Ausschuss entscheidetRheinbacher Fahrradstraßen sollen wieder öffnen

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Am Stadtpark war die Durchfahrt außer für Radfahrer nur noch für Anlieger erlaubt. Es wurden auch Knöllchen verteilt.

Am Stadtpark war die Durchfahrt außer für Radfahrer nur noch für Anlieger erlaubt. Es wurden auch Knöllchen verteilt.

Im  Ausschuss für Umwelt und Verkehr in Rheinbach wurden erneut Anträge zur Änderung der Beschilderung der Fahrradstraßen behandelt. Die Freigabe für Kraftfahrzeuge und Motorräder soll durch entsprechend veränderte Schilder erfolgen.

Es war schon lange dunkel draußen und von den anfangs 40 Besuchern war nur noch ein knappes Viertel übrig, als die Entscheidung im Ausschuss für Umwelt und Mobilität fiel: Mehrheitlich wurde beschlossen, die im Oktober eingerichteten Fahrradstraßen in Rheinbachs Innenstadt nun auch für den Kfz-Durchgangsverkehr freizugeben. Zusatzschilder mit der Aufschrift „Kfz-frei“ sollen das in Zukunft regeln. Gleichzeitig sollen die Maßnahmen für ein zukunftsorientiertes Radverkehrsnetz fortgesetzt werden, für die die Stadt bereits Fördergelder in beachtlicher Höhe erhalten hat.   Umgewandelt worden waren im Oktober Turmstraße, Kriegerstraße, Kleine Heeg bis Eulenbach, Bachstraße und Stadtpark.

Die acht Ja-Stimmen kamen von den Christdemokraten, der FDP und der UWG. Die SPD und die Grünen stimmten gegen die Freigabe der Fahrradstraßen.   Der Entschluss, mit dem Radverkehrskonzept weiterzumachen, fiel mehrheitlich bei einer Enthaltung und einer Nein-Stimme von Marc Frings (FDP).

Banken warnte vor dem Verlust von Fördergeldern

Die Öffnung der Fahrradstraßen auch für durchfahrende Autos und nicht nur für Anlieger erfolgte gegen die Empfehlung der Verwaltung um Bürgermeister Ludger Banken. Der Verwaltungschef und der Technische Beigeordnete Torsten Bölinger machten eindringlich auf die Gefahren aufmerksam, die bei einer Änderung oder gar einem Stopp der Maßnahmen drohen könnten. „Wir haben ein auf Einzelmaßnahmen aufgeteiltes Konzept vorgelegt und wenn wir etwas zurücknehmen, droht der Verlust von Fördermitteln“, sagte Ludger Banken eindringlich.

Den bewilligten Fördermitteln von rund 900 000 Euro stünden Gesamtkosten für Fördermaßnahmen in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro gegenüber. Ausgegeben worden seien bereits rund 240 000 Euro. Torsten Bölinger klärte über das Prozedere auf: „Wir sind als Stadt dazu verpflichtet, Änderungen dem Fördergeber mitzuteilen. Was dann passiert, liegt in den Händen des Fördergebers und deswegen würden wir das nicht empfehlen!“

Schulze hatte den CDU-Antrag nach einer Beratungspause verteidigt mit dem Argument, dass in über 90 Prozent der in Deutschland eingerichteten Fahrradstraßen der Kfz-Verkehr durch diese Straßen fahren könne. Mit Sicherheit werde die Stadtverwaltung keine Fördermittel verlieren, war sich Schulze sicher: „Wir machen doch nichts Verkehrtes: Die Fahrradstraßen bleiben bestehen, nur der Kfz-Verkehr darf durchfahren. Das ist eine ganz normale Sache.“

Die Debatte

Die Christdemokraten beriefen sich auf die „gelebte Wirklichkeit“, in der die Fahrradstraßen mit den derzeitigen Beschränkungen nicht akzeptiert würden: So werde die von der Verwaltung gewünschte Wirkung, die Nutzung des Fahrrads in Rheinbach attraktiver und sicherer zu gestalten, nicht erzielt. Außerdem habe sich eine deutliche Mehrheit der Rheinbacher in zahlreichen Diskussionen, einer Demonstration, in Leserbriefen und öffentlichen Veranstaltungen für die Öffnung der Fahrradstraßen für den motorisierten Verkehr ausgesprochen. So plädierte Dr. Timo Wilhelm-Buchstab (CDU) dafür, das aktuell entwickelte Verkehrsentwicklungskonzept (VEK) abzuwarten, „bevor so massiv einschränkende Veränderungen beschlossen werden“. In dem Konzept würden auch die Auswirkungen der Einführung von Fahrradstraßen geprüft sowie Verbesserungen für den Radverkehr entwickelt.

