SiebengebirgeWie sich der Klimawandel auf die Wälder auswirkt

Gut geschützt mit Anzug und Atemschutz bekämpft Marc Neunkirchen hoch im Baum ein Nest des Eichenprozessionsspinners erst mit Sprühkleber, bevor es in einer Müllverbrennungsanlage vernichtet wird.
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Königswinter/Bad Honnef – „Das ist“, sagt Marc Neunkirchen, „eigentlich wie ein kleiner Gefahrguteinsatz.“ Chemieschutzanzug, Atemschutz mit belüfteter Maske, gut abgedichtete Handschuhe und ein nur für diesen Einsatz vorbehaltenes Klettergeschirr sind ein Muss für den 38-Jährigen. Der ist dann allerdings nicht gerade für die Freiwillige Feuerwehr Königswinter aktiv, was er in seiner Freizeit durchaus auch tut. Vielmehr rückt Neunkirchen dann einer kleinen Raupe zu Leibe: Dem Eichenprozessionsspinner, der sich – Stichwort Klimawandel – auch in Nordrhein-Westfalen vermehrt ausbreitet und dessen feine Härchen beim Menschen Hautausschlag oder Atemnot auslösen können, die aber sogar zum allergischen Schock führen können.
„Das Baumpflegeteam des städtischen Bau- und Betriebshofes kontrolliert momentan verstärkt den Befall an Eichen, markiert die Gefahrenbereiche und lässt die vorhandenen Nester umgehend durch ein geeignetes Fachunternehmen entfernen“, teilte die Stadt Bad Honnef kürzlich mit. Da war Marc Neunkirchen aus Ittenbach gefragt, ein ausgebildeter Gärtner sowie Fachagrarwirt Baumpflege und Baumsanierung, der unter anderem am Himberger See Nester (Gespinste) des Eichenprozessionsspinner mit Sprühkleber einsprühte und anschließend beseitigte. Und der, wie der 38-Jährige im Gespräch berichtet, anschließend mitunter trotz seiner Schutz-Ausrüstung lange mit Juckreiz und Hautausschlag zu tun hat. Die Leiter, die er bei der Beseitigung der Raupe benutzt, flämme er anschließend mit einem Gasbrenner ab, um die kleinen Härchen zu zerstören, die ansonsten mehrere Jahr aktiv sein könnten. Neunkirchen: „Das ist recht aufwendig.“

