Michael Sachse hat sich umgehört, wie Gastronomen aus der Region mit Kritiken auf Google, Tripadvisor und Co. umgehen
Gastro-SzeneFreud und Leid mit den Online-Bewertungen

Internetbewertungen können etwa bei tripadvisor abgegeben werden.
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Der Stammitaliener oder der Grieche um die Ecke wird gerne spontan aufgesucht. Schließlich weiß der treue Gast, was ihn dort erwartet. Er kennt die Speisekarte, schätzt das Ambiente und trifft auf bekannte Gesichter, die ihm das Essen servieren und den Wein einschenken. Wer jedoch in ein unbekanntes Lokal einkehren möchte, wird sich in der Regel vorher informieren.
Vielleicht klingt der Tipp einer Freundin oder eines Kollegen derart verlockend, dass man ihm gerne folgt. Ein immer wichtigeres Motiv für den Besuch eines Restaurants, Bistros oder Cafés sind jedoch wohlklingende Online-Bewertungen. Auf Google, Tripadvisor und weiteren Portalen lassen sich sämtliche Lokalitäten bewerten. Hier können die Gäste ihre Kritik verewigen und Punkte vergeben. Hat das Risotto geschmeckt? War der Service freundlich und kompetent? Ist das Ambiente anziehend? Und wie sieht es mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis aus? Andreas Dauns, David Nowakowski und Jana Göddertz haben im November 2020 die Acetaria in Rheinbach eröffnet. Das Duo bietet eine Alternative für alle, die sich gesund ernähren möchten. Das kleine Bistro mit großer Küche legt seinen Schwerpunkt auf den Außer-Haus-Verkauf und kommt beim jüngeren onlineaffinen Publikum besonders gut an. Die Acetaria wird top bewertet. Viele Gäste und Kunden bestellen oder kommen vorbei, weil sie vorher die zahlreichen positiven Bewertungen gelesen haben. „Wir profitieren vom Zuspruch im Internet. Sollte es dennoch mal Anlass zur Beanstandung geben, schauen wir zunächst, ob eine Kritik nachvollziehbar ist. In derartigen Fällen reagieren wir und entschuldigen uns“, sagt Jana Göddertz. Negative Meldungen sind jedoch die Ausnahme.
Ein junges Unternehmen wie die Acetaria boomt vor allem durch die Präsenz in den sozialen Medien. Ali Ercosman leitet seit vier Jahren das italienische Restaurant La Campana auf der Meckenheimer Hauptstraße. Er übernahm damals eine laufende Gastronomie mit gutem Ruf. Gestandene Restaurants wie das La Campana können mit kritischen Bemerkungen im Netz gelassen umgehen. „Ich schaue eher selten ins Internet, vielleicht einmal im Monat“, sagt Ercosman. „Insgesamt habe ich in den vergangenen Jahren zwei Mal auf eine negative Kritik reagiert.“ Das Ristorante wird überwiegend positiv bewertet. Deshalb und aufgrund seines Standings kann Ercosman Online-Kommentaren gegenüber gelassen bleiben. Tobias Selz ignoriert die Kritiken, die über seinen Bahnhof Kottenforst auf Google oder Tripadvisor gelegentlich geäußert werden.
Wo mit frischen Lebensmitteln gekocht wird, kann es schon mal eine Weile dauern, bis das Steak oder Schnitzel serviert wird
„Das schaue ich mir gar nicht erst an. Die Menschen, die dort schreiben, hatten meist einen schlechten Tag“, meint der Gastronom. Über online verfasste negative Resonanz erfahre er nur von seinen Mitarbeitern. Die Mehrzahl derartiger Kommentare moniert zu lange Wartezeiten. „Wo mit frischen Lebensmitteln gekocht wird, kann es schon mal eine Weile dauern, bis das Steak oder Schnitzel serviert wird“, hält Selz dagegen. Gerechtfertigte und seriöse Kritik erhalte er gelegentlich per E-Mail. Darauf reagiere er dann auch und lasse sich gerne auf einen Dialog ein, so der Gastwirt.
Der Bahnhof Kottenforst sei glücklicherweise als klassisches Ausflugsziel generell weniger abhängig von Online-Bewertungen als Lokale in der Stadt. Ähnlich geht Rolf Hiller mit negativen Kommentaren um. „Anfangs habe ich noch darauf reagiert, doch das mache ich schon länger nicht mehr. Ich lese mir diese Beiträge gar nicht mehr durch“, sagt der Chef des Sudhauses auf dem Bonner Friedensplatz. Häufig seien Kommentare anonym verfasst und unsachlich. „Ich habe die Kommentare im Internet immer im Blick. Die kommen direkt über eine App auf mein Handy“, sagt hingegen Bassam Wakkas, Chef des Restaurants „Zur Grünen Gans“ in Niederbachem. „Auf eine Bewertung kann ich daher sofort antworten.“
Die Mehrzahl der Reaktionen seien wohlwollend und positiv. Dafür bedanke er sich, so der Wirt. Natürlich gebe es auch schon mal negative Kommentare. Schließlich passe sein Stil nicht jedem, das müsse er hinnehmen. Darauf reagiere er nur gelegentlich, denn dazu fehlten ihm Zeit und Motivation. Generell könne er mit negativer Resonanz allerdings gut leben, denn die „Grüne Gans“ habe sich längst einen Ruf als verlässliche Gastronomie erarbeitet. „Wir können die sozialen Medien nicht ignorieren. Sie werden immer relevanter. Daher sind auch die Bewertungen im Internet für uns bedeutend“, sagt Benoit Lamour.
Der Chef des La Cigale auf der Friedrichstraße in der Bonner Fußgängerzone möchte diesen Trend künftig stärker berücksichtigen. Im Herbst wird Lamour neben seinem französischen Restaurant zusätzlich die Weinbar „La Fourmi“ betreiben. Dort war bis Ende des vergangenen Jahres der Weinkommissar untergebracht. Vor mehreren Wochen hatte Lamour bereits die Terrasse neben seinem Stammlokal eröffnet. Aktuell werden die Räumlichkeiten im Innenbereich saniert. Spätestens im November soll zusätzlich der Betrieb im Lokal starten. „Damit ist der Zeitpunkt gekommen, mich noch intensiver mit unserer Marketingpräsenz auseinanderzusetzen“, so Lamour. Zu diesem Zweck möchte er noch jemanden einstellen, der sich damit besser auskennt als er.
„Wir müssen uns langfristig orientieren und noch mehr junges Publikum ansprechen, das sich vor allem über das Internet und die sozialen Medien informiert“, so Lamour. Generell seien die Online-Bewertungen immer auf dem Radar, auch wenn im La Cigale mehrheitlich Stammgäste bewirtet werden. Doch in zentraler Lage gebe es eben auch Laufkundschaft. Touristen etwa informieren sich schließlich überwiegend online.