Debatte um NahversorgerStadt Rheinbach beschließt Priorisierungsliste der Bauprojekte

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Rheinbachs Vize-Bürgermeister Karl Heinz Kerstholt (SPD) zeigt auf die Wiesenfläche an der Landstraße 113. Dort soll für die Höhenorte Merzbach und Neukirchen ein Discounter gebaut werden. Das Plangebiet ist knapp 5000 Quadratmeter groß.

Rheinbachs Vize-Bürgermeister Karl Heinz Kerstholt (SPD) zeigt auf die Wiesenfläche an der Landstraße 113. Dort soll für die Höhenorte Merzbach und Neukirchen ein Discounter gebaut werden. Das Plangebiet ist knapp 5000 Quadratmeter groß.

Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen wurde eine Priorisierungsliste der Bauprojekte in der Stadt Rheinbach beschlossen. Drei Projekte wurden in die Kategorie II aufgenommen: Das sind ein Nahversorger  in Merzbach, eine Photovoltaikanlage an der Bahn bei Oberdrees sowie ein Discounter dort.

Nahversorger Merzbach

Getrieben von der Sorge über die Flächenversiegelung sprach sich Vize-Bürgermeister Karl Heinz Kerstholt (SPD) gegen die Entwicklung eines Lebensmitteldiscounters mit Café aus: „Die Merzbacher wollen keinen Laden auf der grünen Wiese.“ Vor dem Hintergrund der Flutereignisse vor zwei Jahren sei es keine gute Idee, im 350 Meter hochgelegenen Merzbach ein knapp 5000 Quadratmeter großes Areal für den Bau eines Nahversorgers zu asphaltieren, so dass kein Wasser mehr versickern könne. Mehrere Bäche würden von Merzbach aus Richtung Rheinbach fließen, sagte Kerstholt und erinnerte daran, dass nicht zuletzt aus diesem Grunde davor gewarnt worden sei, Land in den Höhenorten zu versiegeln. Die Fläche, auf der der Nahversorger realisiert werden soll, ist im Landschaftsplan Nr. 4 des Rhein-Sieg-Kreises als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.

Ein solches Gebiet umzuwandeln sei „ökologischer Wahnsinn“, fand der Merzbacher Bürger Dieter Bauerfeind, der sich als Vertreter einer inzwischen gebildeten Bürgerinitiative gegen die Pläne aussprach. Die Sitzung wurde unterbrochen, um den anwesenden Bürgern Gehör zu schenken. Einige  baten um Mitspracherecht: „Wir haben auch Ideen“, so Bauerfeind. Er riet: „Das Ganze sollte ökologisch vernünftig durchgezogen werden.“

Der Bürger Volker Schaaf zweifelte, dass sich ein großer Nahversorger in Merzbach rentieren werde, da bereits die kleine örtliche Bäckerei aus Mangel an Kunden hätte dichtmachen müssen. Die Bevölkerung müsse in die Pläne eingebunden werden. Geht es nach SPD-Ratsfrau Ute Krupp (SPD) sollen die Bürger in Zukunft gehört werden. Die Problematik im Ort sei durch die Bürgerbeiträge deutlich geworden, sagte sie. UWG-Ratsherr Jörg Meyer, der im benachbarten Höhenort Groß Schlebach wohnt, wies darauf hin, dass es im Ausschuss nicht um eine Ablehnung des Projektes, sondern um seine Einstufung in die Prioritätenliste gehe. Detaillierte Informationen zum Projekt sollten nachgereicht werden, eine „intensive Bürgerbeteiligung“ zum Discounter wurde für die nächsten Monate in Aussicht gestellt.

Weitere Entwicklung in Höhenorten sollen angestoßen werden

Gleichzeitig betonte Meyer die Wichtigkeit, weitere Entwicklungen in den Höhenorten anzustoßen und im Rahmen der Daseinsvorsorge ein wohnortnahes Angebot an Lebensmitteln zu sichern. So sei in dem jüngst fertiggestellten, aber noch nicht vom Rat verabschiedeten, Einzelhandels- und Zentrenkonzept für Rheinbach eine wohnortnahe Grundversorgung für die Orte Merzbach, Oberdrees und Wormersdorf empfohlen worden. Der Standort in Randlage an der Landstraße 113 am Eingang von Merzbach sei zentral, für die meisten Bürger gut erreichbar und störe niemanden: „Wir verbitten es uns, wegen des Flutereignisses nichts mehr in Merzbach bauen zu dürfen.“

Eine Anwohnerin sprach stellvertretend für die Senioren im Ort und bat um eine wohnortnahe Versorgung, die sich mit Rollator erreichen ließe: „Wir würden uns über die Verwirklichung des Projektes freuen.“Über 60 Jahre sei sie mit ihrem Mann bis zu drei Mal in der Woche nach Rheinbach gefahren, um dort einzukaufen: „Das ist auch keine gute ökologische Bilanz.“ In der Unterlage weist die Verwaltung darauf hin, dass zur Entwicklung des Bauvorhabens ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erforderlich sei und der Flächennutzungsplan geändert werden müsse. Die Fläche für den zur Debatte stehende Discounter sei für die Landwirtschaft vorgesehenen.

