Pützchens MarktDer Mythos vom Adelheidis-Brunnen

Im Abendlicht: Die heutige Pfarrkirche St. Peter in Vilich war einst Stiftskirche des von Adelheid geleiteten Klosters in Vilich.
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Bonn – Wettermann Dr. Karsten Brandt räumt mit dem Mythos um das Adelheidis-Pützchen auf – ausgerechnet in dem Jahr, in dem die katholische Kirche den 1000. Todestag der Bonner Stadtpatronin Adelheid von Vilich feiert.
Sie wirkte um die Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert als Äbtissin in Vilich und in Köln. Der Legende nach soll sie während einer Dürrezeit etwa um 988 ihren Äbtissinnenstab im heutigen Stadtteil Pützchjen in den Boden gestoßen und so eine Quelle zum Sprudeln gebracht haben. Menschen und Tiere hatten zu trinken.
Karsten Brandt, in Beuel geborener Geschäftsführer des privaten Wetterdienstes donnerwetter.de, hat mit großem Respekt vor dem Volksglauben diese Legende hinterfragt und die Ergebnisse seiner Recherchen in dem Büchlein „Adelheid und ihr Pützchen“ zusammengefasst.
Geplagt von Hungersnöten
Die Menschen im Mittelalter, die vor allem von der Landwirtschaft lebten, waren mehr als heute von den Wechselfällen des Klimas abhängig. Nach dem 8. und 9. Jahrhundert stieg die Bevölkerungszahl an, und gab es dann Missernten, waren Hungersnöte wahrscheinlich. Brandt: „Das Jahr 988 könnte das Jahr der größten Not sein“. Damals soll Adelheid ihr Wunder bewirkt haben. Der Quellenfund in Pützchen werde aber in einer Adelheid-Biografie, verfasst von einer Schwester Bertha, nicht erwähnt, schreibt Brandt, sondern erst 600 Jahre später.
Das Wasser der Quelle, auf dessen Heilkraft zahlreiche Pilger während des Pützchens Markts vertrauen und es trinken oder sich die Augen damit waschen, fließt nur mäßig: Zwischen sechs und sieben Liter pro Minute schöpfte das donnerwetter-Team im vergangenen Jahr in einem monatelangen Test am Brunnen ab. Brandt: „Diese Detektivarbeit hat richtig Spaß gemacht“. Seine Schlussfolgerung: „Mit so wenig Wasser kann man definitiv keine durstigen Menschen und erst gar keine Viehherden versorgen“.
Keine Freude machte Brandt und seinen Leuten allerdings der Geschmackstest. Das wahrscheinlich aus einer Basaltschicht nördlich des Ennert kommende Wasser riecht nach faulen Eiern. Karsten Brandt erinnert sich: „Ich habe es nur geschafft, die Lippen zu befeuchten und auf der Zunge einen Geschmack ,zu erahnen’“. Ein Mitarbeiter war mutiger und nahm beherzt einen Schluck: Ein paar Tage später hat er sich krank gemeldet. Das Wasser schmecke metallisch und „eher unangenehm“, womit auch zu erklären sei, warum kein Unternehmer es bisher kommerziell abgefüllt hat. Der faule Geruch entsteht durch die Umwandlung von Sulfat in Sulfid, dabei bildet sich Schwefelwasserstoff, der faulig müffelt. Es überrascht daher nicht, dass am Brunnen das Schild „Kein Trinkwasser“ angebracht worden ist.
Der private Bonner Wetterdienst donnerwetter.de erstellt seit 1996 Wettertexte, Liveinterviews für Rundfunk und Fernsehen und beliefert nach eigenen Angaben Städte und Gemeinden mit Winterdienst- und Pharmaunternehmen mit Pollenwettervorhersagen. Seit 2010 betreiben die Bonner in Hellenthal/Eifel eine Wetter- und Klimaausstellung.
Dieser aus der Quelle fließenden bakteriologisch sauberen „Brühe“ spricht Fachmann Brandt eine heilende Wirkung ab: „Von einer medizinisch oder naturwissenschaftlich belegbaren Wirkung des Wassers ist kaum auszugehen“. Es könne sogar sein, dass dieses Rinnsal versiege.
Wie lässt sich erklären, dass Pützchen zum Wallfahrtsort und zum Jahrmarkt wurde? Karsten Brandt geht davon aus, dass die Legende mit Heilungsgeschichten „aufgepeppt“ worden ist und so Pilger nach Vilich gelockt wurden. Mit ihnen kamen Händler, die sie versorgten, mit den Händlern kam der Markt, aus dem Markt wurde die Kirmes, heute eine der größten im Rheinland.
Für den Pfarrer von Vilich, Michael Dörr, ist indes die Bedeutung und Strahlkraft der als Wohltäterin geltenden Heiligen auch nach 1000 Jahren ungebrochen: „Der unerschütterliche und selbstlose Einsatz für hilfsbedürftige Menschen war damals und heute notwendig“. Dass sich im Laufe der Zeit auch viele Heiligenlegenden entwickelten, unterstreiche nur, dass das Lebensbeispiel Adelheids den Menschen wichtig und heilig sei.
„Adelheid und ihr Pützchen“, von Dr. Karsten Brandt, Herausgeber donnerwetter.de GmbH, Bonn.