Beim Silent Cut, dem „stillen Haarschnitt“, verzichten Friseur und Kunde auf das Plaudern während des Haareschneidens. Der Trend, der wohl ursprünglich aus London kommt, ist längst auch im Rhein-Sieg-Kreis Gesprächsthema.
Trend des „Silent cut“Waschen, Schneiden, Schweigen – geht das auch im Rhein-Sieg-Kreis?
Weil sich in der Corona-Zeit alle Gespräche ausschließlich um dieses eine Thema drehten, zog ein Berliner Friseursalon die Konsequenz und begann, Termine für Silent Cuts zu vergeben. Während des Haareschneidens herrscht Schweigen, so soll der Friseurbesuch erholsamer sein. Wie halten es Friseure in unserer Region damit? Die Rundschau hat nachgefragt.
Reden bei Haar- und Photodesign Brinkmann in Meckenheim
Ohne die Gespräche beim Haareschneiden kann Ralph Brinkmann sich seinen Beruf nicht vorstellen. Seine Kunden wollen plaudern. Der Friseur aus Meckenheim versteht sich gleichzeitig als Psychologe. Denn seine Kundschaft lädt bei ihm ihre Probleme ab, er hört zu. Oft wisse der Friseur mehr als die eigene Partnerin oder der eigenen Partner, vermutet der 59-jährige. „Menschen haben ein Mitteilungsbedürfnis“, so Ralph Brinkmann.
Gerade diejenigen, die allein sind, freuen sich über die Gespräche beim Friseur. „Wer doch lieber schweigen möchte, muss das gar nicht groß signalisieren. Ein guter Friseur erkennt innerhalb von drei Sekunden, ob die Kundin oder der Kunde reden möchte oder nicht.“ Seit 40 Jahren ist Ralph Brinkmann Friseur, seit 1992 in Meckenheim. Das Angebot des „Silent Cut“ brauche es seiner Meinung nach nicht: „Das ist vielleicht eher ein Ding in der Großstadt, wo alles hektischer ist und die Menschen genervt oder gestresst sind.“
Die Themen, über die gesprochen wird, sind so schnelllebig wie die Welt selbst, so Ralph Brinkmann. Es gehe viel um Aktuelles wie den Krieg gegen die Ukraine, das Erdbeben in der Türkei und Syrien, oder die gestiegenen Energiekosten. Einfach alles, was die Menschen bewegt. Dabei hört Ralph Brinkmann auch Belastendes, wie er sagt, und wenn er am Tag ein Gespräch nach dem anderen führe, könne das auch schon einmal anstrengend werden. Anonymität habe im Friseurberuf nichts zu suchen, macht Brinkmann deutlich. Er genieße, dass man sich kenne und sich unterhalten könne.
Kundenbindung ist ihm sehr wichtig, und die entstehe nur im Gespräch während des Haareschneidens. „Als Friseur ist man Menschenkenner. Für das Praktizieren des Berufs ist Kommunikation ungemein wichtig.“ Dass die sozialen Fähigkeiten neben den fachlichen besonders wichtig sind, lerne man bereits in der Ausbildung, sagt er. Termine für „Silent Cuts“ zu vergeben, kann sich der Meckenheimer nicht vorstellen: „Wenn wir mit dem Reden und dem Lachen aufhören, können wir einpacken.“
„Haarscharf“ in Bornheim-Kardorf unterhält sich gern
Für Anja Stöckel, Inhaberin des Salons „Haarscharf“ in Bornheim-Kardorf, ist die Mischung ausschlaggebend. Sie möchte die Gespräche mit ihren Kundinnen und Kunden nicht missen. „Und wenn jemand doch lieber schweigen möchte, ist man halt still. Das kommt aber nur sehr selten vor.“ Im Salon ist gute Stimmung, die Beziehung zu den Kunden beschreibt Stöckel als freundschaftlich. Es ist viel los, meist sind vier Friseurinnen oder Friseure gleichzeitig bei der Arbeit, der Geräuschpegel ist entsprechend hoch. So gerne sie mit ihren Kundinnen und Kunden plaudert, da wünsche sie sich während des Haareschneidens manchmal etwas mehr Ruhe. Mitunter gehe es auch um belastende Themen: „In der Corona-Zeit war das besonders eklatant. Das hat einen selbst schon so mitgenommen und von den Kundinnen und Kunden hörte man nichts anderes.“
Anja Stöckel hat nach eigenem Bekunden gelernt, Negatives im Gespräch schnell umzulenken, um über angenehmere Themen zu reden. Ebenso wie ihr Meckenheimer Kollege möchte Anja Stöckel, die seit 26 Jahren selbstständige Friseurin ist, „Silent Cut“-Termine nicht vergeben. Ihr Salon biete auch nicht die räumlichen Gegebenheiten, um sich so abzugrenzen. Denn um einen solchen Termin für die Kundin oder den Kunden wirklich erholsam zu gestalten, benötige man einen ruhigen Bereich, einen separaten Raum ohne Lärm.
Haarstudio Trend & Style in Alfter kann nicht ohne Plaudern
Auch für Imad Rahi, Friseur aus Alfter, scheint das Haareschneiden ohne Plaudern unmöglich. „Beim Friseur öffnen sich die Menschen. Hier wird alles besprochen, was bewegt. Was früher der Beichtstuhl war, ist heute der Friseur“, so Imad Rahi. Es bestehe ein hoher Gesprächsbedarf. „Man hört viel zu, und es wird enorm viel erzählt. Als Friseur ist man geübt und geduldig.“
Gerade die Stammkunden öffnen ihr Herz, denn da sei das Vertrauen besonders groß. „Was beim Friseur erzählt wird, bleibt beim Friseur.“ Das Vertrauen zu seinen Kunden hat Imad Rahi über viele Jahre aufgebaut. Seit 21 Jahren ist er in Alfter tätig; im Beruf schon seit 32 Jahren. Seinen Salon betreibt er als Familienbetrieb, auch seine Frau und sein Sohn arbeiten dort als Friseurin und Friseur mit. Seine Tochter befindet sich derzeit in der Ausbildung zur Friseurin. Das sorgt für eine gemischte Kundschaft, betont Imad Rahi und stellt fest.
Wie gesprächig ein Kunde sei, das sei auch vom Alter abhängig, weiß Rahi. „Ältere Menschen erzählen von sich, wollen aber auch etwas über ihren Gegenüber erfahren. Bei jungen Menschen bleiben solche Fragen eher aus.“ Früher sei noch deutlich mehr geredet worden, über die Corona-Zeit habe das dann wieder zugenommen, so Imad Rahi. „Wer heutzutage jemanden sucht, der einfach zuhört, findet ihn beim Friseur. Denn der Friseur hören zu, wenn sich niemand sonst die Zeit nimmt.“
Ein „Silent Cut“, denkt Imad Rahi, darin, könnte aber durchaus mehr Ruhe bringen, sowohl für den Kunden als auch den Friseur. Während des Schweigens könne man die eigenen Gedanken schweifen lassen. „Dem einen kommen die besten Ideen beim Zähneputzen, dem Friseur vielleicht beim stillen Haareschneiden“, so Rahi. Aber anbieten möchte er es in seinem Salon nicht.