, die keine tatsächliche oder konkrete Ähnlichkeit zum belasteten Hoheitssymbol des nationalsozialistischen Hakenkreuzes aufweist“, schreibt Dr. Annemone Christians-Bernsee, stellvertretende Direktorin des NS-Dokumentationszentrums Köln.

Einspruch von René Böll

Der Roisdorfer Stadler fährt bei seiner Argumentation namhafte Fürsprecher auf. Böll-Sohn René zum Beispiel, dessen verstorbener Vater der Namensgeber der neuen Lernstätte sein wird: „Auch mich erinnert der Entwurf (Variante 3 „Windmühle“) an ein Hakenkreuz und das ist mit dem Namen Heinrich Böll nicht zu vereinbaren. Es stehen andere, gute Varianten zur Verfügung, so dass wir hoffen, dass der Rat der Stadt Bornheim sich nicht für die Variante 3 entscheiden wird. Sie können diese unsere Bedenken gerne dem Rat mitteilen“, zitiert Stadler den Nachkommen des Schriftstellers.

Der von Stadler angeschriebene Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein ist da zurückhaltender: „Die ästhetische Bewertung von kommunalen Bauvorhaben fällt nicht in die Kernaufgaben unseres Landesverbandes… So sehr die äußere Erscheinungsform der ausgewählten Variante 3 für die Heinrich-Böll-Gesamtschule auf den ersten Blick befremdlich erscheint, habe ich dennoch keinen Anlass, an der Besonnenheit und Vernunft des Stadtrats in Bornheim zu zweifeln, eine in dieser Situation für Ihre Stadt passende und dem Andenken von Heinrich Böll gerechte Lösung herbeizuführen“, wird Geschäftsführerin Dr. Inna Goudz zitiert.

Seine Bedenken habe er, Stadler, schon mitgeteilt, bevor sich der Stadtrat am 17. März 2022 einstimmig für die Variante 3 „Windmühle“ als Baukörper für die Bornheimer Gesamtschule entschieden hat. Stadler: „Schon im Frühjahr 2022 sprach ich Ratsmitglieder darauf an, dass dieser Baugrundriss nicht einer Windmühle ähnelt, sondern eher einem Hakenkreuz.“ Er appelliert jetzt an die Ratsmitglieder, „eine Entscheidung zu treffen, die Änderung und Abkehr vom Kreuzgrundriss des Baukörpers beinhaltet“.

Stadt Bornheim reagiert

Die Stadt Bornheim hat in einer umfassenden Stellungnahme zu dem Offenen Brief gestern erklärt, sie sei schon früh, nämlich nach dem Ratsbeschluss vom März 2022, in der Sache tätig geworden. „Nach dem Beschluss des Rates wurde die Stadt mit dem Hinweis eines Bürgers konfrontiert, der beschlossene Gebäudegrundriss habe Ähnlichkeit mit einem Hakenkreuz. Die Verwaltung hat die Ansicht zwar nicht geteilt, den Hinweis jedoch ernst genommen und das NS-Dokumentationszentrum in Köln um eine Einschätzung gebeten.“ Mit diesem Schritt habe die Stadt Bornheim „also vor allem den Bedenken Dritter Rechnung getragen“. Wahrscheinlich gebe es keine geeignetere Instanz als das Dokumentationszentrum, einen derart gelagerten Fall zu prüfen. Die bereits zitierte Dr. Annemone Christians-Bernsee hatte der Stadt denn auch im Mai 2022 geantwortet und keine tatsächliche Ähnlichkeit attestiert.

Ganz bewusst habe sich das Architekturbüro für eine Gebäudeform entschieden, die auf die Erfordernisse eines modernen Schulbetriebs abgestimmt sei: „Die ,grüne Schule soll die Attribute Umwelt, Klima, Natur in ihrem Umfeld sichtbar nach außen tragen und als Leuchtturmprojekt für ein nachhaltiges Bauen stehen. Ihre Gestaltung spiegelt das räumliche und funktionale Anforderungsprofil wider und ist von hoher Qualität und Wirtschaftlichkeit geprägt. Eine klare und orientierungsfreundliche Gliederung und Zuordnung einzelner Nutzungen und Funktionen steigert darüber hinaus die Effizienz des Neubaus. Die vier Einzelbaukörper des Schulgebäudes schließen ,windradartig an die zentrale Pausenhalle an. Sie nehmen jeweils die einzelnen Funktionen der Gesamtschule auf und können barrierefrei über die zentrale Pausenhalle erschlossen werden“, schreibt die Stadtverwaltung.

Auch Schulleiter Klaus Hannak habe die Planungen gelobt: „So hob er einerseits die Aufteilung der Klassenräume hervor, aber auch die Optik, die er für die beste aller Varianten hielt.“ Fazit der Stadt Bornheim: „Die vorgetragenen Bedenken basieren letztlich auf subjektiven Eindrücken. Bei der Stellungnahme des NS-Dokumentationszentrums jedoch handelt es sich um eine Bewertung nach objektiven Kriterien.“

Eines wird auch ganz deutlich gemacht: „Die Verwaltung und der Rat der Stadt Bornheim sind durch und durch demokratisch geprägte Institutionen, deren Einstellung und Haltung gegenüber dem Dritten Reich und dem Nationalsozialismus über jeden Zweifel erhaben sind.“ Beredte Zeugnisse für die Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und die in der Stadt gelebte Erinnerungskultur seien die alljährlich veröffentlichten Reden des Bürgermeisters beim Volkstrauertag, die seit 17 Jahren stattfindenden Stolpersteinverlegungen für NS-Opfer, der jährlich von der Stadt veranstaltete Gedenktag zum Bornheimer Novemberpogrom – der in diesem Jahr im Übrigen in der Heinrich-Böll-Gesamtschule stattfindet — „und die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein bei der Pflege der drei geschlossenen jüdischen Friedhöfe im Stadtgebiet“.

„Besondere Sensibilität“

„In einer Zeit, in der eine offenkundig rechtsextreme Partei großen Zulauf findet, ist in allen gesellschaftlichen Bereichen besonders große Sensibilität geboten“, unterstreicht die Stadtverwaltung. Daher habe sie das Planungsbüro beauftragt, die Variante 3 auch hinsichtlich „der für einige Menschen gegebenen Anmutung“ noch einmal zu überarbeiten. Eine wesentliche Änderung des Planungsentwurfs wäre mit einem hohen zusätzlichen finanziellen Aufwand und einer erheblichen zeitlichen Verzögerung verbunden — nach Rundschau-Informationen mindestens eine sechsstellige Summe und eineinhalb Jahre. Mit dem jüdischen Landesverband sei bereits ein klärendes Gespräch geführt und René Böll vom Bürgermeister zum Gespräch eingeladen worden. Er war für die Rundschau gestern nicht zu erreichen.

Rundschau abonnieren