Allergische Reaktionen kann der Eichenprozessionsspinner auslösen, der sich auch in NRW weiter ausbreitet.
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Deshalb habe er lange überlegt, ob er die Aufgabe überhaupt übernehmen sollte, sagt der 38-jährige Baumpfleger, der sich nach seiner Ausbildung zum Landschaftsgärtner 2006 selbstständig gemacht hat (zunächst in Teilzeit mit einer Festanstellung bei der Stadt Bonn; seit Januar ist er Vollzeitunternehmer mit einem festen Mitarbeiter und mehrere Kräften auf Honorarbasis) und der vor allem bei größeren Aufträgen auf ein Netzwerk von Partnern zurückgreift.
Eichenprozessionsspinner
Ausgewachsene Raupen des Eichenprozessionsspinner besitzen laut einer Broschüre des NRW-Umweltministeriums bis zu 600 000 feine Härchen, die sie eigentlich gegen Fressfeinde schützen sollen. Kommen Menschen (und auch Nutztiere) mit den Brennhaaren in Berührung, könnten sie allergische Reaktionen auslösen – von Juckreiz über Bindehautentzündung und Atemnot bis zum allergischen Schock.
Ende Juli/Anfang August schlüpfen die graubraunen Schmetterlinge. Ein Weibchen legt im Schnitt rund 150 winzige Eier in den oberen Eichenbaumkronen ab. Im April des Folgejahres wird die neue Generation aktiv. (csc)
Doch nicht nur die Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners hat im Laufe der Zeit seinen Beruf verändert. „Vor allem in den letzten drei Jahren sind viele alte Bäume nicht mehr zu retten.“ Die anhaltende Trockenheit machte nicht nur den von Borkenkäfern befallenen Fichten zu schaffen (siehe Bericht unten). Auf dem Rheinsteig bei Holtorf habe er unlängst zum Teil 300 Jahre alte Buchen fällen müssen, die durch Trockenstress und Pilzbefall abgestorben gewesen seien. Da sammele sich schon ein gewisser Frust an, sagt Neunkirchen. Schließlich geht es einem Baumpfleger ja um den Erhalt der Pflanze, nicht um deren Nutzung oder Zerstörung.
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Seinen Kunden rate er immer „wässern, wässern, wässern“, aber eine wirkliche Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels habe er auch nicht. Vor allem in den Großstädten sei die Baumpflege und Baumerhaltung an ihre Grenze gekommen. „In den Sommermonaten sind wir eigentliche permanent am Fällen“, sagt Neunkirchen, denn kranke oder vertrocknete Gefahrenbäume müssten beseitigt werden, bevor sie – Stichwort Verkehrssicherheit – beim nächsten Gewitter oder Sturm umfallen.
Inzwischen habe „fast jeder Baum seine spezifische Krankheit“, sagt der 38-Jährige und erinnert an das Eschentriebsterben (Esche), den Borkenkäfer (Fichte), die Miniermotte (Rosskastanie) oder den Massariapilz (Platane). Das sei vor zehn Jahren noch anders gewesen. Heute, betont Marc Neunkirchen, müsse er seinen Kunden „zu oft“ sagen: „Am Ende bleibt nur die Fällung“.
Schon rund 40 000 Fichten im Bad Honnefer Stadtwald gefällt
Rund 40 000 Fichten, schätzt Forstdirektor Stephan Schütte vom Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft, sind wegen des Borkenkäferbefalls seit dem vergangenen Jahr alleine im Bad Honnefer Stadtwald gefällt worden. Links und rechts des Schmelztales oder auch auf beiden Seiten der Landstraße zwischen Ittenbach und Aegidienberg tun sich große Kahlschlagflächen auf. Entlang der Waldwege stapeln sich die Stämme und warten auf den Abtransport zum Sägewerk oder per Schiffscontainer nach China. Und bei den noch stehenden Fichten künden die braunen Nadeln davon, dass auch sie ein Fall für den Harvester werden, der im Schnelldurchgang Bäume fällt und zerlegt. Eine Landschaft verändert ihr Gesicht.

Meterhoch stapeln sich überall im Bad Honnefer Stadtwald die Stämme der gefällten Fichten.
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„Hier reguliert sich gar nichts mehr von selbst“, sagte Schütte unlängst bei einem „Waldspaziergang“, an dem auf Einladung der CDU Aegidienberg rund 40 Bürger teilnahmen. Schüttes Aussage war gegen die Kritik von Naturschützern an den Kahlschlagmaßnahmen gemünzt, die vergeblich versucht hatten, die Arbeiten gerichtlich stoppen zu lassen. Der Stadtwald gehört zum Naturschutzgebiet Siebengebirge und ist laut Schütte auf rund 450 Hektar – also zu rund einem Drittel – mit Fichten bewachsen, die wegen der seit zwei Jahren anhaltenden Trockenheit – derzeit sei der Boden nur bis in 30 Zentimeter Tiefe feucht – dem Borkenkäfer nichts mehr entgegenzusetzen haben. Durch Aufforstungen – der Forstdirektor sprach von „Initialpflanzungen“ – solle aus dem Fichtenwald „nach und nach ein klimastabiler Mischwald“ entstehen.

Vor einer der Kahlschlagflächen, auf der einige Douglasien stehen geblieben sind: Forstdirektor Stephan Schütte.
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In dem Zusammenhang sprach sich Schütte klar dafür aus, nicht nur auf heimische Arten wie Buche und Eiche zu setzen, sondern auch ein bisschen zu „experimentieren“ mit Arten wie der Libanonzeder oder der Esskastanie. Auch die Douglasien, die auf einigen Kahlschlagflächen stehen gelassen werden und mitunter etwas einsam wirken, könnten Trockenheit besser vertragen als manche heimische Art. „Die Mischung macht’s“, mehr könne man nicht tun, so Schütte. Die Kosten für die Aufforstung gab er mit rund 3000 Euro pro Hektar an. Sie gelinge aber nur, wenn das Wild stärker als bisher reguliert werde, sprach sich der Forstexperte für eine intensivere Jagd aus.