Mit Gothic-CharmeVerdis „Un Ballo in Maschera“ in der Bonner Oper

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Eine Bühnenszene aus Verdis „Maskenball“: Eine Frau liegt am Boden, über ihr und um sie herum schwarz gekleidete Männer mit Wolfsmasken auf ihren Zylindern.

Yannick-Muriel Noahs Amelia wird von Samuel (Andrei Nicoara, M.) und Tom (Martin Tzonev) bedrängt.

Sir David Pountney bringt Verdis „Maskenball“ auf die Bühne der Bonner Oper. Das Stück erzählt indirekt vom Attentat auf den schwedischen König Gustav III.

Der schwedische König Gustav III. begann seine Herrschaft als aufgeklärter Monarch. Und als Förderer der schönen Künste, die ihm jedoch immer mehr als Zufluchtsort vor der Wirklichkeit dienten. Am Ende hatte er sich in der Scheinwelt des Theaters verloren. Bei einem Maskenball im Opernhaus, zu dem auch eine Gruppe von Verschwörern sich eingefunden hatte, kam es 1792 zum Showdown: Ein junger Adliger namens Johann Anckarström zog die Pistole und schoss den König nieder, der wenige Tage darauf starb.

Boston statt Stockholm

Den Königsmord hätte der  Komponist Giuseppe Verdi gern auf die Bühne gebracht, doch die Zensur in Neapel und Rom war dagegen. Also verlegte er die Geschichte mithilfe seines Librettisten Antonio Somma von Kopenhagen nach Boston, wo der König als Gouverneur unter dem Namen Riccardo die Bühne betritt.

Für die Inszenierung von Verdis „Un Ballo in Maschera“, die Regisseur Sir David Pountney wie schon die „Sizilianische Vesper“ von der Welsh National Opera in Cardiff mitgebracht hat, ist dieser Hintergrund von Relevanz. Das Publikum erlebt ein zwischen Schein und Wirklichkeit changierendes Drama, mit Riccardo als Regisseur. Und vielleicht auch als Autor. Immer wieder sieht man ihn mit einem kleinen roten Büchlein in der Hand, als würde er Text und Regieanweisungen lesen.

Hinter der Bühnenfigur Riccardo verbirgt sich in Pountneys Lesart der theaterliebende König, der seine eigene Geschichte inszeniert. Dass gegen Ende des ersten Aktes das einfache Volk schwedische Fahnen schwenkt, um seinen Herrscher zu feiern, sowie die vielen Proszenien, die Bühnenbildner Raimund  Bauer ins Bühnenbild integriert, spricht für Gustavs Opernhaus in Stockholm als Schauplatz der Handlung.

Hübsch-morbider Gothic Charme

Schon der Beginn hat etwas von ganz großer Show, eingefärbt in einem hübsch morbiden Gothic-Charme. Auf der Bühne steht ein schwarzer Sarg, auf dem eine Skulptur mit gefalteten Händen liegt, die sich jedoch schon sehr bald als Riccardos quicklebendiger Page Oscar entpuppt. Von dessen Herrn sieht man zunächst nur eine Hand am Rande des Sargs sich trippelnd entlangtastend, bevor Riccardo ihm entsteigt.

Das ist mehr Gothic-Parodie als echte Gruselshow und leitet den ersten, fast ein bisschen operettenhaft inszenierten Akt ein. Höhepunkt ist hier der Besuch Riccardos bei der Wahrsagerin Ulrica, die ihm in barocker Robe (Kostüme: Marie-Jeanne Lecca) den baldigen Mordanschlag verkündet, während ihr Gefolge an kleinen roten Voodoopuppen strickt, die sie später mit ihren Stricknadeln durchbohren.

Arthur Espiritu verleiht Riccardo heldische Strahlkraft

Wie so häufig bei Verdi steht im Zentrum des Geschehens eine toxische Dreierkonstellation aus einem Tenor (Riccardo), der eine Sopranistin (Amelia) liebt, deren Beziehung allerdings ein Bariton (Renato) im Wege steht. Die ist zwar nicht historisch, aber bühnenwirksam.

Arthur Espiritu verleiht Riccardo heldische Strahlkraft und charakterisiert die Figur ebenso überzeugend, wie es Giorgos Kanaris als sein Freund, eifersüchtiger Rivale und schließlich „Mörder“ Renato gelingt. Er hat als Figur wie als Sänger einige grandiose Auftritte.

Amelias Charakter erhält durch Yannick-Muriel Noahs substanzvoller Stimme eine herzergreifende Innigkeit. Ihre Gefühle scheinen unberührt von den Verwirrspielen zu bleiben, sie wirken in jedem Augenblick echt und authentisch.

Auch Nana Dzidziguris Ulrica und Lada Bockova in der Hosenrolle des Oscar bieten herausragende Leistungen in einem Ensemble, das mit Carl Rumstadt, Andrei Nicorara, Martin Tzonev, Tae Hwan Yun und Justo Rodriguez auch in den kleineren Partien ein hohes Niveau aufzubieten hat.

Der Maskenball als Totentanz mit Skelettkostümen

Der szenisch wirkungsvoll eingebundene Chor überzeugt auch vokal (Einstudierung: Marco Medved). Das Beethoven Orchester schließlich läuft unter der Leitung von Verdi-Spezialist Will Humburg erneut zu ganz großer Form auf. Nicht nur dann, wenn es laut wird, sondern auch in den zartesten Solopartien, etwa vom Englischhorn, das zu Beginn des zweiten Akts Amelias Leid gefühlvoll begleitet. 

Den Maskenball lässt „Regisseur“ Riccardo als Totentanz mit Skelettkostümen inszenieren. Zum Mordopfer bestimmt er übrigens einen anderen Königsdarsteller. Er selbst steigt am Ende wieder in seinen Sarg. Das ist einerseits konsequent, andererseits aber nimmt es dem Stück einiges von seiner tragischen Fallhöhe. Großer Jubel für alle Beteiligten. Lediglich Pountney musste sich ein ziemlich lautstarkes Buh gefallen lassen.

2 Stunden, wieder am 7., 21., und 25.12.; sowie 13., 15., 26. und 28.1. Karten unter theater-bonn.de.


Auf einen Blick

Das Stück: Verdis „Maskenball“ erzählt indirekt vom Attentat auf den schwedischen König Gustav III.

Die Regie: Sir David Pountey orientiert sich an Gustavs Leidenschaft fürs Theater.

Die Musik: Dirigent Will Humburg entfacht große Leidenschaften. (ht)

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