Die CDU-Fraktion setze sich seit Jahren mit Nachdruck für ein deutlich verbessertes Radfahrangebot in Rheinbach ein, versicherten der Oberdreeser Ortsvorsteher Kurt Brozio (CDU) und Buchstab. Dies werde jedoch nicht dadurch erreicht, dass viel befahrene Straßen per Umwidmung nur noch für wenige Verkehrsteilnehmer zu befahren seien: „Solche Maßnahmen führen nicht zu der angestrebten Verhaltensänderung, sondern fördern das Konfliktpotenzial zwischen Rad- und Autofahrern.“

Im Grunde stehe „jeder den Fahrradstraßen positiv gegenüber“, hielt Buchstab fest und Brozio sagte: „Ich bin bekennender Anhänger der Fahrradstraßen.“ Zumal in Rheinbach begleitende Fahrradwege oft nicht möglich seien. Darüber hinaus könne sich der Radverkehr auf den Fahrradstraßen weiter sicher fortbewegen, habe Vorrang gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und gebe die Geschwindigkeit bis maximal 30 Stundenkilometer vor.

Der UWG-Fraktionsvorsitzende Dieter Huth findet die Fahrradstraßen in Rheinbach „toll, alle wie sie da sind“. Über den Antrag der CDU sollte jedoch verhandelt werden, schlug der Ratsherr vor: „Die Fahrradstraßen sollten bürgerfreundlich und auch für den Kfz-Verkehr zugelassen sein.“ Gleichzeitig bat Huth darum, die Anregungen des über Parteigrenzen anerkannten Fahrradexperten Dr. Georg Wilmers (SPD) bei den weiteren Plänen zu berücksichtigen.

Marc Frings von der FDP lehnte eine erneute Verkehrszählung ab, die er sogar als Vorwand der Verwaltung bezeichnete, um die „Problematik nach vorne zu schieben“. An Erkenntnissen mangele es nicht, fand der Fraktionsgeschäftsführer: „Wir haben dazu eine fundierte Meinung.“ Auch die Bürger hätten sich positioniert.

Der Technische Beigeordnete Torsten Bölinger gab zu bedenken, dass die Verwaltung für eine Ausnahmegenehmigung „eine gute Begründung“ brauche, die möglicherweise eine Verkehrszählung liefern könne. Die Verwaltung sei verpflichtet, diesen Weg zu gehen, da sonst Fördermittel gefährdet sein könnten. Bölinger versicherte gleichzeitig, die durch Befahrungen und Messungen gewonnenen Erkenntnisse von Georg Wilmers auch bei anstehenden wegweisenden Beschilderungen zu berücksichtigen.

Der Sozialdemokrat Wilmers, der auch Sprecher des örtlichen ADFC ist, führte aus, dass im Verkehrskonzept Kfz- und Radverkehre voneinander getrennt werden sollen. Bei der notwendigen Unterstützung des Radverkehrs, der zurzeit in Rheinbach am schlechtesten wegkomme, sei die Einrichtung der Fahrradstraßen ein erster Schritt: „Sie sind optisch eine echte Einladung zum Radfahren, das ist genau das, was wir wollen.“

Diese Straßen für den Auto-Durchfahrtverkehre wieder zuzulassen führe das Konzept ad absurdum, die Herausforderung sei vielmehr der kleinräumige Durchgangsverkehr, der nicht ausgeschlossen werden sollte: „Das wollte niemand von uns: Lasst sie durch den Stadtpark wieder ins Gartenviertel fahren und zwingt sie nicht zu riesigen Umwegen.“

Wilmers Plädoyer für die SPD-Fraktion lautete, dem Rat zu empfehlen, die Fahrradstraßen für den kleinräumigen Durchgangsverkehr wieder freizugeben, wie zum Beispiel für nahe Anlieger. Bei drei Verkehrsbeziehungen jedoch, die eine Einladung zur Abkürzung für den Kfz-Durchgangsverkehr seien, sollte die Regelung zunächst „Anlieger frei“ bleiben. Das sei die Fahrt von der Bachstraße über die Hauptstraße, die Fahrt vom Rathaus über die Kriegerstraße raus Richtung Flerzheim und die Turmstraße.

Grünen-Ratsfrau Urte Seiffert-Schollmeyer riet dazu, die Ergebnisse der in der Vergangenheit beschlossenen Verkehrszählung abzuwarten. Kompromisse müssten „in irgendeiner Form“ geschlossen werden, allerdings gebe es „kreative Möglichkeiten, über die wir noch gar nicht geredet haben“. Fahrradfahren in Rheinbach sei ein „Kamikaze“-Akt. Darum freue sie sich, „wenn Radfahrer eine sichere Position erhalten“.

Bürgermeister Ludger Banken erinnerte an sein Einspruchsrecht für den Fall einer Gefährdung des Gemeindewohls und bekräftigte: „Ich meine, wir sollten das tun, was wir im Dezember beschlossen haben: Entscheidungen auf einer vernünftigen Grundlage zu treffen.“ Ohne sachliche Begründung könne das Gesamtkonzept scheitern: „Wenn es dazu kommt, dann tragen Sie auch bitte die Folgen“, mahnte der Bürgermeister.

Verkehrszählung fällt weg

Mit dem Beschluss „Pro Öffnung der Fahrradstraßen für motorisierten Durchgangsverkehr“ wird eine eigentlich im April vorgesehene Verkehrszählung obsolet, die das Büro „Ingenieurgruppe für Verkehrswesen und Verfahrensentwicklung (IVV) GmbH & Co.“ durchführen sollte.

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