Die Überarbeitung und Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts vom Januar 2023 bestätige für den Bereich der Ortslage Neukirchen/ Merzbach Defizite in der wohnungsnahen bedarfsgerechten Versorgung. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der angestrebten Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs sei eine wohnungsnahe bedarfsgerechte Versorgung weiterhin wünschenswert, die Dimensionierung sollte sich an der im Gebiet ansässigen Bevölkerung orientieren.

Photovoltaikanlage Oberdrees

Rheinbachs Technischer Beigeordnete Torsten Bölinger machte deutlich, das die Stadt das Projekt Photovoltaik-Freiflächenanlage voranbringen wolle. Allerdings gebe es inzwischen die Möglichkeit, Solaranlagen auf privilegierten Flächen, beispielsweise in der Nähe zweigleisiger Bahntrassen oder Autobahnen umzusetzen. Auf diese Weise entfalle das zeitaufwendige Bauleitverfahren und die PV-Anlage könne über einen Bauantrag realisiert werden. Die Bahntrasse in Oberdrees sei aber – noch – eingleisig, so Margit Thünker-Jansen, Leiterin des Fachbereichs Stadtentwicklung und Bauordnung. Ein schneller Ausbau sei in diesem Fall nicht möglich. In Zukunft sollten in der Stadt Dachflächen mit Solarmodulen bestückt werden.

Arne Ritter, Sachkundiger Bürger für die SPD, räumte der Solaranlage in Oberdrees „keine hohe Priorität“ ein. Man sollte besser schauen, ob es in Rheinbach privilegierte Flächen zur Umsetzung gebe. Ute Krupp (SPD) ergänzte, dass die SPD Wert drauf legen würde, dass sich in diesem Bereich „bald etwas tut“: „Gibt es alternative Vorschläge, dann her damit!“ Bürgermeister Ludger Banken sah die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen bei der Einleitung der Energiewende in Rheinbach kritisch: „Ich würde lieber Windkraft fördern.“ Außerdem würde guter Boden beansprucht, so CDU-Ratsherr Kurt Brozio, der Ortsvorsteher in Oberdrees ist. Dr. Nils Lenke (Grüne) war dafür,die Fotovoltaik-Pläne in Oberdrees vorrangig zu behandeln und in die erste Kategorie einzuordnen.

Zur Sicherstellung der Energieversorgung auf dem Weg zur Energiewende brauche man Windkraft und Solar, sagte er und monierte, dass von der Verwaltung das Projekt zwar abgelehnt würde, aber keine Alternativen angeboten würden. Schnelles Handeln sei jedoch angeraten: „Der Klimawandel wartet nicht, bis wir soweit sind.“ Lenke wies darauf hin, dass die Module jederzeit zurückgebaut werden könnten. Ökologische Aspekte seien berücksichtigt, da der Boden darunter das auch Pflanzen zur Verfügung stehende Wasser aufnehmen könne.

Die Prioritätenliste

Mit der Prioritätenliste wird in Absprache zwischen Verwaltung und Politik ein „Arbeitsprogramm“ für die zeitaufwendige Bauleitplanung erstellt. Auf diese Weise werden Schwerpunkte festgelegt und Kräfte gebündelt, denn es gibt viele Pläne und die verfügbaren personellen Ressourcen sind überschaubar. Wenn nach einer realistischen Schätzung ein (Vollzeit-) Sachbearbeiter zwei bis drei Bauleitplanverfahren gleichzeitig bis zum Abschluss eines Verfahrens bearbeiten kann, können laut Unterlage im städtischen Sachgebiet Planung und Umwelt ab Februar 2024 aktiv fünf bis maximal sechs Bauleitplanverfahren gleichzeitig bearbeitet werden.

Mithilfe der Liste sollen Aussagen zu zeitlichen Abfolgen getroffen werden können, sie ist ein informelles Instrument, die Aufnahme eines Projektes ist keine formale Einleitung eines Verfahrens. Zu den teilweise schon weit fortgeschrittenen 13 Projekten in Priorität I gehören unter anderem die städtischen Planungen zur Schaffung von Baurecht für die Errichtung einer Dreifachsporthalle und der Grundschulneubau in Flerzheim. Mehr Projekte in der ersten Kategorie aufzunehmen, „mache keinen Sinn“, stellte Markus Pütz (CDU) fest, da diese Projekte alle nicht von heute auf morgen zu verwirklichen seien.

SPD-Ratsfrau Ute Krupp zeigte sich einverstanden mit den zur höchsten Priorität gehörenden Vorhaben: Diese Projekte liefen in Teilen seit Jahren: „Wir sind froh, wenn sie endlich zu Ende gebracht werden.“ Verfahren der Priorität eins sind von besonderer Bedeutung für die städtische Infrastruktur und die Stadtentwicklung, es besteht akuter Handlungsbedarf. Hierbei handelt es unter anderem um die Entwicklung von Flächen für den Schul- und Kita-Neubau, die Entwicklung städtischer Flächen und große Projekte für den Wohnungsbau.

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